Merken

Musik, Poesie und Literatur

"Panikherz" feiert Premiere im Schwetzinger theater am puls

Das Stück "Panikherz" basiert auf einem Roman.

ral

Das Stück "Panikherz" basiert auf einem Roman.

Eine musikalischer Seelentrip durch die Höhen und Tiefen des Lebens - begleitet von der Musik von Udo Lindenberg oder Nirvana - das bot die Premiere des Stücks „Panikherz“ am Samstagsabend im theater am puls. Till Weinheimer und Stefan Ebert brachten den autobiografischen Roman von Benjamin von Stuckrad-Barre dort lebendig und einfühlsam auf die Bühne. 

„Panik“ und „Herz“ waren in der Inszenierung die beiden Schlüsselbegriffe, die im Zwei-Mann-Stück mit Stimme, Poesie und Musik dem Publikum manchmal sanft in die Hände gegeben, manchmal rabiat vor die Füße geworfen wurden. Denn nicht nur die anekdotischen und zum Schmunzeln anregenden Kindheitserinnerungen des in den 1970er, 1980er und 1990er Jahren aufgewachsenen Ichs, sondern auch eine knallharte Kokainsucht mit Abstürzen wurden thematisiert. 

Unruhe

Das Pastorenkind Benjamin entdeckte früh die Musik von Udo Lindenberg, der zunächst im miefigen Dorf und danach im überschaubaren Göttingen als Symbol für Ausbruch und Freiheit stand. Liebevoll und rührig werden die Eltern gezeichnet, die immer das Beste für die Familie wollten. Sie gehörten, auch das mit einer guten Prise Ironie versehen, der Öko- und Friedensbewegung der 80er Jahre an.

Die Hauptfigur treibt es immer weiter vorwärts - das Kitzeln in den Beinen steht für die ganze Unruhe einer suchenden Jugend. Schauspieler Till Weinheimer, der für die Textfassung am theater am puls verantwortlich ist, schafft es, mit seiner Sprechstimme, das Publikum an das Geschehene, das wie ein Romantext vorgetragen wird, zu binden. Stefan Ebert sorgte mit E-Gitarre und Gesang für die Musik, die auch Weinheimer selbst mit Gesangseinlagen und Pianospiel mitgestaltete. 

Das Leben von Benjamin war zeitgleich ein Exkurs in die jüngste Geschichte Deutschlands, mit dem „Zonenrandgebiet“ Göttingen oder der Szene in Hamburg und Berlin. Lebendig erzählt fühlten sich ältere Zuschauer zurückerinnert und jüngeres Publikum in eine vergangene Welt entführt: Der gefühlvoll inszenierte Song „Mädchen aus Ost-Berlin“ von Lindenberg ist nur ein Beispiel dafür.

Authentisch erzählt Schauspieler Till Weinheimer vom Leben des Benjamin.

ral

Authentisch erzählt Schauspieler Till Weinheimer vom Leben des Benjamin.

Doch war es auch das Universelle wie Liebe, Schmerz, Sucht oder Wehmut, das die Premiere ausmachte: Denn der Weltschmerz, der bei der Hauptfigur in einer niemals enden wollenden Drogensucht mündete, kennt keine Generationengrenze. Ebenso wenig wie die zeitlose Musik, der Soundtrack des Lebens, der kein Alter kennt und immer wieder von Neuem zu Tränen rührt, Wut ausdrückt oder Mut macht. 

„Keine Panik“

An der tiefsten Stelle, drogenreiche Nächte in Berlin hinter sich gelassen, nur noch ein Schatten seiner selbst, begegnet die Hauptfigur immer wieder Lindenberg persönlich, ist mit ihm befreundet. Als Redakteur beim Rolling Stone hat er ihn einst zerrissen. Dieser Udo ist es, der ihn mit den Worten „Keine Panik“ aus seiner Lethargie herausholt und letztlich immer wieder erneut in eine Entzugsklinik treibt.

Am Ende ist es der Bruder, die Familie, die den Erzähler zurück ins Leben holt: Die Klammer von Kindheit und Zukunft schließt sich. Die von tap-Intendant Joerg Mohr inszenierte Romanvorlage bewegt den Zuschauer, führt ihn erzählerisch und musikalisch über Gipfel und Täler, lässt ihn aber nicht ratlos, sondern lebensmutig zurück. (ral)