Wir haben eine Etappe des mit vier Sternen zertifizierten neuen Fernradweges ausprobiert: von Aalen am Kocher bis nach Giengen an der Brenz. Ein beschauliches Vergnügen, fast ohne Steigungen.
Video: Württemberger Tälerradweg
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Der Schwarze Kocher, hier ist sein Ursprung. Aus einem dichtbewaldeten Hang sprudelt sein Wasser. Es fällt in einem kleinen Topf, der sich zu einem Teich erweitert. Einem Amphitheater gleich hat sich die grüne Landschaft drumherum gelegt, eine Oase der Natur, in der man ein wenig zur Ruhe kommt.
Die Kocherquelle bei Oberkochen ist einer der schönsten Plätze auf der zweiten Etappe des Württemberger Tälerradwegs. Hier kann man sein Fahrrad parken, rasten, sich die Waden abkühlen und in den Tag hineinträumen. Der Quelltopf des Schwarzen Kochers liegt ein paar hundert Meter jenseits der Hauptroute, entsprechend ruhig ist es hier, der kleine Abstecher in das verschlungene Reich des dunklen Kochers lohnt sich.
Am Schwarzen Kocher
Das Kochertal ist eine von zwölf Tallandschaften, die man auf dem neuen Württemberger Tälerradweg erleben kann. Wer die zweite Etappe des 273 Kilometer langen Fernradwegs fährt, steigt in Aalen am Kocher ein und landet schon bald im Tal der Brenz. Eben noch hatte man sich an der Quelle des Schwarzen Kochers vergnügt, steht man nun am Brenztopf in Königsbronn. Keine sechs Kilometer trennen die beiden Flüsse, doch zwischen ihnen liegen Welten: Der Kocher fließt in Richtung Rhein und Nordsee, die Brenz aber in die Donau und schließlich in das Schwarze Meer. Fast unbemerkt hat man mit seinem Fahrrad soeben die Europäische Hauptwasserscheide überwunden.
Der Württemberger Tälerradweg ist das Ergebnis einer landesweiten Qualitätsoffensive im Radtourismus. Neue interessante Fernradrouten sollten geschaffen werden, andere verschwinden: So resultiert der Tälerradweg aus einer Zusammenlegung des Hohenlohe-Ostalb Radwegs und des Alb-Neckar Radwegs. Beide Wege existieren ab sofort nicht mehr, ihre Beschilderung wurde abgebaut. Touristisch wussten sie ohnehin nie so ganz zu überzeugen, ihre sperrigen Namen konnte sich kaum einer merken.
Radtour mit vier Sternen
Stattdessen entstand eine neue Strecke, die nun auch ein klar erkennbares Thema abbilden soll: die Täler eben, von denen es so viele auf der Ostalb gibt. Ein klares Profil, das eine der Voraussetzungen für eine Zertifizierung durch den Allgemeinen Deutschen Fahrradclub (ADFC) war. Die fiel mit vier Sternen dann entsprechend hochwertig aus.
Ein violettfarbenes Schild mit Württemberger Hirschstangen weist den Weg. Der beginnt noch im hohenlohischen Crailsheim an der Jagst, führt über Aalen und Giengen nach Ulm. Dort geht es entlang der Donau zum Blautopf auf die Albhochfläche in Richtung Neidlingen, Bad Boll und Göppingen.
Märklineum in Göppingen
Modellbahnausstellung mit Modellbahnanlage und Shop des bekannten Herstellers auf rund 1000 Quadratmetern. Geöffnet täglich außer Montag, von Dienstag bis Freitag ist auch ein Blick in die gläserne Montage der Lokomotiven möglich: www.maerklineum.de
Hier berührt man das Tal der Fils und in Schwäbisch Gmünd, dem Streckenende, schließlich die Rems. Dazwischen haben die Radfahrer das Achtal, das Eselsburger Tal, das Blautal, das Langenauer Ried und das dicht bewaldete Tiefental passiert – zusammen tatsächlich jenes Dutzend Württemberger Tallandschaften, das die druckfrische Tourenbegleitkarte verspricht.
Das Schöne an Talradwegen ist, dass man dabei kaum Höhenmeter überwinden muss. Lediglich die Passagen zwischen Ulm und Bad Boll erfordern ein wenig Kondition oder ein E-Bike.
Von Aalen nach Giengen an der Brenz
Die zweite Etappe von Aalen nach Giengen an der Brenz ist mit 61 Höhenmetern ein reines Vergnügen. Rollen und genießen heißt die Devise. In Königsbronn gibt es vielfältige Möglichkeiten einzukehren: Die bäuerliche Ziegelhütte, um deren Biergarten herum Kühe grasen und Hühner gackern, das schöne Café Ver-edelt, das mit seinen hausgemachten Kuchen und Marmeladen den Gaumen verwöhnt, die Imbissbuden entlang des Itzelberger Sees. Einst war er der Fischteich der Zisterziensermönche, heute ist er ein großes Freizeitgelände.
Elser-Gedenkstätte
Königsbronn ist die Heimat des Hitler-Attentäters Georg Elser. Es gibt dort eine sehenswerte Gedenkstätte. Sie ist an Sonn- und Feiertagen von 11 bis 17 Uhr geöffnet. Gäste des im gleichen Hause angesiedelten Café Ver-edelt dürfen oft auch zu anderen Zeiten hinein.
