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Mit allen Wassern

Wassermuseum Maisenbacher Sägmühle e. V.

Wassermuseum Maisenbacher Sägmühle e. V.

Mein Ländle / Jean-Claude Winkler

Durch kreisende Strömung bildet sich ein faszinierendes Luftgebilde im Wasser: Christof Grosse, Mitinitiator des Wassermuseums, visualisiert einen Strudel.

Wasser ist so selbstverständlich und alltäglich, dass viele darin nichts Besonderes mehr sehen. Sollten wir aber. Wer das Wassermuseum in Bad-Liebenzell besucht hat, weiß auch, warum.

Die Schwingung ergreift jede Zelle, man spürt sie im ganzen Körper. Der Raum ist durchdrungen von diesem intensiven, monotonen Klang, ähnlich einem chinesischen Gong. In diesem Fall kann man die Sinuswellen aber nicht nur hören, sondern auch deutlich sehen. Erzeugt werden sie von Christof Grosse fast durch bloßes Handauflegen. Er steht an einem bronzenen Topf und macht nichts anderes, als mit nassen Händen an zwei Griffen zu reiben. Wie durch ein Wunder entsteht nicht nur dieser unheimlich eindringliche Klang, die Wasseroberfläche verformt sich alsbald zu einem Mosaik kleiner symmetrischer Wellen, und plötzlich spritzt das Wasser wie aus einem Springbrunnen in die Höhe. „Das ist keine Zauberei, das ist -Physik“, erklärt der Vorsitzende des Vereins Wassermuseum Maisenbacher Sägmühle. „Den Effekt kennen wir alle, wer hat nicht schon mal mit einem nassen Finger ein Glas zum Klingen gebracht?“ Genauso funktioniert das hier? Auf zum Selbstversuch: Hände befeuchten, an den Griffen reiben – jetzt durchdringen die Schwingungen den Körper noch intensiver, alles vibriert und der Ton erinnert an Entspannungstechniken aus Fernost. „Dort kommen solche Wasserklangschalen auch her“, erklärt Christof Grosse und erinnert an die Geschichte des Kaisers von China, zu dessen Ehren sie erfunden worden sein sollen, da man ihn ja um Himmels Willen nicht berühren durfte. Und um ihm das Gesicht zu waschen, habe man die Wasserschale mittels Schwingung zum erfrischenden Springbrunnen umfunktioniert. So reinigte die Gischt des Kaisers Antlitz kontaktfrei. Legende. Zurück ins Jetzt und Hier: „Wasser bahnt sich auf ganz eigenwillige Art seinen Weg, immer regelmäßig, immer ästhetisch – aber nie geradeaus“, erklärt der Metallbildhauer Christof Grosse, den dieses Element schon lange fasziniert und der sich daher auf die Herstellung von Wasser-experimenten spezialisiert hat. „Wasser will immer nach links und rechts ausbrechen und verfolgt auch da immer bestimmte Symmetrien.“ Er deutet auf einen künstlichen Bachlauf, in dessen breiten Aussackungen zu sehen ist, wie der Wasserstrom jeweils eine Schleife in Form einer 8 beschreibt oder – wie Grosse das interpretiert – „in Form des Unendlichkeitszeichens“.

Wassermuseum Maisenbacher Sägmühle e. V.

Mein Ländle / Jean-Claude Winkler

Aquarell der besonderen Art: Dieses Gemälde zaubert das Wasser aus einem Tintentropfen, der ins Aquarium fällt.

Der Sturm im Wasserglas

Während der Satz nachwirkt und die Aufmerksamkeit zwischendurch zum Charme des schnuckeligen alten Hauses mit seinen Holzvertäfelungen und dem knarzenden Dielenboden abschweift, ist Christof Grosse schon beim nächsten Experiment. Er lässt Wasser seitlich in einen großen Glaszylinder einfließen, sodass durch die kreisförmige Strömung alsbald ein zopfförmiger Luftkern im Wasserglas tänzelt. Davon abgesehen, dass dieses Phänomen ganze Schiffe in die Tiefe ziehen kann, was uns schon als Kindern Respekt vor so manchem Gewässer eingeflößt hat, erinnert das Gebilde an ein weiteres faszinierendes Naturereignis, das nicht weniger für Angst sorgt: einen Tornado. „Ist ja auch das gleiche Prinzip“, sagt Grosse, „nur eben mit Luft statt mit Wasser.“ Und wenn man den Blick vom Wirbelsturm im Wasserglas losreißt und zur Wand dahinter schweifen lässt, erkennt man eine Ähnlichkeit der Strudelform mit der dort aufgehängten spiralförmigen Wasserschnecke – übrigens gleich neben dem geschwungenen Horn einer Antilope, das nach einer ganz ähnlichen Form aufgezwirbelt scheint. Ein Geheimnis der Natur – nimmt das Wasser nun Formen aus dem Tierreich auf? Oder umgekehrt? Irgendwie scheint die Natur bei der Gestaltung von Lebewesen ähnlichen Prinzipien zu folgen. Bei einem anderen Versuch, bei dem zunächst Bärlapp-Pollen auf einem Wasserbassin ausgestreut werden und ein Pinsel geradlinig durch das Wasser gezogen wird, ergeben sich durch die so ausgelöste Wasserbewegung jedenfalls plötzlich florale Muster.

