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Unwürdige Zustände im Ex-Gefängnis

Nach Brandbrief zum "Faulen Pelz": Ministerium sucht Dialog

Der "Faule Pelz" dienst seit August 2023 als Einrichtung für den Maßregelvollzug. In dem ehemaligen Gefängnis sollen massive Probleme aufgetreten sein.

Marijan Murat/dpa

Der "Faule Pelz" dienst seit August 2023 als Einrichtung für den Maßregelvollzug. In dem ehemaligen Gefängnis sollen massive Probleme aufgetreten sein.

Nach einem Brandbrief zu mutmaßlichen Missständen in der Entziehungsanstalt «Fauler Pelz» in Heidelberg sucht das Sozialministerium das Gespräch mit Initiatoren des Schreibens. «Obwohl das Schreiben der Anwältinnen und Anwälte sich nicht direkt an uns gerichtet hatte, hat Ministerialdirektorin Leonie Dirks Kontakt zu Initiatorinnen des «Brandbriefs» aufgenommen und ein Gespräch mit dem Ministerium angeboten», bestätigte ein Sprecher am Montag. «Das Gespräch ist terminiert und soll zeitnah stattfinden.» Zuvor hatte der «Mannheimer Morgen» darüber berichtet. Die Initiatoren des Briefes bestätigten das Treffen, das demnach am Mittwoch stattfinden soll.

Sozialminister Manfred Lucha wies Vorwürfe zurück

Ende Februar hatten die Strafverteidiger das Schreiben an mehrere Landtagsfraktionen verschickt. 21 Anwälte hatten den Brief über «unwürdige und skandalöse» Zustände im «Faulen Pelz» unterzeichnet. Sie kritisierten unter anderem einen erheblichen Mangel an Therapieangeboten und Pflegekräften sowie aggressive Sicherheitskräfte, die selbst Drogen anbieten würden, sowie massive bauliche Mängel der Einrichtung. Am 14. Februar war zudem ein 27-Jähriger in der Einrichtung aus bisher unbekannter Ursache gestorben. Sozialminister Manfred Lucha (Grüne) wies die Vorwürfe im Sozialausschuss des Landtages zurück.

Zwischenlösung bis Sommer 2025

Das ehemalige Gefängnis «Fauler Pelz» wird seit August als Einrichtung für den Maßregelvollzug genutzt und verfügt über 80 Plätze. Die Nutzung des ehemaligen Gefängnisses für den Maßregelvollzug ist als Zwischenlösung bis zum Sommer 2025 geplant. Im Maßregelvollzug werden suchtkranke und psychisch kranke Straftäter untergebracht und therapiert.

Video: Todesfall im "Faulen Pelz"

Was alles im Brandbrief stand

Die Strafrechtsanwälte schreiben in ihrem Brief von einem «eklatanten Missstand in der Strafjustiz». Sie weisen darauf hin, dass die verurteilten Straftäter «aufgrund gerichtlicher Anordnung wegen ihrer Betäubungsmittelabhängigkeit klinisch behandelt und therapiert werden müssen». Stattdessen gebe es viel zu wenig Therapieangebote. In dem Schreiben heißt es unter anderem, bis heute fände eine Visite, bei welcher auch die Einrichtungsleitung teilnimmt, lediglich alle 3 bis 5 Wochen statt.

Das Angebot an Pflegekräften sei nicht ausreichend: «In einer Schicht seien für die fünf Stationen zumeist zwei bis drei Pflegekräfte (inklusive der Leitung) anwesend. Dies führe dazu, dass manche Stationen insgesamt unbeaufsichtigt seien.»

Patienten werden gegen Gegenleistung angeboten

Manche Sicherheitskräfte würden «den Patienten gegen Gegenleistung anbieten, Urinkontrollen zu fälschen oder Betäubungsmittel in die Einrichtung zu bringen». Sie stünden bisweilen selbst unter dem Einfluss von Betäubungsmitteln, schikanierten und bedrohten Patienten. Auch seien «Pflegekräfte - ohne, dass ihnen dies zum jeweiligen Zeitpunkt bekannt war - im Auftrag der Einrichtungsleitung von den Sicherheitskräften überwacht worden».

Darüber hinaus kritisieren die Anwälte, die teilweise Patienten im «Faulen Pelz» vertreten, bauliche Mängel der Einrichtung. Das Gebäude sei bis heute nicht vollständig eingerichtet. Duschen seien teilweise unbenutzbar, weil nur sehr heißes Wasser aus der Leitung käme. Es sei vermehrt Schimmel aufgetreten.

Ärztliche Versorgung ungenügend

Die ärztliche Versorgung sei ebenfalls ungenügend. «Teilweise blieben Anträge auf eine ärztliche Untersuchung / psychologische Gespräche gänzlich unbearbeitet und würden ignoriert. So wohl auch im Fall des am 14.02.2024 verstorbenen Patienten», schreiben die Anwälte.

Der Vorsitzende des Sozialausschusses, Florian Wahl (SPD), sagte, Minister Lucha habe ausreichend Zeit gehabt, mit der Stadt Heidelberg und dem Zentrum für Psychiatrie Calw als Träger einen funktionierenden Maßregelvollzug aufzubauen. «Wenn jetzt in diesem sicherheitsrelevanten Bereich das Stammpersonal deutlich in der Minderzahl ist und der Rest aus Leiharbeit und Security gefüllt wird, habe ich ganz große Fragezeichen zum Vorgehen des Ministers.»

Der FDP-Landtagsabgeordnete Christian Jung forderte vor allem Aufklärung hinsichtlich der Aussagen zu den Sicherheitskräften. «Minister Lucha ist für die Zustände verantwortlich, zumal er unbedingt in Heidelberg im "Faulen Pelz‘ den Maßregelvollzug haben wollte. Das Gebäude ist dafür bis zum heutigen Tag nicht geeignet.»

Die AfD-Abgeordnete Carola Wolle bezeichnete den «Faulen Pelz» als ein Provisorium, «das sich als extrem teuer und mangelhaft entpuppt hat».

Sozialministerium wies die Vorwürfe in weiten Teilen zurück

Das Sozialministerium wies die Vorwürfe in weiten Teilen zurück, es betonte aber auch, dass der «Faule Pelz» nur als Übergangslösung gedacht sei. «Vorwürfe wurden - sofern sie dem Ministerium bekannt sind - bearbeitet und notwendige Verbesserungen unmittelbar eingeleitet», teilte das Ministerium mit.

Das Haus verweist etwa auf den Austausch des Caterers durch die Klinik. Die ärztliche Versorgung sei zudem sichergestellt. «Alle zugewiesenen Patienten werden bei der Aufnahme ordnungsgemäß untersucht und es besteht regelmäßig die Möglichkeit, Arztkontakte wahrzunehmen», hieß es weiter. Das Therapieprogramm in Heidelberg entspreche dem in Calw. Zudem würden die Patienten mittelfristig auf andere Entziehungsanstalten im Land verlegt. Auch gebe es genug Medikamente.