Auch Liebhaber der Kirchenmusik pilgern in die Frisch­luftidylle. Aus einem klangvollen Grund: Hier entstehen die imposantesten Orgeln der Welt. Ein Ausflug nach Waldkirch.

Orgelmuseum in Waldkirch

MEIN LÄNDLE/Waldkircher Orgelstiftung

Jahrmarktsorgeln können im Orgelmuseum besichtigt werden

Mozart war sich sicher. In Sachen Musik durchaus kompetent, ließ Wolfgang Amadeus keinen Zweifel aufkommen über seine Vorlieben: „Die Orgl ist doch in meinen Augen und Ohren der König aller Instrumenten.“ So fragwürdig der Satz grammatikalisch sein mag, in der Schwarzwaldgemeinde Waldkirch wird er so oft zitiert wie sonst nirgendwo auf dem Globus. Das ist kein Zufall: Die Kleinstadtperle im Schwarzwald besitzt eine Orgelbautradition von Weltruf.

Zur klingenden Geschichte der lauschigen Gemeinde zählen Drehorgeln, Leierkästen und Spieluhren, wie sie in der Blütezeit der mechanischen Instrumente vor rund 200 Jahren dem Tanzvergnügen und der Volksbelustigung auf Jahrmärkten dienten. Nicht zu vergessen die Ikone der Souvenirbranche: die Kuckucks­uhr. Einen Ruf von Weltrang besitzt Waldkirch allerdings wegen seiner unvergleichlichen Kirchenorgeln. In der 21.000 Einwohner zählenden Stadt gibt es eine Orgeldichte, die bei Kirchengemeinden landauf, landab gehörigen Neid weckt.

Der allseits beklagte Mangel an Organisten mindert die Sonderstellung kaum. Wohl ein halbes Dutzend Kirchen im Ort und in der Umgebung messen sich in Bild und Ton, zum Beispiel die Stiftskirche Sankt Margarethen am Kirchplatz oder die Bläsikapelle in Kollnau, ebenso die Kirche Mariä Heimsuchung in Suggental, Sankt Martin in Siensbach und die Stadtkapelle Unserer Lieben Frau in der Turmstraße.

Elz in Waldkirch mit Mühlrad

MEIN LÄNDLE/Jean-Claude Winkler

Die Elz in Waldkirch fließt gemächlich. Doch die Kraft des Wassers reicht aus, um ein Mühlrad anzutreiben.

Von Edelsteinen zu Baumkronen

Der Individualtourismus bildet seit jeher eine wichtige Einnahmequelle. Die Besucher begegnen in historischen Stadtführungen der selbstbewussten Gattin des Torwächters und einem Edelsteinschleifer, dessen Kunst sie in seiner denkmalgeschützten Werkstatt bewundern können. Sie trauen sich auf den 200 Meter langen Baumkronenweg, der in 23 Meter Höhe durch die Wipfel des Waldes führt und ein völlig anders geartetes Biotop als auf dem Boden darunter zeigt. Oder sie erfahren im Schwarzwaldzoo mit seinen Dutzenden Vogelarten alles über den Karpaten-Uhu. Zur traditionellen Klientel gehören passionierte Wanderer und Ruhe bedürftige, die in der sauerstoffreichen Luft Erholung suchen. Von der Kandel-Pyramide hat man einen atemberaubenden Ausblick.

Doch wie viele Touristen zwischen Elz- und Glottertal, zwischen dunklem Nadelgehölz, engen Taleinschnitten und murmelnden Bächen die Kirchen besuchen, ist statistisch nicht erfasst. Es wäre interessant. Denn gerade auf dem Gebiet der Kirchenorgel nimmt Waldkirch eine ähnlich bedeutende Stellung ein wie Stuttgart für die Automobilindustrie.

Narren-Statuen auf dem Narrenbrunnen in Waldkirch

MEIN LÄNDLE/Jean-Claude Winkler

Narren vom Narrenbrunnen.

Vom Berghang nach China

Der Markt für gigantische Kirchenorgeln ist überschaubar. Recht exklusiv, könnte man auch sagen. So schufen die Meister der Firma Jäger und Brommer seit deren Gründung 1988 an die 100 Orgeln für Gotteshäuser in aller Welt, darunter 2011 auch die Konzert­orgel für die Neun-Millionen-Metropole Qingdao im Osten Chinas. Das im Ganzen riesenhafte, aber im Detail zierliche Kunstwerk entstand ausschließlich in Handarbeit. Der Korpus besteht aus makellosem Eichenholz vom Berghang. Jede einzelne der 5000 metallischen Pfeifen wurde von Hand geformt und nach Gehör gestimmt. Nach zwei Jahren Arbeit zahlte der chinesische Auftraggeber zweieinhalb Millionen Euro.

Braucht der Mensch eine Kirchenorgel? Und wenn ja, weshalb eine solch gewaltige? Für Gläubige ist klar: „Gloria in excelsis Deo“, Ehre sei Gott in der Höhe, und welches Instrument wäre ehrenvoller als eine gloriose Orgel? Maestro Mozart wusste es, siehe oben. Zwar kannte er den Ort Waldkirch im Südschwarzwald nicht, denn er verstarb bereits 1791 mit 35 Jahren, lange vor dem Orgelboom. Aber recht hatte er.

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Unterwegs in Waldkirch

Dreh- und Jahrmarktorgeln können auch im städtischen Elztalmuseum Waldkirch sowie im Orgelbauersaal der Waldkircher Orgelstiftung besichtigt werden. Alle drei Jahre wird in Waldkirch das Internationale Klang- & Orgelfestival gefeiert. Orgelliebhaber aus aller Welt zeigen und spielen ihre mitgebrachten Instrumente, von der kleinen Drehorgel bis zum riesenhaften Orchestrion. 2020 fiel das Fest coronabedingt leider aus. Ob es 2021 stattfindet, ist noch offen.

Aktuelle Informationen unter: www.orgelfest-waldkirch.de, zu den Orgelbauern Jäger und Brommer unter: www.waldkircher-orgelbau.de

Elztalmuseum Waldkirch
Kirchplatz 14
79183 Waldkirch
Telefon: 07681 478530
www.elztalmuseum.de

Waldkircher Orgelstiftung
Gewerbekanal 1
79183 Waldkirch
Telefon: 07681 9396
Besichtigung und Führung auf Anfrage

Informationen zu anderen Veranstaltungen, Terminen und aktuellen Öffnungszeiten:

Tourist-Information
Marktplatz 1–5
79183 Waldkirch
Telefon: 07681 19433
www.stadt-waldkirch.de

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