Wassermuseum Maisenbacher Sägmühle e. V.

Mein Ländle / Jean-Claude Winkler

Ein gerader Pinselstrich durch mit Pollen bestreutes Wasser ergibt diese geschwungenen, floralen Muster.

Wie dagegen die typischen Muster im Sand am Meeresboden zustande kommen, zeigt Grosse anhand einer Zentrifuge, einem Glasbehälter mit Wasser und Sand gefüllt, der zunächst angeschubst und dann gebremst wird. Durch die Bewegung des Wassers treten tatsächlich die gewohnten Muster auf. Der Aha-Effekt kommt aber erst, wenn der Behälter abrupt gebremst wird: Dann nämlich bilden sich symmetrische Sternformen im Sand. Christof Grosse freut sich dabei über staunende Gesichter. Er weiß, dass kaum jemand solche Phänomene kennt, obwohl wir täglich mit dem Element Wasser zu tun haben. Brachte ihn das auf die Idee eines Museums?

Wassermuseum Maisenbacher Sägmühle e. V.

Mein Ländle / Jean-Claude Winkler

Des Müllers Lust

Die ergab sich, als die Firma Hansgrohe ihn zu einem Symposium einlud. Dort traf er auf andere Experten, auf die das Wasser eine ganz ähnliche Faszination ausübte. Alle zusammen gründeten zunächst einen Verein und suchten fortan geeignete Räumlichkeiten. Alsbald stießen sie auf eine leer stehende ehemalige Papierfabrik bei Pforzheim, und als sich alle Beteiligten bereits weitgehend einig waren … platzte der Traum. Ein Investor schnappte ihnen das Objekt vor der Nase weg. Zum Glück, könnte man im Nachhinein sagen, denn ein anderes Gebäude als das, das man kurz darauf ausfindig machte, könnte sich kaum besser eignen: In einem engen, malerischen Tal im Nordschwarzwald, durch das der Lengenbach gemütlich Richtung Nagold plätschert, lag da ein verwunschenes, schmuckes Häuschen im Dornröschenschlaf. Im 18. Jahrhundert erbaut, um dort des Wassers Kraft zu nutzen, war die ehemalige Sägmühle Maisenbach bis 1920 als solche in Betrieb. Dann wurde sie zunächst zur Pension mit Gastwirtschaft und schließlich zum Ausflugslokal umfunktioniert. Mit viel Liebe und Eigenleistung des Vereins saniert, öffnete es im Jahr 2018 als Wassermuseum seine Tore. Klappernde Mühle, rauschender Bach, und dann ist Maisen-bach auch noch Ortsteil der für ihre Wasserheilkünste bekannten Kur- und Bäderstadt Bad Liebenzell, in der nicht nur der berühmte Mediziner -Paracelsus (um 1493 – 1541) seine Spuren hinterlassen hat, sondern deren Stadtwappen eine güldene Bade-wanne schmückt. Schließlich kreuzen sich unmittelbar nahe der Mühle auch noch zwei bedeutende Schwarzwald-Wanderwege – so viel Affinität zum Element Wasser findet man nicht überall.

Mit allen Wassern - Wassermuseum Maisenbach

Jean-Claude Winkler

Falls Sie sich fragen, welchen Bezug die Wanderwege zum Wasser haben: Das beantwortet ein Volkslied, das nicht ohne Grund im Museum dargestellt ist. So erfahren wir in der zweiten Strophe von „Das Wandern ist des Müllers Lust“ von den konditionellen Qualitäten des Wassers, das weder bei Tag noch bei Nacht Ruh hat, sondern „stets auf Wanderschaft bedacht“ sei …

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Mein Ländle / Jean-Claude Winkler

Wasser als Menschenrecht

Nicht nur die Kinematik des Wassers visualisieren, sondern alle Aspekte des Wassers – das Museum thematisiert die Geologie, die Region Nordschwarzwald sowie die Wassermythen und -märchen. So kann man in einem Kupferkessel sitzend Eduard Mörikes Erzählung von der schönen Lau anhören, der von der Donau verstoßenen Wassernixe, die im Blautopf in Blaubeuren leben soll. Hinter all dieser unterhaltsamen Inszenierung steht freilich auch ein Appell: Lasst uns das Wasser als kostbares Gut schützen, lasst uns dafür sorgen, dass nicht Plastik und anderer Müll unsere Flüsse, Seen und Meere und deren Bewohner gefährden. „Wasser ist Menschenrecht“ lautet ein Museumsmotto, bei dem wichtigere Interessen im Vordergrund stehen als die Gewinnabsicht einzelner Konzerne.

Wassermuseum Maisenbacher Sägmühle e. V.

Mein Ländle / Jean-Claude Winkler

Erfrischend: Reibung an den Griffen sorgt für den Springbrunneneffekt

Nach dem Besuch des Wassermuseums ist der Wissensdurst in vielfacher Hinsicht gestillt. Und wer danach anderen Durst verspürt oder gar Hunger – das Museumscafé hat wie das Museum an Wochenenden und Feiertagen geöffnet. An schönen Tagen kann man auch im gemütlichen Außenbereich sitzen.

Wassermuseum Maisenbacher Sägmühle e. V.

Mein Ländle / Jean-Claude Winkler

Auch Märchen und Geschichten rund ums Wasser sind im Museum thematisiert.