„Der Ball ist rund“, „Nach dem Spiel ist vor dem Spiel“ oder „Das Spiel dauert 90 Minuten“. Auch wenn das Spiel im VAR-Zeitalter heute teils wesentlich länger als 90 Minuten dauert, kennt nahezu jeder Fußballfan diese Sätze, die allesamt aus dem Mund von Sepp Herberger, dem legendären Weltmeister-Trainers von 1954, stammen.

Keine Frage: Der am 28. März 1897 in Mannheim-Waldhof geborene Josef „Sepp“ Herberger war eine prägende Figur des deutschen Fußballs und nicht wenige Menschen sprechen noch heute von der eigentlichen „Geburtsstunde der Bundesrepublik Deutschland“ als die Mannschaft um Kapitän Fritz Walter damals nach dem 3:2-Sieg gegen Ungarn im Berner Wankdorfstadion den höchsten Titel, den es im Weltfußball gibt, gewann. Das „Wunder von Bern“ ging in die Geschichtsbücher ein.

Seppl Herberger Autogrammkarte

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Seppl Herberger Autogrammkarte

Buchtipp

Jetzt hat der Historiker und Geschichtsprofessor Hiram Kümper aus Mannheim ein 335-seitiges Buch mit dem Titel „Herberger über Herberger“, das im Heidelberger abc-Verlag erschien, veröffentlicht. Es bildet ein wissenschaftliches Projekt mit dem Untertitel: „Herberger - Der Nachlass. Erster Band“ ab und speist sich aus den umfangreichen Notizen des „Chefs“, das er akribisch in nicht weniger als 361 Leitz-Ordnern, 48 Foto-Alben und mit über 4.600 Einzelbildern der Nachwelt hinterlassen hatte.

Nach dem Tod Sepp Herbergers, der am 28. April 1977 nach einem Herzinfarkt verstorben war, ging der Nachlass zunächst an dessen Ehefrau Eva. Nach ihrem Tod am 27. April 1989 gingen die gesammelten Werke in den Besitz der Sepp-Herberger-Stiftung über. Das kinderlose Paar hatte zuvor viele Jahre lang in einem kleinen Haus in Hohensachsen, einem Stadtteil von Weinheim an der Bergstraße, gelebt.

“Seppl-Herberger-Stadion“

Josef Herberger war als sechstes und letztes Kind geboren worden und wuchs mit seinen älteren Geschwistern „im Waldhof“ auf. Der Vater, Josef senior (1856 bis 1909), stammt aus einer Familie mit Kleinbauern und Tagelöhnern aus dem badischen Wiesental, heute ein Stadtteil von Waghäusel. Dort hat der TSV Wiesental dem berühmten Sohn und Namensträger, der im kurpfälzischen Dialekt einfach „Seppl“ genannt wurde, mit dem “Seppl-Herberger-Stadion“ am „Seppl-Herberger-Ring“ ein Denkmal gesetzt.

Die Weltmeister von 1954 mit dem „Wunder von Bern“ und den Original-Unterschriften

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Die Weltmeister von 1954 mit dem „Wunder von Bern“ und den Original-Unterschriften

Schon kurz nach der Geburt des kleinen Seppl war die Familie 1887 nach Mannheim gezogen, wo es in der wachsenden Industrie Arbeit gab. Mit ihm ging seine damals zweite Frau Lina in die Neckarstadt. Die erste war 1882 bei der Geburt des zweiten Kindes verstorben. Lina Herberger, geborene Kretzler, stammte aus Hambrücken, dem kleinen Nachbarort von Wiesental. Was nicht im Buch steht, jedoch dem Autor dieser Zeilen, der die charismatische Persönlichkeit Sepp Herberger 1976 traf und auch in sein berühmtes Notizbuch schauen durfte, bekannt ist: Sepp Herberger erinnerte sich noch gut an die Kinderzeit, als er im nahen „Bächle“ - dem in den Rhein mündenden Wagbach – baden und den Geburtsort seiner Mutter besuchen durfte.

