Das schnelle Slow-food unter Bäumen – Zwei Pioniere aus Südbaden haben die Nase vorn
Ruhig liegt das Feld in den sanften Hügeln des Hegaus. Rechts ragt der Hohenhewen auf, geradeaus steht markant der Hohenkrähen. Vulkanland, geprägt von den Schloten aus Basalt oder Phonolith, aufgestiegen als Magma aus dem Inneren der Erde. Längst haben Gletscherzungen die weichere Hülle aus Molasse und Tuff abgeraspelt, das kalkhaltige Gestein fügt sich lose in die Senken.
Geradezu perfekt für eine Trüffelplantage, dachten sich Geologe Jürgen Koberstein und seine Frau Bettina Punin-Koberstein aus Stockach, als sie 2012 ein erstes Stück Land in Südbaden pachteten. Erfahrungen mit dem Trüffelanbau hatten sie schon in Frankreich gesammelt. Das sollte doch auch hier klappen, und so pflanzten sie Bäume – besondere Wirtsbäume, mit Pilzsporen präpariert.
Haselnüsse, Schwarzkiefern, Eichen, Buchen und Linden sind es. Linkerhand die älteren, inzwischen seit knapp zehn Jahren am Standort, vorne die jüngeren in langen Reihen, mittlerweile selbst geimpft. Dazwischen ist die Erde locker und uneben, von Gras bewachsen.
Aus gutem Grund: „Der Trüffel wächst am Übergang vom lockeren zum festen Boden. Er möchte ja Fruchtkörper bilden und rund werden“, erklärt Jürgen Koberstein. Das Ehepaar nutzt sommers einen sogenannten Schlegelmulcher mit großen Walzen, einen Traktor, der den Grund auflockert und das Gras zerhackt, zum Mulchen bleibt es liegen. Gedüngt wird nie, der Boden soll eher weiter abmagern. Zuvor stand Mais auf dem Feld, doch die Einflüsse des früheren Anbaus lassen von Jahr zu Jahr nach. „Spritzen darf ich eh nicht“, sagt Koberstein, „denn der Trüffel ist inzwischen biozertifiziert.“
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Alles Bio
„Trüffel aus eigenem Bio-Anbau“ – wer sich einen Stand mit solch einem Schild auf dem Markt wünscht, muss wohl noch eine Weile warten. Nach einer frühen Blüte, die bis in die 1930er-Jahre reichte, ging der Trüffelanbau in Deutschland verloren. Das Wissen darum war so gut wie ausgestorben, erklärt Diplom-Geologe Koberstein, der sich genau wie seine Frau als Pionier betätigt: Die beiden geben Kurse zum Anbau, zum Impfen der Bäume und zur Pflege.
Erste Ernte: 60 Gramm – jetzt bis 6,5 Kilo
Ein Bauwagen dient ihnen als Rückzugsort, gemütlich ausgestattet, mit einem Tisch zum Schreiben und weichen Fellen für kalte Tage. Denn die interessante Phase startet im Herbst, wenn die ersten Burgundertrüffel reifen, und dauert etwa bis Jahresende. 2017 haben sie die ersten Knollen ausgegraben, eine stolze Ernte von insgesamt 60 Gramm. Gebürstet gewogen, wie es allgemeiner Brauch auch in Frankreich ist. Waschen wiederum darf man die Knollen erst kurz vor der Verwendung, sonst geht das Aroma über die winzigen Poren verloren.
Durch Know-how und kluge Hunde steigerten sie die Ernte. 2019 fiel sie allerdings komplett aus, es war einfach zu trocken. Doch 2020 kamen immerhin bereits vier Kilogramm zusammen. 2021 allein bis November schon 6,5 Kilo. Die Bestellliste ist lang und wird je nach Fund abgearbeitet. Etliche gute Restaurants warten darauf. Entweder wird frisch geliefert oder vom Kunden abgeholt, zum günstigen Preis von 40 Euro pro 100 Gramm.
