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Versorgungslücken schließen

Chatbot-App für junge Menschen mit Depressionen

Symbolfoto Depression

Axel Bueckert / AdobeStock

iCAN (intelligente, Chatbot-assistierte ambulante Nachsorge) besteht aus einer Chatbot-App und Telefongesprächen mit Psychologinnen und Psychologen. Die Wirksamkeit des iCAN-Programms wird seit Oktober 2023 in einer deutschlandweiten Studie überprüft, und es werden weiterhin Studienteilnehmende gesucht.

Depressionen zählen weltweit zu den häufigsten und schwerwiegendsten psychischen Erkrankungen bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen. In Deutschland sind rund sechs Prozent aller Kinder und Jugendlichen betroffen. In schweren Fällen ist oft ein Klinikaufenthalt nötig. Nach der Entlassung aus der Klinik ist eine zeitnahe ambulante Nachsorge von entscheidender Bedeutung. Diese Nachsorge kann in Form von ambulanter Psychotherapie und/oder psychiatrischer Weiterbehandlung erfolgen. Ziel ist dabei, Rückfälle zu verhindern und die in der Klinik erzielten Fortschritte zu festigen.

 

iCAN-Programm als Antwort auf lange Wartezeiten für Therapieplätze

Oft stellt der Übergang von einer stationärer Depressionsbehandlung in die ambulante Nachsorge eine Herausforderung dar. Die langen Wartezeiten auf Therapieplätze von durchschnittlich sechs Monaten – in ländlichen Regionen oft noch länger – erschweren den Zugang. Auch zögern viele junge Betroffene aufgrund von Scham oder dem Wunsch, ihre Probleme selbst zu bewältigen, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Hier setzt das iCAN-Programm an: Junge Menschen mit Depressionen erhalten nach der Klinikzeit Zugang zur iCAN-App, in der sie Übungen machen, die dabei helfen, im Alltag besser zurechtzukommen. Dabei werden sie von einem Chatbot unterstützt, der regelmäßig nach der Stimmung fragt und motiviert, die Übungen nutzen. Zudem erleichtert der in der iCAN-App eingebaute Navigator die Suche nach einer Anlaufstelle wie z.B. eine ambulante Therapie. Zusätzlich erhalten die Patientinnen und Patienten eine persönliche Begleitung durch Telefongespräche mit Psychologinnen und Psychologen.

 

Studie zur Überprüfung der Wirksamkeit des Programms

In einer großangelegten klinischen Studie mit Betroffenen im Alter zwischen 13 und 25 Jahren wird das iCAN-Programm erforscht. Die Studie soll ermitteln, ob iCAN-Teilnehmende nach 3 bzw. 6 Monate weniger depressive Symptome aufweisen als Studienteilnehmende, die die Standardversorgung erhalten. Zusätzlich wird analysiert, ob iCAN-Teilnehmende schneller passende Nachsorgeangebote finden und seltener erneut in der Klinik behandelt werden müssen.

Die iCAN-Studie unter der Leitung von Prof. Dr. Eva-Lotta Brakemeier und Diplom-Psychologe Stefan Lüttke von der Universität Greifswald ist eine Kooperation von Expertinnen und Experten für Klinische Psychologie und Psychotherapie der Universität Greifswald und Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg sowie Expertinnen und Experten für Gesundheitspsychologie der Universität Greifswald. An dem Projekt sind außerdem die beiden Unternehmen mentalis GmbH und 100 Worte Sprachanalyse GmbH sowie zahlreiche Krankenkassen (AOK Baden-Württemberg, AOK Nordost, AOK Rheinland-Pfalz / Saarland, Bahn BKK, mkk, HEK, Mobil Krankenkasse, Pronova BKK, Siemens-Betriebskrankenkasse, TK) beteiligt.  Unterstützt wird das Projekt von 31 Kliniken in Deutschland sowie von Berufs- und Fachverbänden, der Bundespsychotherapeutenkammer und der Stiftung Deutsche Depressionshilfe und Suizidprävention.

