Es scheint eine Mode zu sein, die zuweilen nerven kann: Immer mehr Wanderwege bekommen immer mehr, aber nicht immer passende Attraktionen; die Landschaft dient nur noch als Kulisse für „Inszenierungen“. Umso erfreulicher, wenn es einmal anders geht. Zum Beispiel in Bad Peterstal-Griesbach. Die Kurgemeinde beschränkt sich darauf, die Wanderwege in hervorragendem Zustand zu halten, exzellent zu beschildern und schöne Rastplätze anzubieten. Die Natur darf Natur bleiben und ihren Zauber gerade daraus entfalten.
Video: Der Teufelskanzelsteig in Bad Peterstal
► Der Schwarzwald: Unsere schöne Heimat in Baden-Württemberg
„Der Schwarzwald ist schön genug“, findet Axel Singer, altgedienter Geschäftsführer der Kur und Tourismus GmbH Bad Peterstal-Griesbach. „Ein Angebot sollte immer authentisch bleiben.“ Dieser Devise ist er erfolgreich treu geblieben. Keine Hexen fliegen durch die Lüfte, keine Ritter putzen ihre Helme, und es hüpfen auch keine sieben Zwerge durch den dunklen Tann.
Dennoch hat das Deutsche Wanderinstitut dem Bad im Renchtal völlig zurecht das Prädikat Premium-Wanderort zuerkannt. Denn gleich fünf erstklassige Wanderwege führen in der Nähe des Nationalparks Schwarzwald durch Wald und Wiesen, Höhen und Täler. Noch relativ unbekannt ist der vor zwei Jahren zertifizierte Teufelskanzelsteig, je nach Kondition mit einer reinen Wanderzeit von drei bis vier Stunden. Weil er so viel Schönes bietet, sollten Sie sich ein durchaus gemächliches Tempo gönnen und einfach genießen.
Das Premium-Quintett
Außer dem Teufelskanzelsteig wartet Bad Peterstal-Griesbach noch mit vier weiteren Premium-Wanderwegen auf:
- Der Himmelssteig wurde 2017 zum schönsten Wanderweg Deutschlands gekürt. Auf knapp 11 Kilometern und gut 400 Höhenmetern warten während der fünfstündigen Tour viele Felsen, viel Wasser und auch jede Menge Laubbäume.
- Der Wiesensteig macht seinem Namen alle Ehre und führt auf gut 13 Kilometern und über 550 Höhenmeter unter anderem entlang der Wilden Rench zur Renchtalhütte. (Dafür am besten rund sechs Stunden einplanen.)
- Schattige Wälder und herrliche Aussichtspunkte machen den Reiz des Peterstaler Schwarzwaldsteigs aus. Er ist der sportlich anspruchsvollste des Quintetts. Auf den 11 Kilometern gibt es fast 800 Meter Auf- und Abstieg zu bewältigen. Aufwand: rund fünf Stunden.
- Zur Erholung kann man es dann beim Panoramawegle gemütlich angehen lassen. Das ist gerade mal 4 Kilometer lang und bei210 Höhenmetern in eineinhalb Stunden leicht zu bewältigen.
► Eine Beschreibung des Griesbacher Wiesensteigs finden Sie hier
Stürzende Wasser
Das gelingt umso besser, wenn Sie sich der von Axel Singer und seinem Team empfohlenen Wanderrichtung anschließen. Dann stürzt Ihnen nämlich der Griesbacher Wasserfall auf dem Weg nach oben entgegen. In Phasen langer Trockenheit wird er zwar seinem spektakulären Ruf nicht ganz gerecht, aber zur Schneeschmelze im Frühling oder nach einem sommer- oder herbstlichen Gewitterregen entfaltet er eine imposante Wucht. Mal abgesehen davon lädt dort an heißen Tagen nach ausgiebigem Landregen ein angenehm kühlender Sprühnebel zum Eintauchen ein.
