Eine Radhelmpflicht gibt es in Deutschland nicht. Dennoch raten Fachleute allerorten zum freiwilligen Tragen eines Helmes: „Wer etwas zu schützen hat, tut dies auch!“, verdeutlicht ein etwas flapsiges Statement die recht weitverbreitete Ansicht. Doch Helm ist nicht gleich Helm und das Gegenteil von gut ist oftmals gut gemeint: Es gibt unterschiedliche Bauweisen mit unterschiedlichem Einsatzzweck und ein Helm muss nicht zwingend Sicherheit bedeuten.

Alles, was man über Fahrradhelme wissen sollte.

Beim Fahren eines E-Fahrrads ist es sinnvoll, einen Fahrradhelm zu tragen.

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Beim Fahren eines E-Fahrrads ist es sinnvoll, einen Fahrradhelm zu tragen.

Fahrradhelm tragen: Kindern Vorbild sein!

Die Helmquote, das heißt der Anteil von Radfahrern, die in Deutschland regelmäßig einen Helm tragen, erhöht sich von Jahr zu Jahr. Bei Kindern und Jugendlichen ist das Tragen eines Fahrradhelms besonders zu empfehlen, betont Ralf Puslat, Geschäftsführer eines Kinderfahrzeugherstellers. „Die Wahrnehmungsempfindung ihrer Umgebung ist gerade bei Kindern noch nicht fertig ausgeprägt und Erfahrungen im Straßenverkehr sind auch noch nicht ausreichend vorhanden.“

Doch übernehmen Kinder meist, was man ihnen vorlebt: „Oft sieht man Eltern daher mit gutem Beispiel voranradeln – denn so können sie das Hauptargument des Nachwuchses gegen den Helm schon im Keim ersticken“, weiß Gunnar Fehlau, Gründer von pressedienst-fahrrad und Vater zweier Söhne, nur allzu gut.

Seit wann gibt es Fahrradhelme?

Der Fahrradhelm ist noch relativ jung. Die Vielfalt der Helme am Markt war noch niemals so groß wie heute. Der Sturzhelm für Radfahrer ist eine vergleichsweise junge Erfindung; erst Ende der Achtzigerjahre entdeckte ihn der Breitensport. Im Profisport waren vorher sogenannte Sturzringe aus Leder üblich, vereinzelt sah man Hartschalenhelme, die eher Motorradhelme waren. Mit Aufkommen des Mountainbike-Trends zu Beginn der 90er Jahre verbreitete sich auch das Tragen eines Helms immer mehr. Im Profi-Straßensport gibt es übrigens erst seit 2003. Heute sieht man keine Radsportler mehr ohne Helm.

Leicht und luftig mit dem Rad unterwegs dank dem richtigen Helm

Die leichtesten Varianten sind wahre Fliegengewichte und bieten maximale Belüftung. Mountainbike-Modelle haben zudem einen Schirm, der das Gesicht vor blendendem Sonnenlicht, Ästen und Regen schützt. Bei Rennradhelmen ist das nicht nötig: Hier übernimmt entweder der Schirm einer klassischen Helmmütze diese Funktion – oder ein Visier. Beim Zeitfahren und Triathlon werden tropfenförmige, aerodynamisch geschlossene Helme getragen. Diese haben oft präzise geplante Strömungskanäle für die Belüftung.

Spezielle Fahrradhelme für Halfpipe, Trail und Bikepark

BMXer oder Dirtbiker nutzen, ähnlich wie Skater, geschlossene Halbschalenhelme. Im MTB-Sport hat sich die Gattung Enduro etabliert und damit auch Helmmodelle, die quasi ein Bindeglied zwischen klassischen MTB- und Dirt-Helmen darstellen: Der Nackenbereich ist tiefer gezogen, der Helm ist insgesamt geschlossener und kommt mit Schirm.

Äußerlich kaum von Motocross-Helmen zu unterscheiden sind die als „Full Face“ bekannten Hartschalenhelme mit fester Kinnpartie, wie sie Downhill-Athleten. Sie werden zwar ohne Visier, aber mit Schutzbrillen, sogenannten Goggles, getragen. Ihr Gewicht ist durch den größeren Schutzanspruch höher, was die Masse und Trägheit des Kopfes vergrößert. Die Belastungen, die im Falle eines Sturzes so auf die Wirbelsäule wirken, können mit einer „Neck Brace“ genannten Nackenstütze abgefangen werden. In die Lücke zwischen Enduro- und Downhill-Helm positionieren die Hersteller neuerdings Full-Face-Helme mit abnehmbarem Kinnbügel. Bergauf genießt man so den höheren Komfort der klassischen Konstruktion, während man bergab die größere Sicherheit des Kinnbügels gewissermaßen zuschalten kann.

