„Nichts ist so beständig wie der Wandel“, zitiert Jürgen Alberti den vorsokratischen Philosophen Heraklit von Ephesus im ersten Beitrag des 28. Bandes „Kraichgau“. Er beschreibt in seinem Beitrag zwar nur die Veränderungen der Flora und Fauna in der Region aufgrund von Globalisierung und Klimawandel, das Stichwort „Veränderung“ biete aber generell einen Leitfaden, der sich durch das gesamte Jahrbuch des Heimatvereins Kraichgau ziehe, heißt es im Vorwort von Thomas Adam, Wolfgang Ehret und Alfred Götz. Der neue Band gibt wieder einen breiten Überblick über den Wandel, die Geschichte und die kulturellen Eigenheiten der flachen Region in Baden – in einem neuen, schickeren Layout.

Das Jahrbuch des Heimatvereins ist seit dem 2. Dezember erhältlich.

Heimatverein Kraichgau

Das Jahrbuch des Heimatvereins ist seit dem 2. Dezember erhältlich.

Nischen der Regionalgeschichte

Die meisten Beiträge beziehen sich auf spezifische, ortsgeschichtlich relevante Themen. Die Beiträge zur Geschichte von Malschenberg sind zwar eher für die Ortsansässigen interessant, die Beiträge zu Hinrichtungen bei Meckesheim, Reichartshausen und Königsbach-Stein können allerdings auch bei Außenstehenden für Spannung sorgen. Die Ausführungen zur Hinrichtung des Frevlers Christian Jung im 19. Jahrhundert lesen sich zum Beispiel wie das Skript einer packenden Tatort-Episode.

Sinsheim im Fokus

Geschichten zu Sinsheim nehmen einen besonders großen Platz im Buch ein: Ganze sechs Artikel handeln in Teilen von der Stadt, die man nicht nur für den Bundesliga-Klub kennen sollte. Gerade der Beitrag von Michael Rothenhöfer zum Kampf Friedrichs I. von Baden um den Machterhalt nach der badischen Revolution 1849 sowie der von Wiltrud Flothow über die französischen Angriffe auf den Kraichgau nach dem Dreißigjährigen Krieg heben besagte Events aus dem Staub kleiner Stadtarchive und bieten interessante Fußnoten zu den größeren historischen Ereignissen, von denen sie umrahmt werden.

Aberglaube und Kunst

Neben der geschichtlichen Aufbereitung, die natürlich der Fokus des Buches ist, gibt es auch unterhaltsamere Beiträge. Die Seherin des Heidelberger Schlosses, Katzenmumien, deponiert in den Wänden des Pfarrhauses von Illingen, die Wasserguckerin aus Zeutern – geheimnisvolle Sagen spuken durch das Kraichgauer Land. Regionale Autoren und Autorinnen witziger Verse in Mundart belustigen den Leser oder die Leserin zudem auf zehn Seiten mit ihrer wunderschön badischen Ausdrucksweise.

Der idyllische Kraichgau war früher oft ein Rückzugsort. Jürgen Oppermann und Thomas Adam schreiben zum Beispiel über den Dichter Josef Victor Scheffel und das Kloster Maulbronn, seinem „Ort für träumerische Wehmut“. Wer das historische Kloster einmal besuchen konnte, hat sich vielleicht auch inspiriert gefühlt, ein Gedicht oder zwei darüber zu schreiben. Der Text stellt diese Faszination grandios dar.

Lionel Vinçon konnte den Schülerwettbewerb gewinnen.

Heimatverein Kraichgau

Lionel Vinçon konnte den Schülerwettbewerb gewinnen.

Schülerwettbewerb

Besonders positiv überraschend sind die Beiträge aus dem Schulwettbewerb. In Zusammenarbeit mit der Sparkasse Kraichgau führte der Heimatverein erstmals einen Wettbewerb durch, im Zuge dessen Schüler aus der Region ihre Beiträge einsenden durften. Weil der Verein auf die Einhaltung wissenschaftlicher Standards beharrte, sind die Artikel der Jugendlichen tatsächlich sehr tiefgehend. Lionel Vinçon, der Gewinner des Wettbewerbs, bekam 1000 Euro Preisgeld.

Die Preisträger und Preisträgerinnen stellen mit ihren Texten tiefgründige Fragen und behandeln wichtige Themen. Besonders auffällig sind der Beitrag von Felix Bönig und Leila Balzer über die Heimatvertriebenen nach dem Zweiten Weltkrieg und dem Vertriebenenlager Neckarzimmern sowie das herzerwärmende Porträt von Ruth Steinfeld, einer Holocaustüberlebenden aus Sinsheim. Die Schüler präsentieren die Rechercheergebnisse dabei in jugendlicher Manier auf sehr anschauliche Art und Weise. Gerade wenn sie beispielsweise die Perspektiven ihrer Großeltern mit einbauen, kann man sich gut in die Geschichten einfühlen.

Fazit

Die Welt verändert sich stetig – diese Veränderungen werden in dem Werk anhand der „badischen Toskana“, wie der Kraichgau gerne genannt wird, gelungen aufbereitet. Nach jedem Artikel gibt es eine ausführliche Quellenangabe, anhand der Interessierte sich weiterbilden können: Quellen aus Zeitungen, Archiven, wissenschaftlichen Publikationen – die Recherchearbeit, die für das Buch aufgekommen sein muss und im Buch zusammengefasst ist, ist wirklich beeindruckend. Wer im Kraichgau wohnt und ein tieferes Verständnis seiner Region bekommen möchte, wird vom Heimatverein Kraichgau mit diesem Jahrbuch bestens bedient. Ein Muss für Heimatverliebte!
 

Mehr zum Thema

Mehr zum Kraichgau gibt es in folgendem Artikel:

► Der Kraichgau: Ein Streifzug durch die Badische Toskana