Dieses Mikroklima sorgt auch für den Moosbewuchs auf den Steinstufen. Höchst idyllisch geht es also weiter bergauf, und den Wanderer begeistert nicht nur dort der hohe Anteil an naturbelassenen Pfaden. „Asphalt“ ist hier ein Fremdwort und schlägt in der Statistik mit „null Prozent“ zu Buche. Auch das ist ein Qualitätsmerkmal. Ebenso die Hinweistafeln mit der Notrufnummer nach jedem Kilometer, sodass man im Fall des Falles den Rettungskräften genaue Infos zum Standort geben kann. Eine reine Vorsichtsmaßnahme übrigens, bisher ist noch nichts passiert. „Und wir hoffen auch, dass das so bleibt“, sagt Axel Singer. Ein Gefühl der Sicherheit vermittelt dieser Service trotzdem allen, die auf den oft einsamen Pfaden unterwegs sind.
► Der Nationalpark Schwarzwald hat viel zu bieten
Die erste Gelegenheit zu einer gemütlichen Rast bietet sich nach etwa zwei Kilometern auf der herrlichen Waldwiese der Sexaer Hütte. Sie liegt an der Kreuzung mehrerer Wanderwege und ist vermutlich gerade deswegen so beliebt. Nicht zuletzt bei Familien: Die Kinder können hier nach Herzenslust toben, während die Würstle auf dem Grill liegen.
Reines Quellwasser
Ein Brunnen bietet Erfrischung. Höchst erfreulich: Es fehlt das unsägliche Schild „Kein Trinkwasser“, das den abschreckenden Eindruck erweckt, als würde man sofort krank, nähme man auch nur einen Schluck zu sich. Hier teilt das seit einem Dutzend Jahren von Meinrad Baumann geleitete Bürgermeisteramt lediglich mit, dass hier keine Untersuchung gemäß der Trinkwasserversorgung stattfindet – wohlgemerkt unter der Überschrift „Natürliches Quellwasser“. Und für das ist der Ort ja berühmt. Drei legendäre Mineralquellen sprudeln drunten im Tal: Peterstaler, Schwarzwaldsprudel und Griesbacher – die erste seit 1837, die zweite seit 1840 und Letztere seit 1935.
► Wissenswertes zum Heilwasser aus Baden-Württemberg erfahren Sie hier
Die erste Hälfte der Steigung ist hier schon geschafft. Die zweite steht ihr an Romantik in nichts nach. Manche Passage ist geradezu abenteuerlich und mit Warnhinweisen versehen, aber auch gut gesichert. Geübten Wanderern wird das keinerlei Probleme bereiten, die Freude über den natürlichen Fichtenwald dominiert.
Picea abies, so der botanische Name, gedeiht hier nämlich in ihrer optimalen Umgebung. Auf dem sauren Boden wachsen auch wesentlich mehr Arten als in den „Plantagen“, die für den schnellen Holzertrag in tieferen Lagen ohne Rücksicht auf Standortgerechtigkeit angelegt wurden. Da die Bäume hier wesentlich weiter auseinanderstehen als in den Monokulturen und dadurch mehr Sonne auf den Boden gelangt, breiten sich im Unterwuchs viel mehr Arten aus, außer Heidel- und Preiselbeeren zum Beispiel auch Farne, Moose und Flechten. Auch der Specht fühlt sich sichtbar wohl.
Der Wald am Teufelskanzelsteig ist außerdem ein Paradies für Pilze und ihre Liebhaber. Wer sich nicht so genau auskennt, findet an zahlreichen Infotafeln interessante Fakten über bekannte und unbekannte Repräsentanten dieser eigenwilligen Lebewesen, denen Biologen sogar eine größere Nähe zu den Tieren als zu den Pflanzen nachsagen. Geschätzt gibt es mehr als fünf Millionen Arten weltweit, erforscht sind lediglich 2,5 Prozent. Doch schon die 14.000 Arten, die in Deutschland wachsen, sind eine stattliche Zahl.