Rennradrennen

Ryan McVay/DigitalVision/Thinkstock

Rennradfahrer tragen aerodynamische Helme mit speziellen Belüftungströmungskanälen.

Schicke Radhelme für die Stadt

Der technischen Ausdifferenzierung folgte die modische: Seit etwa 2010 finden sich Helme auf dem Markt, die neben der Sicherheit auch optische Bedürfnisse von Alltagsradlern bedienen. Mit modischen Stoffbezügen oder in moderner Kurier-Optik mit abnehmbarem Stoffschild, das an die klassischen Rennradkappen erinnert, lassen sie sich ziviler in das Outfit integrieren als sportliche Modelle, was für eine wachsende Akzeptanz des Helms auf täglichen Wegen gesorgt hat.

Ein schwedischer Hersteller bietet sogar einen Fahrrad-Airbag, der sich als Schal tragen lässt und über seismische Sensoren auslöst, die erkennen, ob ein für Unfälle typisches Bewegungsmuster vorliegt und sich um den Kopf legt. Er ist wie sein Pendant fürs Auto einmalig verwendbar.

Besonderheiten bei Kinderhelmen

Um den Nachwuchs möglichst spielerisch an das Tragen von Helmen heranzuführen, finden sich im Segment Kinderhelm viele putzige Designs und Gestaltungskooperationen mit Spielzeugproduzenten oder Verlagen. Doch auch technisch heben sich besonders Kleinkinderhelme von Modellen für Erwachsene und Jugendliche ab: Die Stirnpartie ist schirmartig verlängert, um dem Gesicht mehr Schutz zu bieten. Der Nackenbereich hingegen ist länger und flacher ausgeführt – so können die Kleinen auch ohne ein Abknicken der Wirbelsäule im Kindertransporter oder Kindersitz mitfahren.

Sicher mit MIPS

Diverse Radhelme aus unterschiedlichsten Bereichen sind mit der in Schweden entwickelten MIPS-Technologie („Multi-Directional Impact Protection System“) erhältlich. Mit MIPS ausgestattete Helme haben eine schwimmend gelagerte Innenschale, die sich bei einem schrägen Aufprall rund 15 Millimeter verdrehen kann. Somit sollen die bei einem Sturz auf das Gehirn wirkenden Rotationskräfte absorbiert werden.

Fahrrad-Kinder-Helm

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Material und Eigenschaften von Fahrradhelmen

Fahrradhelme werden aus Hartschaumstoff (EPS: expandierter Polystyrol) gegossen, der stoßarbsorbierende Eigenschaften aufweist – somit funktionieren sie als „Knautschzone“ des Kopfes. Der Schaumstoff wird aus Gründen der Verbindungsfestigkeit direkt in eine Schale aus Kunststoff expandiert („In-Mold-Verfahren“). Die Stärke dieser Schale variiert je nach Sicherheitsanforderung:

  • Die „Microshell“ aus Polycarbonat ist dünn und bei leichten Sportmodellen weit verbreitet;
  • die „Hardshell“ aus ABS (Acrylnitrid-Butadien-Styrol) ist etwas stärker und schwerer, weswegen sie bei Motorradhelmen und im Fahrradbereich für Downhill- und Dirt-Modelle verwendet wird.

Die Hersteller orientieren sich dabei zudem am „anzunehmenden Fehlgebrauch“. Die Schale des Helms leitet auch den punktuellen Aufprallimpuls flächig in den Helm ein. Zudem gleitet sie abriebfest und leichter über Gegenstände oder Untergründe wie Asphalt oder Eis, wo das EPS allein sich abnutzen oder sogar die Sturzgeschwindigkeit so abrupt bremsen würde, dass die Verletzung schwerwiegender ausfallen könnte.

Bezüglich Herstellung und Entsorgung zählt EPS zu den weniger umweltfreundlichen Materialien, weswegen gerade bei Radhelmen Platz für Verbesserungen im Bereich Umweltschutz bleibt.

Zwischen Helm und Kopf werden gemeinhin wasch- und austauschbare Polster eingesetzt, die lange Zeit auch zur Feinanpassung der Größe verwendet wurden. Heutzutage sind Helme jedoch mit Verstellringen ausgestattet, die einfach zu bedienen sind und den Helm auch einfacher mit Helmmütze oder Kapuze nutzen lassen. Ähnlich wie bei Schuhen verwenden die Hersteller unterschiedliche Kopfformen als Entwicklungsgrundlage, sodass sich „für jeden Topf der passende Deckel“ findet.

