Hier schreibt ein Lehrer! Auch wenn wir die Kurzbiografie von Günter Neidinger vorne in seinem Buch “Von Fliegenpilzen stirbt man nicht - Schwarzwaldkrimi“ nicht gelesen haben, ahnen wir, das bereits beim Umblättern von Seite 1 auf Seite 2: „Die viereinhalb Kilometer lange, abenteuerliche Strecke [des Wildnispfades von der Jugendherberge Herrenwies zur Bühlerhöhe] wurde 2006 eingeweiht...“, lesen wir dort als Hintergrund-Information.
Und so geht es durch das ganze Buch weiter. Der Untertitel „Schwarzwaldkrimi“ erklärt sich also von selbst, und im Anhang gibt es einfache Landkarten, auf denen der Nationalpark Schwarzwald abgebildet ist.
Wieso wird sie nicht vermisst?
Was aber passiert nun hier im Schwarzwald? Kommissar Robert Doninger und Kommissarin Simone Mertens von der Dienststelle in Baden-Baden ermitteln, wie ein Mädchen beim Sandsee zu Tode kam. Es stellt sich heraus, dass sie am Tourette-Syndrom erkrankt ist, ein Zusammenhang ist erst einmal unklar. Was überhaupt hat sie dort gemacht, und wieso wird sie nirgends vermisst? Robert und Simone fangen an, sich immer weiter vorzuarbeiten, werden von einer Ansprechperson zur nächsten geleitet. Gegen ein bisschen Freibier, und auch ohne, gelingt es den beiden, den einen oder anderen Tipp zu bekommen.
Was gibt's in der Wirtschaft?
Überhaupt spielen Trinken und Essen eine große Rolle. So erfahren wir, welchen lokalen Wein der Kommissar regelmäßig konsumiert und wir lernen die Speisekarten verschiedener Gaststätten kennen. Irgendwann bekommen die Ermittelnden einen Hinweis auf einen Kastenwagen mit polnischen Kennzeichen. Was für ein Glück, dass Kriminalrat Schaumann in Rastatt, der voller Stolz seine neue Kaffeemaschine zu bedienen weiß, in seinen Urlauben immer wieder Kontakte zu Polizeibehörden im Ausland geknüpft hat. So kann er sich an einen Kollegen in Polen wenden, der Zugriff auf amtliche Unterlagen hat.
Parallel dazu beschäftigen sich Simone und Robert mit den organsierten Sperrmüllsammlungen, die von bestimmten Gruppen auch im Schwarzwald durchgeführt werden. Als dann auch noch eine Leiche an einem sehr markanten Ort, den wir hier nicht verraten, gefunden wird, und dort in der Nähe ein entsprechendes Fahrzeug steht, ziehen die beiden die richtigen Schlüsse.
Wie sind die Strukturen?
Begibt sich der Autor auf politisch schwieriges Gelände, indem er den Täter im Kreise der polnischen Sperrmüllsammler erfindet? Diese Frage begleitet die lesende Berichterstatterin durch das Buch. Nein, würde sie sich selbst antworten. Günter Neidinger wirft einen differenzierten Blick auf polnische Erntehelfer*innen und auf die Strukturen der gewerbsmäßigen Sperrmüllsammlung. Er klagt hier nicht nur an. Er lässt Bauern zu Wort kommen, die ihre ausländischen Mitarbeiter schätzen, und Bürger*innen, die durchaus eine positive ökologische und soziale Bedeutung darin erkennen, dass Menschen das weiter nutzen, was andere wegwerfen.
Nebenbei ein wenig heimatkundliche Grundbildung
Das alles lesen wir jedoch eher nebenher. Die Ausführungen des Lehrers dagegen nimmt zumindest die Leserin sehr konkret zur Kenntnis. Sie lernt also nicht nur den Sandsee kennen, sondern alle möglichen Orte zwischen Rastatt, Freudenstadt und Offenburg. Der große Vorteil: Wir wissen immer ganz genau, wo wir gerade sind und bekommen nebenbei eine heimatkundliche Grundbildung in bestem Sinne. Wer also nicht nur einen Krimi lesen will, sondern gleichzeitig sowas wie einen Reiseführer, der ist hier ganz besonders richtig!
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► Zum Interview mit Autor Günter Neidinger
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