Worum ging es bei Gericht?

Ein Ehepaar hatte ein gemeinschaftliches, notarielles Ehegattentestament aufgesetzt. Darin setzten sich beide gegenseitig zu Alleinerben ein. Den zuletzt Versterbenden sollten dann die „gemeinsamen Abkömmlinge zu gleichen Teilen“ beerben. Allerdings sah das Testament auch vor, dass der überlebende Ehegatte die Erbfolge unter den „gemeinsamen Abkömmlingen“ ändern durfte. Genau dies tat die Frau, nachdem ihr Mann verstorben war: Sie setzte in einem zweiten Testament eine Tochter und deren Sohn, also ihren Enkel, zu ihren Erben ein. Eine andere Tochter hielt dies für nicht zulässig: Mit den „gemeinsamen Abkömmlingen“ laut Testament seien nur die Kinder des Ehepaares gemeint und nicht auch Enkel. Die neue Erbregelung durch die Ehefrau sei daher unwirksam, nur das erste Testament sei gültig und das Erbe zu gleichen Teilen unter den Kindern zu verteilen.

Das Urteil

Das Oberlandesgericht Oldenburg entschied, dass das zweite Testament der Ehefrau wirksam war. Der Begriff „Abkömmlinge“ schließe auch Enkel und gegebenenfalls Urenkel mit ein. „Dies schloss das Gericht bereits aus der gesetzlichen Regelung in § 1924 des Bürgerlichen Gesetzbuches, die diesen Begriff verwendet“, erläutert Juristin Michaela Rassat. „Außerdem ging es davon aus, dass die Eheleute ‚Kinder‘ geschrieben hätten, wenn nur diese etwas erben sollten.“

Abkömmlinge

Dem Gericht zufolge war es auch durchaus wahrscheinlich, dass das Ehepaar in seinem ersten Testament alle seine Abkömmlinge gleich behandeln wollte. Wenn die Eltern sterben, hätten die Kinder oft schon eine gefestigte Stellung im Leben. Enkel jedoch hätten oft noch mehr finanzielle Unterstützung nötig. Daher sei davon auszugehen, dass im ersten Testament mit den „gemeinsamen Abkömmlingen“ nicht nur die Kinder gemeint gewesen seien, sondern alle Nachfahren in direkter Linie. „Das Gericht kam daher zu dem Ergebnis, dass die Ehefrau nach dem Tod ihres Mannes auch eine eigene Regelung für diesen Personenkreis treffen durfte – das zweite Testament war gültig“, so Michaela Rassat.

Oberlandesgericht Oldenburg, Urteil vom 11. September 2019, Az. 3 U 24/18

Was bedeutet das für das Verfassen eines Testaments?

„Das Urteil zeigt, dass es beim Verfassen eines Testaments sehr auf scheinbar unwichtige Formulierungen ankommen kann“, erklärt Michaela Rassat. „Was der Verfasser wirklich gemeint hat, ist nach dessen Tod nicht mehr festzustellen. Umso wichtiger ist es, keine Begriffe zu verwenden, die in irgendeiner Weise für Missverständnisse sorgen können. Dies schützt auch die Angehörigen vor späteren Rechtsstreitigkeiten“, so der Rat der Rechtsexpertin.