An dieser Studie können junge Patienten zwischen 13 und 25 Jahren teilnehmen, die wegen Depressionen in einer der teilnehmenden Kliniken oder Tageskliniken behandelt werden, ein Smartphone besitzen und bei einer Gesetzlichen Krankenversicherung versichert sind. Die Anmeldung erfolgt direkt in den teilnehmenden Kliniken beim Klinikpersonal. Weitere Informationen sind auf der Webseite ican-studie.de verfügbar.

 

Weitere Informationen und Literatur

  • Intelligente, Chatbot-assistierte ambulante Nachsorge der Depression bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen (iCAN)
  • Bundespsychotherapeutenkammer (2018). Ein Jahr nach der Reform der Psychotherapie-Richtlinie. Wartezeiten 2018.
  • Ferrari, A. J., et al. (2013). Burden of depressive disorders by country, sex, age, and year: findings from the global burden of disease study 2010. PLOS Medicine, 10(11).
  • Greiner, W., et al. (2019). Kinder- und Jugendreport 2019. Gesundheits­versorgung von Kindern und Jugendlichen in Deutschland. Schwerpunkt: Ängste und Depressionen bei Schulkindern. DAK.
  • Gulliver, A., et al. (2010). Perceived barriers and facilitators to mental health help-seeking in young people: a systematic review. BMC Psychiatry, 10(1), 113.
  • Jarczok, T. A. & Holtmann, M. (2017). Pharmakologische und nicht-pharma­kologische Behandlung der Depression im Kindes- und Jugendalter. Die Psychiatrie, 14(3), 151-159.
  • Schneider, F., et al. (2012). Psychiatrie 2020 plus: Perspektiven, Chancen und Herausforderungen. Springer-Verlag.

 

iCAN-Programm

Das iCAN-Programm ist ein wegweisendes ambulantes Nachsorgeangebot für junge Menschen mit Depressionen. Es bietet individuelle Begleitung durch Tele-Psychologinnen/-Psychologen sowie Zugang zur iCAN-App für ein chatbot-gestütztes Training. Aktuell wird das Programm in einer umfangreichen klinischen Studie intensiv erforscht, um seine Wirksamkeit und Effizienz zu prüfen. Die Köpfe hinter dem iCAN-Programm sind die Psychologen Stefan Lüttke von der Universität Greifswald und Dr. Christian Aljoscha Lukas von der mentalis GmbH und der Univer­sität Erlangen-Nürnberg. Die Leitung und Verantwortung der iCAN-Studie obliegt Prof. Dr. Eva-Lotta Brakemeier von der Universität Greifswald.

 

Universität Greifswald

Die Universität Greifswald ist eine der ältesten Universitäten Deutschlands und ein zentraler Motor für die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung der Region. Das Institut für Psychologie der Universität, in dem die iCAN-Studie angesiedelt ist, verfolgt einen naturwissenschaftlichen Forschungsansatz, indem grundlagenorien­tierte und anwendungsbezogene Forschung empirisch-experimenteller Ausrichtung miteinander kombiniert werden.

 

Klinik für Kinder-/Jugendpsychiatrie und -psychotherapie am ZfP Calw

Die Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie des ZfP Calw mit Standorten in Böblingen, Weil der Stadt und Calw-Hirsau verfügt über zwei Tages­kliniken (Böblingen und Calw-Hirsau), einen stationären Bereich (Kinderstation, Jugendstation) in Böblingen sowie eine Institutsambulanz an den Standorten Weil der Stadt und Böblingen.

Durch die Beteiligung an der Studie findet eine langjährige Kooperationsverbindung ihre Fortsetzung. Die Betreuung der in die Untersuchung eingeschlossenen Patient*innen wird (überwiegend) durch Frau Deniz Ercengiz, Klinische Psychologin, Wissenschaftliche Mitarbeiterin, angesiedelt in unserer PIA in Weil der Stadt, erfolgen. 

Unsere Klinik ist Akademisches Lehrkrankenhaus der Universität Ulm im Fachbereich Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie in Kooperation mit den Alb Fils Kliniken Göppingen.