Unverbautes Tal
Topfeben führt der Radweg entlang des Stausees in Richtung Heidenheim weiter. Zumeist sind es Nebenstraßen oder asphaltierte Wirtschaftswege, die man nun fährt. Je näher man dem Eselsburger Tal kommt, desto natürlicher wird alles. Bei Herbrechtingen beginnt das Naturschutzgebiet, hinter dessen Bergrücken sich die Brenz in einer fünf Kilometer langen Schleife durch ein fast unverbautes Tal windet.
Der Radweg nähert sich von der stillen Seite dem beliebten Ausflugsziel. Er ist nun eine grüne Piste, ein Feldweg mit leicht welligem Untergrund. In dem kleinen Weiler Eselsburg kehrt der Asphalt zurück. Einen großen Biofachmarkt mit Café-Betrieb gibt es hier und eine Talschenke. Einen Kilometer weiter grüßen die Steinern Jungfrauen stumm vom Wegesrand, zwei spitze Felsennadeln, die zu den bekanntesten Kalksteinformationen der Ostalb gehören. An den Hängen sieht man Schafe weiden, die Gegend ist noch heute eine der Hochburgen der Alb-Schäferei.
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Nun nähert man sich zügig Giengen an der Brenz, dem Ziel dieser knapp 50 Kilometer langen zweiten Etappe. Die Stadt hat ihre überregionale Bekanntheit vor allem einer Tatsache zu verdanken: Es ist der Hauptsitz der Firma Steiff. Hier werden die kostbaren Kuscheltiere in einem großen Shop verkauft und in einem Firmenmuseum präsentiert.
Beim Schneider von Ulm
Von Giengen kann man nun mit dem Zug in einer halben Stunde zum Etappenausgangspunkt Aalen zurückfahren. Vielleicht ist man aber auch auf den Geschmack gekommen und will noch ein wenig weiter. Das Tal der Donau lockt mit einer weiteren Etappe fast ohne jede Steigung. Zu seinen Ausläufern gehört das Langenauer Ried, ein Feuchtgebiet unweit der gleichnamigen Kleinstadt, die ihm den Namen gab. Hier kann man Vögel beobachten, was besonders im Frühjahr und im Herbst ein Erlebnis ist.
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Schließlich ist in Ulm der südlichste Punkt des Württemberger Tälerradwegs erreicht. Die Stadt der schönen blauen Donau, in der vor mehr als 200 Jahren ein unglückseliger Schneider mit seinen selbstgebauten Schwingflügeln senkrecht hineinrauschte. Seine Geschichte ist am Rande der Uferpromenade verewigt, es gibt sogar eine Aussichtsskulptur, die seinen Namen trägt: den Berblinger Turm.
Berblinger-Turm
Ein ungewöhnliches Bauwerk erinnert an den Schneider von Ulm, der einst über die Donau-fliegen wollte und krachend im Wasser landete: Ein frei zugänglicher 20 Meter hoher Turm mit Wendeltreppe ist dort am Donauufer (Nähe Rosengarten/Herdbrücke) an der Abflugstelle platziert.
Wieder ein Grund, hier eine ausgedehnte Pause zu machen. Der Württemberger Tälerradweg ist eben doch ein wenig mehr als eine bloße Ansammlung von Landschaftsformen. Mindestens ebenso spannend sind die Menschen, denen man hier begegnet. Wagemutige und Träumer, Widerspenstige und Wildentschlossene, die erst dann Ruhe geben, wenn sie auch den letzten Tälerradweg-Kilometer mit dem Fahrrad geschafft haben.
Der Württemberger Tälerrradweg kompakt
Start: Crailsheim
Ziel: Schwäbisch Gmünd
Gesamtstrecke: 273 km
Höhenmeter: 1307
Fahrzeit: sechs Tagesetappen
Schwierigkeit: mittel
Symbol: weiße Hirschstangen auf lila Grund
Höhenprofil: www.tourismus-bw.de/touren/wuerttemberger-taelerradweg-gesamtroute-35a8b36428
Anreise
Start (Crailsheim) und Ziel (Schwäbisch Gmünd) sind mit der Bahn gut zu erreichen. Zwischen beiden gibt es auch eine direkte rund einstündige Zugverbindung. Was die beschriebene Etappe angeht, so existiert für den Rücktransport von Giengen nach Aalen ebenfalls eine durchgehende Bahnverbindung.
Der Radweg
Der Württemberger Tälerradweg führt in einem Bogen von Crailsheim (Hohenlohe) nach Schwäbisch Gmünd. Er ist überwiegend steigungsarm, nur die Abschnitte von Ulm nach Laichingen und von Laichingen bis Bad Boll erfordern etwas Kondition. Das im Text beschriebene Stück von Aalen nach Giengen ist überschaubare 48,5 Kilometer lang und fast komplett eben.
Einkehren
Biotal Hofladen und Café im Eselsburger Tal: Neues Bistro-Café mit Hofladen der Biotal Hofgemeinschaft. Montag bis Samstag geöffnet, Donnerstag ist Pizza-Tag, freitags gibt es Burger.
Zunfthaus der Schiffleute in Ulm: Traditionsgasthaus mit guten deftigen Speisen direkt im malerischen Fischerviertel. Ursprünglich kehrten hier die Fischer und Schiffbauer ein.
Allgemeine Auskunft
Schwäbische Alb Tourismusverband, Bismarckstraße 21, 72574 Bad Urach,
Telefon 07125 939300
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