Über die Erziehungsmethoden seiner Eltern, „beides rechtschaffene Leute“ hatte Herberger in seinen Aufzeichnungen notiert: „Die bei mir als einzigem Sohn angewandte Erziehung war oft zu gut und nachsichtig, wo Härte und Strenge mehr am Platz gewesen wäre“. Schon früh hatte Seppl Herberger, der schnell schwimmen gelernt hatte, den Ballsport für sich entdeckt, obwohl der Vater „durchaus mokiert über das verrückte, gesundheitsschädigende und gefährliche Fußballspielen“ war, wie dem spannenden Lesewerk zu entnehmen ist.

Buchcover "Herberger über Herberger"

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Das Buch „Herberger über Herberger“, erschienen im abcVerlag.

1911 hatte Herberger die Volksschule abgeschlossen, war zunächst als Hilfsarbeiter unterwegs, 1916 zum Militär eingezogen worden und an der Westfront als Funker im Einsatz. Nach Kriegsende kehrte er in den Waldhof zurück, wo er mit dem aufstrebenden SV Waldhof-Mannheim Erfolge feierte und 1921 auch in die Nationalelf berufen wurde. Sein erstes Länderspiel absolvierte Herberger am 18. September 1921 beim 3:3 gegen Finnland.

Vom Spieler zum Trainer

Doch er wollte Trainer, Sportlehrer werden. Er wechselte zum VFR Mannheim, wo ein gewisser Otto Nerz, sein späterer Vorgesetzter als Reichstrainer, tätig war. Seine aktive Spielerlaufbahn hatte Herberger 1930 beendet und wurde von 1936 bis 1964 Reichs- bzw. Nationaltrainer. Der Rest ist Geschichte.

Die Fußball EM zieht wieder viele in ihren Bann.

Foto: TuiPhotoengineer / iStock / Getty Images Plus / gettyimages

"Der Ball ist rund", ist nur einer von Herbergers vielen Fußballweisheiten.

Neben DFB-Präsident Bernd Neuendorf, der in seinem Vorwort zum Buch anmerkt: „In Fußball-Deutschland ist und bleibt Sepp Herberger unvergessen. Seine Weisheiten sind zu einem Stück Kulturgut geworden“, hat auch „Kaiser“ und DFB-Ehrenspielführer Franz Beckenbauer einige Sätze beigesteuert und betont: „Herberger wird mir und vielen anderen Menschen auch in Zukunft ein Vorbild sein“. Und Dietmar Hopp, SAP-Mitbegründer und Fußballmäzen der TSG Hoffenheim, merkt im Vorwort an: „Welch prägende, weitblickende  und charismatische Persönlichkeit Sepp Herberger weit über die Arbeit als Fußballtrainer war“. Besonders habe ihm das Herberger-Leitmotiv „Wer oben ist, darf unten nicht vergessen“ gefallen und Hopp bekennt: „Dieser Überzeugung kann ich viel abgewinnen, sollte sie doch für all jene gelten, denen in ihrem Leben das Glück zuteil wurde, auf der Sonnenseite stehen zu dürfen“.

Audio: Interview mit Prof. Hiram Kümper

Und Herausgeber Hiram Kümper stellt fest: „Herberger hat sein gesamtes Leben dem Fußball gewidmet. Dies hat sich auch in seiner Hinterlassenschaft niedergeschlagen und darf zu den bedeutendsten Beständen der deutschen Sportgeschichte zählen“.

Video: Doku über Das Wunder von Bern

„Herberger über Herberger“, Herausgeber: Hiram Kümper, 335 Seiten, Hardcover, ISBN:978-3-93833-58-2, abcVerlag GmbH, Waldhofer Straße 19, 69123 Heidelberg, 24,90 Euro.