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Serie Aldinger Dorfleben vor 125 Jahren Teil 9

SERIE

Aldinger Dorfleben vor 125 Jahren.

Im Jahr 1900: Die Landpost fährt dreimal in der Woche mit Handkarren oder Pferdefuhrwerk durch das Dorf. Die ersten Arbeiter ziehen in täglichen Fußmärschen los, nach Ludwigsburg zum Kaffee-Franck, nach Kornwestheim in die Salamander-Schuhfabrik oder zur Gießerei von Stotz. Aldingen hat noch kein elektrisches Licht. 

In loser Folge veröffentlichen wir hier Ausschnitte aus den Aufzeichnungen des Aldinger Schullehrers Kipple aus dem Jahr 1900. 

 

Zu Wohnung und Geräte schreibt Kipple:

Die nicht unansehnlichen Häuser sind mit steinernen Unterstöcken und hölzernen Stockwerken versehen. Im unteren Stock befinden sich die Ställe oder Werkstätten. Der obere Stock enthält die teilweise sehr geräumige Wohnung aus der Wohnstube, zwei bis drei Kammern und der Küche bestehend. Das Wohnzimmer ist teils getüncht, teils tapeziert. In demselben befinden sich der Esstisch, der gewöhnlich in einer der Straße zu gelegenen hellen Ecke steht, dahinter steht eine Bank mit Rücken- und Seitenlehne oder ein Sofa; ein zweiter Tisch steht an einer Innenwand, meist neben dem Ofen, ferner eine Kommode, welche häufig mit einem Glasaufsatz zur Aufbewahrung von Gläsern und Porzellan versehen ist, einem Kasten (Sekretär) und mehreren hartholzenen oder Rohrstühlen. Die neben der Wohnstube sich befindlichen Kammern, die selten heizbar sind, dienen zu Schlafräumen für die Familie und zur Aufbewahrung von Kleiderschränken. Unter dem Dach sind die Schlafkammern für erwachsene Kinder, für das Gesinde und Kammern zur Aufbewahrung von Holz, Getreide, Mehl und anderen Vorräten. Die Küche liegt meist im hinteren Teil des Hauses und enthält einen eisernen Herd, den Küchenkasten, Spül- oder Ablauftisch und das Schüsselbrett. Steinherde mit großen Rauchfängen sind selten mehr anzutreffen. Die Ställe für das Vieh, für Schafe, Schweine und Geflügel sind teils im unteren Stockwerk unter der Wohnstube, teils in der Scheuer, teils im Hofraum angebracht. Besondere Viehhäuser sind selten. Die Scheuern sind geräumig, enthalten ein bis zwei Tennen, den unteren und oberen Bahrn und unter dem spitz zulaufenden Dach den „Oberling“. Im Erdgeschoß ist der gewölbte Keller zur Aufbewahrung von Getränken und Küchenvorräten. In der Stellung des Hauses und der Scheuer zur Straße herrscht wenig Regelmäßigkeit. Häufig ist die Giebelseite des Wohnhauses der Dorfstraße zugekehrt, hinter demselben steht mit der Dachseite der Straße zu die Scheuer, auf der dritten Seite steht die Längswand eines Nachbargebäudes, so dass ein größerer oder kleinerer Hofraum gebildet wird, der vorn, der Straße zu, frei ist. Der Hofraum war früher meist durch Tore geschlossen. Höfe mit großem steinernem Bogentor sind nur noch wenige da. Einzelne größere Höfe, die von mehreren Wohnungen, Stallungen und Scheunen umschlossen sind, sind der Präckhlins (Brackles Hof, der Fäckhelinshof, der Eichmännische Hof, der Widdumhof und der Schlosshof, welch letzter sehr geräumig ist. Von den zwei großen rundbogigen Toren, die zu diesem Hofe führten, steht nur noch eines, das andere wurde am 19. März 1900 als defekt und den Verkehr hindernd abgebrochen. Einzelne Wohngebäude wie auch Scheuern stehen mit der Dachseite der Dorfstraße parallel, verschiedene bilden auch einen Winkel zu denselben. Die Scheuern stehen nicht immer abgesondert vom Wohnhause, sondern sind vielfach in dieses ein- oder angebaut. Teils vor teils neben dem Hause ist ein Gemüsegärtchen, hinter dem Hofraum oder der Scheuer schließt sich ein Obstgarten an. Strohdächer gibt es keine. Die Wände an den Gebäuden sind meist verputzt, die Balken nur an Scheunen sichtbar. Nur bei einem Neubau (Backsteinbau) sind sämtliche Balken sichtbar und dieselben mit Holzfarbe angestrichen. 

Hausmarken und Haussprüche sind an verschiedenen Häusern noch erhalten. Am Gasthaus z. Löwen steht in Stein gehauen die Inschrift: 

Vanitas Vanitatum 

Veritas Veritatum 

nebst dem Schriftwort: 

»Herr, ich bin zu geringe aller Barmherzigkeit und aller Treue, die du an deinem Knecht gethan hast.« 

In der Kirchgasse hat an dem ehemaligen Kaltentalschen Amthaus ein Schuhmacher Namens Keller im Jahr 1824 die Anfangsbuchstaben seiner und seiner Frau Namen umgeben von einem Lorbeerkranz mit einem Stiefel unten in Stein einhauen lassen. An einem Hause in der Schmiedgasse ließ ein Schneider folgenden wenig poetischen Reim anbringen: 

»Dies Haus ist mein und doch nicht mein, 

es kommt ein andrer nach mir rein, 

ist auch nicht sein.« 

Fortsetzung folgt (EP)