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Dem Zeitgeist den Spiegel vorgehalten

William Wahl mit „Nachts sind alle Tasten grau" in Eislingen

William Wahl

irs

Der wortgewandte Musiker freute sich über tosenden Applaus in der Eislinger Stadthalle.

Ein Klavier, jede Menge Ideen, virtuoses Klavierspiel und Gesang, mehr braucht William Wahl nicht, um sein Publikum in der Eislinger Stadthalle von Anfang an zu begeistern. Manches wirkt fast wie zufällig, ist es aber nicht. Der Lieder­macher hat sich dem Musikkabarett verschrieben und mit „Nachts sind alle Tasten grau“ sein zweites Solo-Programm präsentiert. „Manche sagen es sei nicht so lustig wie Wa(h)lgesänge“, erzählt Wahl und zuckt mit den Achseln. Er habe sich auch nicht wirklich viel Mühe gegeben, fügt er an und hat die ersten Lacher des Abends generiert.

Tiefgang und Wortwitz

Unbeeindruckt greift er in die Tasten und das Klavierspiel beherrscht er aus dem Effeff. Das Texten auch, das beweist er vortrefflich. Er bedient sich der Musik von Udo Jürgens, Reinhard Mey oder Frank Sinatra, covert ihre Titel gerne und versieht sie mit neuen, eigenen Texten, er serviert aber auch selbst Komponiertes. Kaum hat er ein Lied beendet, räsoniert er schon über den nächsten Titel, leitet gekonnt über, bevor er wieder in die Tasten greift. „Weißer SUV“, „GamesCon“, „BIGGI 76“ oder „Innen- und Außenarchitektinnen“, sind nur einige Beispiele für mit Tiefgang, aber auch Wortwitz und kritischem Blick verfasste Texte.


Denken sei Anstrengung, das mache der Mensch nicht gerne, mit dem Dauerdenken sei er schlicht überfordert. „Unser Gehirn ist für das Savannen­leben gemacht“, so Wahl, da sei es kein Wunder, dass so mancher mit der schnelllebigen Geschäftigkeit und gefordertem Dauerdenken schlicht überfordert sei. Die „GamesCon“, das Spieleevent in seiner Heimatstadt Köln, nimmt er aufs Korn, Latexkostüme und andere Skurilitäten nimmt er amüsant unter die Lupe. Auch die Datingplattformen liefern Songstoff. BIGGI76 tummelt sich dort, in bester Gesellschaft mit Millionen anderen Singles, die auf der Partnersuche sind, allerdings nur virtuell und mit ganz unterschiedlichen Vorstellungen. „Wer hat denn heute noch Zeit zur Partnersuche im normalen Leben“, so Wahl.

Den Spieß umdrehen

Rollenverteilung und Geschlechterbeziehung ist ein breites Spielfeld für den 50-Jährigen, er dreht die klassischen Rollen um, die Frau für`s Grobe, der Mann für`s Feine. Er liest Gedichte, sie hämmert, bohrt und nagelt, er trinkt Milchkaffee mit Schaum, währenddessen fällt sie einen Baum.

Ein Profi auf der Bühne

Das Programm hat eine gewisse Rasanz, die Übergänge sind fließend, William Wahl sucht den Kontakt zum Publikum und findet ihn auch. Die Zuhörer amüsieren sich hörbar, geizen nicht mit Applaus. Und immer wieder zieht Wahl neue Themen aus dem Hut, vergisst natürlich nicht, sich auch ausgiebig der Liebe zu widmen, mal ganz anrührend, dann wieder mit dem bösen Seitenhieb.


William Wahl ist bühnenerfahren. 1973 in Bochum geboren, hat er in Köln und Berlin Musik studiert. Als musikalischer Leiter diverser Musicals hat er erste Erfahrungen auf den Brettern, die die Welt bedeuten, gesammelt. Seit dem Jahr 2000 ist er Autor und Sänger des a-cappella-Ensembles „basta“. Aus seiner Feder stammt auch der Basta-WM-Hit „Gimme hope Joachim“, der 2010 auch im Radio in Dauerschleife gespielt wurde. Sein erstes Klavierkabarett-Solo „Wahlgesänge“ brachte er 2017 auf die Bühne.  (irs)