Idylle mit Zaun
Eine feine Idylle haben die beiden hier beim Engener Stadtteil Neuhausen geschaffen. Die Plantage ist umzäunt, sodass sich keine ungebetenen menschlichen „Erntehelfer“ oder gar Wildschweine einfinden. Eine Bewegungskamera fängt schon mal Füchse oder Greifvögel ein. Die wiederum sind willkommen, dezimieren sie doch die zahlreichen Mäuse, die sich im Feld tummeln.
Zu gerne würde man jetzt auf schmale braune Trüffelfliegen lauern, doch so viel Zeit hat auch Koberstein nicht. Hauptberuflich leitet er ein Ingenieurbüro mit sechs Mitarbeitern, spezialisiert auf Brandschutz und Arbeitssicherheit. Also heißt es, auf seine Frau warten, die mit den Hunden noch in Lalbenque in Frankreich weilt.
Nach zehn Minuten ist alles weg
Die Haupterntezeit ist auch dort der November, durch größere und ältere Flächen ist sie lukrativer: Perigord-Trüffel wachsen auf den französischen Plantagen des Ehepaars, der Trüffelmarkt in Lalbenque ist der zweitgrößte in Frankreich. Seite an Seite mit den französischen Produzenten verkauft sie an einer langen Tischreihe die fertig gerichteten Körbe mit den kostbaren Knollen.
Ein „Marché en gros“ sei das, jeweils der gesamte Korb wird verkauft. Zuerst schlägt die Glocke, dann eröffnet ein Ruf den Markt punktgenau: „Le Marché est ouvert! – Und nach zehn Minuten ist alles weg.“ Sicher ein tolles Erlebnis.
Auf den Hund kommt es an
So gibt Bettina Punin-Koberstein inzwischen auch Hundekurse. Zu viele dürfen es aber nicht sein zur selben Zeit, sie müssen sich konzentrieren können. Auch jetzt und hier, also werden zwei Hunde wieder ins Auto bugsiert. Moustache, der Nervenstärkste, zieht los, zielstrebig zu einer Schwarzkiefer, wo er sofort zu buddeln anfängt.
„Stop!“, ruft die Trüffelexpertin und eilt auf festen Bergschuhen hinterher. Brav stoppt der Hund, bis sie neben ihm kniet. „Montre! zeig!“ Nun darf er weitermachen. Tatsächlich, kaum vom Untergrund zu unterscheiden, kommt der Trüffel zutage, nah am Stamm, bestimmt zehn Zentimeter tief unter der Oberfläche.
Kleine Trüffelkunde
- Trüffel muss frisch verwendet werden, um das volle Aroma zu bieten.
- Die Elastizität der Knolle zeigt die Frische: Springt sie auf einer festen Oberfläche (wie einer Arbeitsplatte) beim Fallenlassen hin und her, ist sie frisch.
- Achtung: Erhitzen über 60 oder 70 Grad zerstört das Aroma, Sterilisation oder gar Destillation ebenso.
- Die beste Möglichkeit, den Trüffel zu konservieren, ist die Buttermethode (Trüffel fein raspeln und mit Butter vermengen) und portionsweises Einfrieren.
- Für wenige Tage frischen Trüffel in Küchenpapier einschlagen und in einer gut verschließbaren Dose im Kühlschrank aufbewahren, Papier täglich wechseln.
Gut gemacht, Moustache!
Erst ein Leckerli für den Hund, dann kommt das Trüffelwerkzeug zum Einsatz. Vorsichtig löst „Madame Truffe“, wie sie sich auf ihrer Homepage nennt, das frei gekratzte Fundstück aus der Erde und lässt es in der Trüffeltasche verschwinden, dann schaufelt sie das Loch wieder zu und drückt die Erde fest.
Moustache beobachtet jede ihrer Handbewegungen, sitzt stolz dabei. Noch ein Leckerli und ein Kraulen und Streicheln, dazu ein dickes Lob: „Bien fait, Moustache, bien fait!“. Gut gemacht hat er das, wirklich gut gemacht!
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