Die Torfbahn Bad Wurzach war mir immer ein Begriff, eine Verheißung seit Jugendtagen. Irgendetwas nie Gesehenes und Abenteuerliches wird sich dahinter verbinden, dachte ich jedes Mal, wenn ich aus Zeitgründen wieder daran vorbeifahren musste. Und jetzt endlich, im hohen Alter, wenn sich Planung als neues Element ins Leben schleicht, nehme ich mir die Zeit, rufe an, verabrede mich.
Vor dem Museum wartet Winfried Vincon auf mich. Der rüstige Rentner empfängt mich mit der typischen oberschwäbischen Mischung aus Neugier, Freude und Zurückhaltung. Im Hineingehen erfahre ich dann, dass ich viel zu früh dran sei, weil die Saison noch gar nicht begonnen habe! „Ach so, das tut mir leid!“ „Awa, i zeig Ihne trotzdem älles!“
„Älles“, das ist zunächst das wunderbare Torfmuseum. Es ist wirklich sehenswert und man lernt viel über den ehemaligen Torfabbau, erfährt, wie dieser abgebaut und getrocknet und wie er genutzt wurde - zum Heizen und später zum Baden. Das ist alles spannend, liebevoll aufbereitet und zieht einen zurück in eine ganz alte Zeit.
Und dann erfahre ich, wie die Stadt Bad Wurzach 1997 vom damaligen Pächter alle Güter abgekauft hat als Grundstock für das zukünftige Museum und wie von den Mitgliedern des Kultur- und Heimatpflegevereins Bad Wurzach um die Jahrtausendwende an der wunderschönen goldigen Torfbahn gebastelt wurde.
„Wollt ihr die Torfbahn mal sehen? Wollen wir sie anmachen?“
Es raucht und zischt, man sieht die Hand vor den Augen nicht und hat vor lauter Rauch fast das Gefühl, Helmut Schmidt habe sich in die Besuchermenge gemischt. Zwei Wanderinnen kommen vorbei und werden direkt angesprochen: „Mädle, wellet ihr mitfahre?“
Und so rattern und zischen wir rein in eine Traumwelt. Wir sehen das Werk der Biber, umgefallene Bäume, alles wie im Märchenbuch.
Wir kommen leider nur bis zur Brücke, weil die nämlich gerade saniert wird und wir nicht weiter fahren können. Aber auch schon diese kurze Fahrt hat mich wirklich völlig verzaubert und nachdem das Zügle wieder in seiner Garage steht und der Abschied naht, würde ich, wenn es die oberschwäbische Zurückhaltung nicht verböte, den Winfried am liebsten spontan in den Arm nehmen. Aus Freude darüber, dass jemand so viel Energie in den Erhalt einer Kulturlandschaft gibt, so viel Liebe und Zeit investiert und dabei so viele Menschen inklusive dem eigenen Sohn mit anstiftet. Und sich jetzt wahrscheinlich beim Lesen schon wieder denkt: „Das war doch gar net i alloi!“ Oberschwäbische Bescheidenheit. Ich kündige an, bald wiederzukommen und gehe vor zum „Wurzelsepp“, um mir ein kleines kühles Bierchen zu gönnen.
Und wie ich dabei diese herrliche eindrückliche Fahrt ins Ried noch mal Revue passieren lasse, entdecke ich mich dabei, wie ich im Kalender schon mal vorsorglich einen Tag im Sommer markiere.
Ihr
Christoph Sonntag
P.S.: Ich freue mich auch über Ihre Impulse und Ihre eigenen Erfahrungen. Schreiben Sie mir gerne an sonntagspost@sonntag.tv, wenn Ihnen meine Tipps gefallen haben. Oder, wenn Sie welche für mich haben! So, jetzt wär des au g’schwätzt!
Christoph Sonntag ist Baden-Württemberger, Schwabe, Kabarettist und Buchautor. Für Nussbaum stellt er regelmäßig seine Lieblingsorte im Ländle vor. Aktuell ist er mit seinem neuen Programm "Ein Tritt frei!" auf Tour.
Infos zu Christoph Sonntag gibt es hier.