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Bei ihm hat die Verwirrung Methode

Philipp Scharrenberg zu Gast in der Eislinger Stadthalle

Philipp Scharrenberg

irs

Der Kabarettist, Slampoet und Autor hat dem Eislinger Publikum keine Zeit zum Durchatmen gelassen.

Kabarettist Philipp Scharren­berg widmet sich am vergangenen Wochenende in der Eislinger Stadthalle mit seinem Bühnenprogramm „Verwirren ist menschlich“ dem Desinformationszeitalter.
Kaum hat Philipp Scharrenberg die Eislinger Bühne betreten, legt er los, so richtig, also richtig schnell. Die 240 Besucher haben gleich gut zu tun, der Sprachrasanz zu folgen. Wer wusste, dass der 48-jährige Rheinländer schon mehrfacher Poetry-Slam Meister war, war schon gewappnet, die anderen traf es wie ein Blitz auf der Gedankenachterbahn.
Keine Zeit fürs warm werden
Irrungen und Wirrungen, also Verwirrung mit Methode, sind Scharrenbergs Thema. „Mindfuck“, benennt er auf englisch und fügt an: „Kein so schönes Wort.“ Und zack erzählt er gleich von seinen Erfahrungen mit dem Schwabenland und seinen Bewohnern. Als Rheinländer ist für ihn so einiges etwas schräg. Der Beleg: Die Erfahrung mit einer Hotelübernachtung, nicht jetzt, schon ein bisschen früher. Ruhe möchte er nach seinem Auftritt und bekommt eine Hochzeitsfeier im Hotel serviert.
Erfahrungen im Schwabenland
Die „In-Sich-Kehrwoche“ steht auf der Kippe, die schwäbische Meditation ist gefährdet, bis die Wirtin ihn erlöst. Es sei eine „Goldene“, da sei kein Lärm zu befürchten. „Bei uns ist auf einer Trauerfeier mehr los“, schiebt er nach. Von Künstlicher Intelligenz halte er nichts, er setze auf intelligente Kunst. Die Grenzen zwischen Fiktion und Fakten, sie seien längst verwischt, vielleicht auch schon verschwunden. „Wir verwhatsappeln uns ständig selbst“, ist sich der Kabarettist sicher. „Kennst Du das“, fragt der in die Zuschauerrunde und das nicht nur einmal.
Oder die Lösungen, die einem ständig im Netz für Probleme angeboten werden. „Für Probleme, die man nie hatte“, so Scharrenberg. Verführer, geschickt verpackt. Scharrenberg ist unbestritten ein Wortkünstler. Er dichtet und reimt, präsentiert die Irrungen und Wirrungen von Big-Data in seinen Songs, stets omnipräsent auf seiner Bühne. Für alles und jedes gebe es eine App, nichts scheine mehr so zu sein, wie es sei. Digitalisierung des Unterbewusstseins nennt er das Zulassen der ständigen, digitalen Überwachung. Mit Reizüberflutung komme er nicht klar. „Manisch-kreativ“, lautet seine Eigendiagnose, was er braucht hat er längst gefunden: Die Easy-Taste. Und er drückt sie während des Abends mehrfach, kommt bei ruhiger Melodie wieder runter. Gefunden hat er die Easy-Taste an einem Münchner Fahrkartenautomaten. Auch für`s Publikum eine kleine Erholung zwischendurch.
Leben am Intelligenzminimum
Für Scharrenberg ist klar: 45 Prozent in diesem Land leben am Intelligenzminimum. Im Nachrichtenschauen sei er Extremsportler, die Informationsverarbeitung könne da schon leiden. Trainieren ist sein Zauber­wort. „Die Nachrichtensendungen mit zwei Moderatoren sind perfekt“, weiß er. Nach spätestens drei Katastrophen merke er nichts mehr. Die „sozial schwachen Medien“ nimmt er auf`s Korn: „Twitter heiß jetzt X, Raider heißt jetzt Twix, geändert hat sich nix.
Die stetige digitale Berieselung, das zugelassene kappen der eigenen Entscheidungsfreiheit, sei wie Nahrungsaufnahme durch den Schlauch. Hirnwindungen entwirren, aus der Irre führen, Gordische Knoten lösen – Philipp Scharrenberg hat mit seinem Publikum eine rasante Runde durch das Gedankenkarussell gedreht. Der finale Beifall zeigte, dass es den Besuchern in der Eislinger Stadthalle gefallen hat, auch, wenn es für so manchen extrem rasant war.  irs