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KARWOCHE – DIE GLOCKEN SCHWEIGEN!

Da ab Karfreitag die Kirchenglocken verstummt waren, weil sie nach Rom geflogen sind, blieb den Messbuben gar nichts anderes übrig, als selbst mit einer „Kare“ deren schweren Dienst zu übernehmen. Diese Kare war ein hölzernes kastenartiges Instrument, das sich zu einer offenen Schmalseite erweiterte. Seitlich war eine Kurbel mit einer Nockenwelle verbunden, die eine Reihe von federnden hölzernen Schlaghämmern anhob und auf den Kasten zurückschnellen ließ. Wenn mehrere derartige Instrumente zusammenspielten, war das Ergebnis ein gewaltiger Krach, der mit einer Glocke durchaus mithalten konnte.

Von der Galerie des Kirchturms aus riefen dann mehrere Ministranten in alle vier Windrichtungen um 6, 12 und 18 Uhr mit ihren Karen zum Gebet. Auch das „Zusammenläuten“ zum Gottesdienst wurde von ihnen übernommen. Die Glocken ertönten erst wieder bei der Osternachtsmesse zum „Gloria“. Am Ostersonntag um 6 Uhr spielte auf der Galerie der Posaunenchor: „Christ ist erstanden“.

Auch in der Messe blieben die Schellen stumm! Stattdessen wurden Rätschen benutzt. Am Karsamstag zogen die Messdiener in Trupps mit Handwägelchen von Haus zu Haus und sagten ihr Sprüchlein auf:

Wir haben gekarrt am Heiligen Grab
Drum bitten wir um eine Gab
Nicht zu groß und nicht zu klein
Dass sie passt ins Körbelein.    

Oder alternativ: 

Dass man kann zufrieden sein.

Und zum Dank:                               

Ihr habt uns eine Gab gegeben  
Dafür sollt Ihr lange leben 
Glücklich Eure Kinder 
Glücklich Eure G`sinder

In Kronau:

Die Leute haben uns Gaben gegeben
Sie sollen das Jahr mit Freude erleben

Sie und ihre Kinder 
Sie und ihre G`sinder

Üblicherweise wurden reichlich Eier gespendet, begehrter waren natürlich Süßigkeiten, Schokolade und Geld für die Ministrantenkasse (zum Beispiel zur Finanzierung eines Ausflugs).

Sollte ein Geizhals die Spende verweigern, bekam er zu hören:

Ihr habt uns keine Gab gegeben, 
Dafür soll Euch der Teufel fegen!

Worauf schleunigst Reißaus genommen wurde.

 

 

Und dann musste ja am Karsamstag in aller Herrgottsfrühe noch der Judas verbrannt werden. Zu diesem Zweck versammelten sich die Knaben um 4 Uhr vor der Kirche. Jeder hatte etwas Brennbares mitgebracht, um damit Feuer zu machen. An langen Stangen wurde dann brennendes Material durch die Luft geschwenkt. Besonders gut eigneten sich zu diesem Zweck abgeräumte Kränze vom Friedhof. Die anschließend zurückgelassene Sauerei soll durch die Drahtreste keine geringe gewesen sein.

In KRONAU gab es diese Einrichtung nicht. Überhaupt war der gesamte Ablauf ein anderer, da der Kirchturm keine Galerie besitzt. Es verteilten sich zu den entsprechenden Zeiten mehrere Gruppen über den Ort, sangen das „Plenalied“ und lärmten anschließend mit ihren Rätschen; ebenso erfolgte die Einladung zum Gottesdienst. Und vor der Gabensammlung wurden schon Erkundigungen eingezogen, in welcher Familie Weißer Sonntag bevorstand. Denn dort wurde ja mächtig Kuchen gebacken, und so bestand ein guter Absatzmarkt für die gesammelten Eier!

Karren, Rätschen und Plenalied sind zu hören und sehen unter nebenstehendem QR-Code. Leider nicht die Judas-Verbrennung.  

 

 

(Dr. Wendel Deschner)