Auch beim Radhelm gibt's Kleingedrucktes

Im Inneren von Qualitätsfahrradhelmen findet sich neben dem CE-Prüfzeichen und der Größenangabe (meist Kopfumfang in cm) auch das Herstellungsdatum des Helms (Monat bzw. Quartal, Jahr). Hintergrund ist die Alterung des Hartschaums: Mit der Zeit dünstet er aus, wird porös, die Schutzfunktion lässt nach. Äußere Einwirkungen wie Witterung, Sonne und Schweiß beschleunigen dies. Darum sollten Radhelme nach etwa fünf Jahren Verwendung ersetzt und besser nicht gebraucht gekauft werden. Ein Austausch des EPS-Helms muss auch zwingend nach einem Unfall oder schwerer Stoßeinwirkung erfolgen – auch wenn die Vorschädigung äußerlich nicht sichtbar ist. Eine regelmäßige Kontrolle nach sichtbaren Schäden wie Rissen und Quetschungen ist im Sinne optimalen Schutzes ebenfalls obligatorisch.

Was gilt für Fahrradhelme bei E‑Bikes?

E‑Biker tragen in der Stadt öfter einen Helm als Radfahrer. Man muss rechtlich zwischen den zwei Gattungen von Pedelecs unterscheiden: Die mit Abstand am häufigsten verbreiteten Räder mit Motorunterstützung bis 25 km/h (und Schiebehilfe bis 6 km/h) gelten in jeder Hinsicht als Fahrräder. Sie brauchen kein Nummernschild, dürfen auf dem Radweg fahren und wie beim Fahrrad besteht keine Helmpflicht. Anders sieht das bei den schnellen Pedelecs aus, die bis 45 km/h mithelfen und eine Schiebehilfe bis 20 km/h aufweisen: Sie werden als Leichtkraftrad eingestuft und müssen laut Verkehrsblatt des Verkehrsministeriums vom Dezember 2012 mit „geeignetem Helm“ gefahren werden.

jedoch kein Motorradhelm nach ECE 22/05 sein, sondern ein für den Straßenverkehr geeigneter Schutzhelm. Ein geprüfter Fahrradhelm nach CE/EN1078 oder ein Skihelm nach CE/EN1077 erfüllen diese Anforderung“, erklärt Markus Riese, Geschäftsführer und Entwicklungsleiter eines deutschen Premium-Herstellers.

Helm richtig aufsetzen - So geht's

Unabhängig von der Bauart des Gefährts und des Kopfschutzes kann letzterer nur Sicherheit bieten, wenn er auch richtig getragen wird. Sitzt der Helm zu locker, droht er im Sturzfall zu verrutschen oder löst sich gar vom Kopf. Ein Helm wird daher nach Kopfumfang ausgewählt – bei Kindern muss die Größe regelmäßig überprüft werden. Wie auch beim Fahrrad ist der Gedanke des „Hineinwachsens“ hier fehl am Platze. „Der Helm darf weder straff auf dem Kopf sitzen, noch zu locker. Wir raten außerdem, zwischen Kinnriemen und Kiefer nicht mehr als einen Fingerbreit Luft zu lassen“, erklärt ExperteTorsten Mendel. Zugleich sollte der Helm mittig auf der Stirn sitzen, d. h. nicht über die Augenbrauen gezogen werden (können), noch die gesamte Stirn freilassen. „Fachhändler haben den Dreh meist raus und können den Helm beim Kauf mit wenigen Handgriffen direkt passend einstellen“, so Mendel weiter.

Cleveres Zubehör für den Fahrradhelm

Für alle Helmträger hält der Fachhandel reichlich nützliches Zubehör bereit. Helmmützen werden unter dem Helm getragen, bedecken meist die Ohren, sind waschbar und nicht selten mit winddichtem Material oder wärmendem Fleece erhältlich.

Für wärmere Temperaturen ist die klassische Radsportmütze ein schlaues Accessoire. Sie nimmt die Feuchtigkeit am Kopf auf – lästiger Schweiß in den Augen wird so verhindert. Insekten im Helm verlieren mit Mütze auch ihren Schrecken. Und der übliche kleine Schirm schützt gegen Sonne, Wind und Regen. Es gibt sie in vielen Farben und Styles.

Gegen Regen helfen Helmüberzüge, wie man sie z. B. von Kletterrucksäcken kennt.

Wer noch sicherer unterwegs sein möchte, versieht den Helm mit reflektierenden Aufklebern oder greift zu Modellen mit LED-Licht.