Wir werden beobachtet. Zwei blaue Aras blicken neugierig aus ihrer Voliere, dem Bindeglied zwischen der Außenwelt des Karlsruher Zoos und dem Büro seines Direktors. Ebenjener, der Biologe Matthias Reinschmidt, zog Henry und Indigo nacheinander mit der Flasche auf und erzählt gerade über die Vorzüge eines Besuchs hier im Winter.
Zoo mal anders
„In dieser Jahreszeit sieht man ganz andere Aspekte des Zoos.“ Neben Eisbären, Pinguinen und den Schneeleoparden sind auch die roten Pandas in den kalten Monaten besonders aktiv, lassen sich auf ihren Schlafplätzen in den Bäumen sogar zuschneien, sollten sich ausnahmsweise Schneeflocken in die Fächerstadt verirren. „Man sieht sie im Winter viel besser in den kahlen Bäumen, dann sind die roten Pandas auch aktiver.“
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Freier Einblick
Überhaupt ermöglicht die geringere Vegetation einen guten Blick auf sonst eher versteckte Tierarten. Die Zugänge zu den Stallungen und Tierhäusern sind auch jetzt geöffnet, so dass die Tiere Tag und Nacht ins Außengelände können. Für das richtige Flair soll eigentlich eine eigens angeschaffte Schneekanone sorgen, doch weil es nicht kalt genug war, hat sie noch nie funktioniert.
„Viele Menschen stellen sich vor, dass afrikanische Tierarten nur Hitze gewöhnt sind. Ich war mal auf einer Hochebene in Kenia, 2200 Meter, da hat es Zebras, Giraffen – und morgens 5 Grad“, erinnert sich Reinschmidt. Da kuscheln sich die Erdmännchen schon mal zusammen unter die Wärmelampe.
Immer Frühling im Exotenhaus
Wer selbst eher den warmen Temperaturen zugeneigt ist, der schaut im Exotenhaus vorbei. Im aufwändig umgebauten ehemaligen Schwimmbad werden Besucher ganzjährig bei frühlingshaften Temperaturen empfangen. In der großen Freiflughalle tummeln sich zahlreiche Vogelarten und Affen ohne Abtrennung und in einer begehbaren Höhle fliegen Brillenblattnasen, eine fruchtfressende Fledermausart aus Mittel- und Südamerika, über die Köpfe der Zoogäste hinweg. Da kann es draußen auch stürmen und regnen, hier stört das niemanden.
Artenschutz first
Daneben beherbergt der Karlsruher Zoo etwa 6000 Tiere in rund 300 Arten. Im Zuge der Bundesgartenschau 1967 entstand der Tierpark Oberwald, die Dependance des Zoos mitten im Karlsruher Oberwald mit naturbelassenen Gehegen auf 16 Hektar. Bei freiem Eintritt können hier unter anderem die gefährdeten und erfolgreich wieder ausgewilderten Wisente und Przewalski-Pferde bestaunt werden, die damit auch für die Arterhaltung von Bedeutung sind.
Apropos Artenschutz. Das Thema ist Reinschmidts wichtigste Antriebsfeder. Seit er die Leitung des Zoos vor sieben Jahren übernommen hat, ist viel passiert: „Wenn der Zoo wie vor 40 Jahren wäre, würde ich mich für die Schließung einsetzen.“ Diese Zeiten der Tierhaltung seien überholt. Sein Ziel: den klassischen Zoo in ein modernes Artenschutzzentrum umbauen.
Mehr Raum
So bestand die Afrikasavanne vor drei Jahrzehnten noch aus zehn Gehegen, vor fünf Jahren waren es noch vier, nun entsteht ein großer Bereich für alle dort lebenden Tiere. So haben alle mehr Platz. „Wenn Zebras, Giraffen und Antilopen wie in der Natur gemeinsam laufen, ist das auch spannender für die Besucher“, sagt der 58-Jährige. Auch soll in Zukunft ein neues Gehege für Kattas entstehen – eine begehbare Affeninsel mitten im Ludwigsee.
Stiftungsgelder
Die beste Idee sei allerdings die Gründung der Artenschutzstiftung Zoo Karlsruhe 2016 gewesen: „Ich kann die tollsten Ideen haben, ohne Geld läuft da nichts“, meint der Papagei-Experte, der zuvor 15 Jahre den Loro Parque auf Teneriffa leitete und seine dort entstandene Popularität medienwirksam nutzt, um für mehr Biodiversität zu werben. Auch dieser Umstand spülte in fünf Jahren bereits 2,5 Millionen Euro in die Stiftungskasse, die in Artenschutzprojekte fließen. Dafür wird auch mal Elefantenmist verpackt und als Tomatendünger verkauft. „Kreative Ideen kann man überall haben“, schmunzelt Reinschmidt. Der Artenschutzeuro, der beim Eintritt gezahlt werden kann, ist nur eines davon.
Einsatz für die lokale Tierwelt
Unterstützt werden neben vielen internationalen Projekten auch viele „direkt vor der Haustür“ wie Nisthilfen für die Mehlschwalbe oder Blühwiesen für die Insektenvielfalt im Karlsruher Raum. Allein in diesem Jahr zog der Zoo 45 Kiebitze auf, deren Eier von Landwirten gebracht wurden. Mit dem Regierungspräsidium wurde der Laich von Moorfröschen gerettet, woraus Hunderte von Amphibien ausgewildert werden konnten.
Reinschmidts größte Leidenschaft gilt jedoch weiterhin seinen Hyazintharas, die er voller Stolz präsentiert. „Schauen Sie sich diese Tiere doch an“, meint er, als würde das alles erklären. Und wie er da so steht und seine zwei Papageien ehrfürchtig anschaut, sieht man den sechsjährigen Jungen, der zu seiner Mutter sagt: „Ich will Zoodirektor werden!“