Wann immer ich in Bad Cannstatt die Terrakottawand zum Eingang der Wilhelma entlanglaufe, packen mich mit großer Macht kindliche Erinnerungen. Ich kann nicht anders, ich muss immer wie vor 50 Jahren meine Hand an der Wand schleifen lassen, um den kalten trockenen Ton zu fühlen. Die Wilhelma war das größte Abenteuer, das man sich als schwäbisches Kind vorstellen konnte. Und so hat der zweitgrößte Tierpark Deutschlands auch heute noch eine magische Anziehungskraft auf mehr als eine Million Besucher im Jahr.

Die Eintrittspreise sind erträglich bis sozialverträglich, eine ganze Familie mit allen Kindern, die sie aufzubieten hat, zahlt 28 Euro für die Tageskarte, Schüler und Studenten 14,50 Euro. Dafür gibt es auch einiges zu sehen, auf etwa 30 Hektar sind rund 11.000 Tiere aus aller Welt zu besichtigen. Dazu der herrliche zoologische und botanische Garten in der historischen Schlossanlage.

Wilhelma: Flachlandgorilla

Wilhelma/Knitter

Affenstark ... in der Wilhelma sind Flachlandgorillas ebenso zuhause wie andere exotische und heimische Tierarten.

Früher konnte man in die Wilhelma rein und dann wieder raus, mittlerweile bietet sie mehr: Führungen, öffentliches Füttern und um die Weihnachtszeit den „Christmas Garden“. Dabei führt ein zwei Kilometer langer Weg durch ein beeindruckendes Lichtermeer; wer zuvor noch keine Weihnachtsstimmung hatte, hat sie spätestens nach einem Besuch der Wilhelma in diesen Tagen.

Man fragt sich, weshalb so viele Stuttgarter öfters nach Mallorca oder Sylt fliegen anstatt in die Wilhelma zu gehen. Ich tauche dort ein in eine andere Welt und ich weiß nicht, wie alt ich werden muss, bis der Zauber aufhört zu wirken, der mich beim Betreten der Wilhelma packt. Warum erstaunt es mich jedes Mal aufs Neue, wie groß eine Giraffe wirklich ist, wie mächtig ein Elefant und wie furchteinflößend ein Tiger? Das Insektenhaus, das Aquarium, alles irgendwie gewachsen, ehrlich, echt, liebevoll und anspruchsvoll ...

Wilhelma Stuttgart: Zooschule

Knitter/Wilhelma

Schule mal anders ... neben Tierbeobachtung bietet die Wilhelma mit der Zooschule praxisorientierte Einblicke in die Natur für alle Altersstufen.

Vor Jahren hatte ich einmal einen Gala-Auftritt anlässlich eines Firmenfestes in der Wilhelma. Das war sehr einprägsam, wie direkt an den Aquarien das Fischbuffet präsentiert wurde. Da rief ich den Fischen im Aquarium zu: „…versteckt Euch!“

Und, mein Vater als verdienter, leitender Beamte in Waiblingen, durfte in der Wilhelma mal etwas ganz Besonderes erleben: eine Führung hinter die Kulissen, zu den alten Tieren, die nicht mehr öffentlich präsentiert werden und im Hintergrund ihre letzten Tage fristen dürfen. Auf die Frage meines Vaters, ob die Tiere mit Schweinefleisch gefüttert werden, kam die Antwort: „Um Gottes willen, nein, da werden die Tiere krank! Die kriegen nur Gutes zu essen!“

An diesem Abend hat mein Vater seine Schinkenwurst etwas nachdenklicher gefuttert als vorher. Seine Enkelin wird Tierärztin und ist mittlerweile überzeugte Veganerin. Aber das ist ein anderes Thema.

Besuchen Sie die Wilhelma und kommen Sie erfüllt und verändert wieder raus!

Ihr

Christoph Sonntag

P.S.: Ich freue mich auch über Ihre Impulse und Ihre eigenen Erfahrungen. Schreiben Sie mir gerne an sonntagspost@sonntag.tv, wenn Ihnen meine Tipps gefallen haben. Oder, wenn Sie welche für mich haben!

Wilhelma: Maurischer Festsaal

Knitter/Wilhelma

Wasser trifft Blüte: Die Seerosen am maurischen Festsaal sind ein Highlight der Wilhelma.

Christoph Sonntag ist Baden-Württemberger, Schwabe, Kabarettist und Buchautor. Für Nussbaum stellt er regelmäßig seine Lieblingsorte im Ländle vor. Aktuell ist er mit seinem neuen Programm "Ein Tritt frei!" auf Tour. Infos zu Christoph Sonntag gibt es hier.

► Alle SonntagsAusflüge gibt's hier

Mehr als nur ein Zoo: Die Wilhelma Stuttgart