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Absurditäten von Ulan & Bator im MAX

Ulan & Bator boten im MAX "Zukunst" an – eine Mischung aus Irrwitz und Komik, die ihresgleichen sucht.

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Ulan & Bator boten im MAX "Zukunst" an – eine Mischung aus Irrwitz und Komik, die ihresgleichen sucht.

Irrsinn unter Bommelmützen

Keiner ist wie sie. Dieses Alleinstellungsmerkmal dürfen sich Ulan & Bator, dieses Duo des komplexen Humors, geflissentlich auf die Fahne schreiben. Denn niemand bringt so gleichsam hirnrissige wie hintergründige Szenen auf die Bühne wie sie. Den Beweis dafür traten sie, die Botschafter der Bommelmützen, nun erneut in der Kulturbühne MAX an.

Sie sind gestrickt – und der Eintritt in das absurde Theater. Mithilfe ihrer Mützen verwandeln sich Sebastian Rieger und Frank Smilgies in Ulan und Bator. Wer dabei wer ist – wen interessiert es. Viel zu schön ist es, den beiden in ihr Universum aus scheinbar sinnloser Aneinanderreihung szenischen Theatersequenzen durch die Themen der Welt zu folgen. In der lassen sie nichts aus. Bahnwahnsinn – man kennt ihn in Hemsbach zur Genüge ­–, Demonstrationsirrsinn, Geltungsgier – kein Thema, das sie nicht auf ihre ganz eigene Art beleuchten. In sinnlosen Interviews persiflieren sie Plattitüden in Antwort und kramen dabei im Sportgespräch ganz nebenbei philosophische Tiefen aus dem alten Griechenland hervor. Wenn Marcel Reich-Ranicki zwischendurch an anderer Stelle in einer Kurzimitation vorbeischaut, dann kann das literarische Quartett nicht weit sein. Und wer gut zuhört, der erkennt, dass auch Joe Cocker mal kurz die Nase durch die Tür steckt. Es sind kleine Anspielungen, in haarsträubenden Irrsinn verpackt, die sich Ulan & Bator vornehmen. Und doch ist es die Verbindung ihrer wundersamen Welt ins Hier und Jetzt. Denn wer sonst als der Mensch ist in dieser Natur der, der sich zu überbieten versucht und dabei Vernunft und Verstand auch gern mal im Dunkel des Egos liegen lässt.

Verzicht auf Effekte

Smilgies und Rieger haben für ihre Kunst 2011 den Deutschen Kleinkunstpreis erhalten, 2022 folgte der Deutsche Kabarettpreis. Dabei verzichten sie auf vieles, was Kabarett sonst ausmacht. Ob der erhobene Zeigefinger in Richtung Politik oder die Verbindung des Abends zu einem Ganzen. Bei Ulan und Bator ist beides Fehlanzeige. Was nicht heißt, dass sie dem Menschen nicht seine Dumpfheit vor Augen führen. Nur machen sie es gekonnt. Ohne den großen Effekt. Kein Bühnenbild, kein Licht, kein Sound. Nur zwei Männer und ihre Sprache, gesprochen oder gesungen. „Existenz und Existenz ist Koexistenz“ feiern sie einmal musikalisch das Miteinander, um dann irgendwann in die Ehekrise zu steuern – mit einem Dialog, in dem sich mancher wohl ertappt fühlt. Weil nicht nur die Worte, sondern auch die Darstellung passt wie Faust auf Auge. Das tritt vor allem beim fünfstündigen Opus „Gaumensegeldekonstruktion“ auf den Plan. Simples Stühle verschieben auf der Bühne – mit knarzenden Geräuschen und gequältem Blick, das dem Leid des Komponisten – „er verarbeitet darin das Schnarchen“ – wahrlich gerecht wird. Dieses Können kommt nicht von ungefähr. Smilgies und Rieger sind ausgebildete Schauspieler. 1990 trafen sich ihre Wege an der Folkwangschule. Seit mehr als 20 Jahren sind sie nun gemeinsam unterwegs, haben ihr Spiel und Timing in dieser Zeit perfektioniert und scheinen sich auf der Bühne blind zu verstehen. Und haben Irrsinn zu Kunst erhoben.

Zugabe ohne Strick

Das Publikum im gut gefüllten MAX feiert sie für diese „Zukunst“, im Übrigen das erst dritte Programm des Duos, mit der Ulan und Bator ihr anarchisches Tun unter bunter Strickwolle weitertreiben. In ihr drehen sie Szenen vorheriger Programme weiter, finden aber auch ganz neue Komik. Sehr zum Vergnügen des Hemsbacher Publikums, das sich an dieser Absurdität nicht sattsehen kann und entsprechend Zugabe fordert. Die gibt es. Ausnahmsweise ohne Bommelmütze. (cs)

Sebastian Rüger schwebte als junger Rudolf Nurejew über die Bühne.

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Sebastian Rüger schwebte als junger Rudolf Nurejew über die Bühne.
Frank Smilgies lieferte als Sean Jean Putzfrauenhofer ein irrwitziges Interview ab.

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Frank Smilgies lieferte als Sean Jean Putzfrauenhofer ein irrwitziges Interview ab.
Mimik, Sprache, Timing – bei den Trägern des Deutschen Kabarettpreis 2022 stimmte einfach alles.

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Mimik, Sprache, Timing – bei den Trägern des Deutschen Kabarettpreis 2022 stimmte einfach alles.
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