Fleißige Waldschutzpolizei
Sobald die Sonne im Frühling wieder den Waldboden erreicht, tummeln sich dort höchst fleißige Zeitgenossen: Hunderttausende, zuweilen Millionen Roter Waldameisen krabbeln aus ihrem mindestens einen Meter tiefen Domizil, tummeln sich im, auf und rund um ihren Hügel und schleppen oft das 20-fache ihres Körpergewichts in ihr Nest. Weil ein mittelgroßes Volk zwischen April und Oktober etwa 10 Millionen Insekten vertilgt, erkennen Zoologen ihnen den Titel „Waldschutzpolizisten“ zu.
Die unter Naturschutz stehenden Tiere machen sich auch anders um den Forst verdient, nämlich indem sie wesentlich an der Verbreitung der Samen von 154 Pflanzenarten beteiligt sind. Sie wuseln auch in der Nähe des Highlights, das dieser Tour ihren Namen gegeben hat, der Teufelskanzel.
Wie viele Teufelskanzeln es allein im deutschsprachigen Raum gibt, weiß wohl keiner so genau. Bizarre Felspartien, von denen sich eine herrliche Aussicht bietet, regen einfach die Fantasie an. So verwundert es nicht, dass sich um diese Formationen so viele Sagen ranken. Von hier soll der Leibhaftige höchstpersönlich in alter Zeit gepredigt haben – worüber und mit welchem Erfolg, darüber ist nichts Näheres bekannt; spektakulär ist dieser geheimnisumwitterte Ort allemal.
Wo der Adel kurte
Unklar ist auch der Ursprung des Namens eines wunderschönen Aussichtspunkts einen knappen Kilometer weiter: Von der „Marienruhe“ schweift der Blick zum Habererturm am Kreuzkopf, den der Sohn des „Medicinalraths und Förderer der Renchtalbäder“ Albert Haberer 1899 zu Ehren seines Vaters in Auftrag gab. Und weiter ins Tal, wo im 19. Jahrhundert die Prominenz und der Hochadel zur Kur weilten.
Darüber, welche Maria denn hier so gern ruhte, gibt es viele Spekulationen und keine Fakten. Axel Singer will sich da auch nicht festlegen. Eine Spur erscheint indes zumindest plausibel: anno 1871 suchte hier nämlich der russische Zar Alexander II. Erholung. Dessen Frau war eine Prinzessin Marie von Hessen-Darmstadt, die als Zarin Maria Alexandrowna genannt wurde. Die beiden waren übrigens nicht die beiden einzigen Blaublütigen, die dem Hinteren Renchtal royalen Glanz verliehen. Die großherzoglich-badische Familie zählte ebenso dazu wie der Hohenzollern-Kaiser Wilhelm I. („der mit ’m Bart“).
Historischer Moment
Bei alledem soll indes die demokratische Tradition nicht in Vergessenheit geraten. Im Pavillon an der Sophienquelle von Bad Griesbach unterzeichnete der badische Großherzog Karl Ludwig 1818 die erste badische Verfassung. Sie galt als die fortschrittlichste der damaligen Zeit.
Auch wenn die glorreichen Zeiten mittlerweile vergangen sind, der Zauber diese Ecke des Schwarzwalds bleibt. Nicht zuletzt, weil die Natur hier noch Natur sein darf. Ganz pur. Ohne jeden Schnickschnack.
Teufelskanzelsteig
Start und Ziel: Parkplatz Kreuzkopfschanzen bei Bad Griesbach (48.447547, 8.239970)
Strecke: ca. 7 km
Gehdauer: ca. 3,5 Stdn.
Höhenunterschied: je 400 m Auf- und Abstieg
Schwierigkeitsgrad: mittel, aber gutes Schuhwerk erforderlich (viele Naturwege)
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