LOKALMATADOR.DE: Ganz kurz und knapp erklärt: Was ist Metropolink?
Pascal Baumgärtner: Metropolink startete 2015 als Festival für urbane Kunst. Das ist auch immer noch, mittlerweile acht Jahre und über 100 künstlerische Fassadengestaltungen später, das Herz des Konzepts. Allerdings hat Metropolink eine inhaltliche Erweiterung erfahren und steht nun auf drei Säulen.
Erstens, dem Metropolink-Festival für urbane Kunst in Heidelberg. Wände werden von lokalen bis internationalen Künstler*innen gestaltet. Nicht nur in Heidelberg, sondern auch in anderen Kommunen wie beispielsweise St-Leon-Rot, Walldorf, Schwäbisch Hall oder Heidelbergs Partnerstadt Montpellier.
Zweitens dem Metropolink-Festival in Patrick-Henry-Village. Hier kommen jährlich im Sommer alle Genres urbaner Kunst zusammen: Kunst, Musik, Food und Drinks bis hin zu tänzerischen oder anderen künstlerischen Interventionen. Sozusagen unser Jahreshighlight außerhalb und innerhalb der Commissary.
Und drittens der Metropolink's Commissary in Patrick-Henry-Village, Deutschlands größte Ausstellungshalle für Streetart und Graffiti. Das ganze Jahr über bespielen wir diesen inspirierenden Ort mit diversen Konzepten, von Ausstellungen bis zu Konzerten oder Clubabenden.
LM: Was macht den Reiz des Konzeptes für dich aus?
Baumgärtner: Der Reiz, eigentlich gibt es zahlreiche Reize, liegt im ständigen Kennenlernen neuer künstlerischer Strömungen, Menschen, Ideen, Konzepte und dann am Ende darin etwas Inspirierendes geschaffen zu haben.
LM: Erzähl mal: Wie kamst du auf die Idee, ein Festival für Streetart zu entwickeln?
Baumgärtner: 2014 bei einer Zwischennutzung in Heidelberg. Da kam die Frage des Heidelberger Oberbürgermeisters Dr. Eckart Würzner, warum die großen Gemälde in den Räumen nicht mal den Weg in den öffentlichen Raum der Stadt finden könnten? Daraufhin habe ich angefangen zu planen ...
LM: Inzwischen ist aus der Festivalidee ja, wie du eingangs erwähnt hast, ein ganzes Konzept gewachsen – wie hat sich das entwickelt?
Baumgärtner: Mit Zeit und Beständigkeit in der Arbeit. Und hier und da etwas Durchhaltevermögen ...
LM: Wenn du zurückblickst auf die letzten acht Jahre deiner und eurer Arbeit – was hat sich getan?
Baumgärtner: Ich glaube sehr viel. Die Menschen hier haben, zumindest so, wie ich mitbekomme, ein Bewusstsein dafür bekommen, wie wichtig und sinnvoll Kunst im öffentlichen Raum sein kann. Sicher, es gibt immer noch Zweifler*innen, das wird sich auch nicht ändern. Aber ich sowie das Team, haben von vielen Menschen Rückmeldungen bekommen, die sich in eine positive Richtung bewegen. Das freut einen natürlich.
LM: Barcelona, New York, Berlin, Hamburg – es gibt international und nationale Zentren der Streetart-Kultur. Heidelberg hatte man vor eurem Engagement (außerhalb des Undergrounds) noch nicht so auf dem Schirm, was das betrifft: Wieso hier?
Baumgärtner: Klar, Heidelberg ist keine Metropole, eine Stadt, die im Wesentlichen weder urban noch großstädtisch, dynamisch erschien. Darin lag und liegt der Reiz.
LM: Was bedeutet Heimat für dich?
Baumgärtner: Ganz klar: da wo meine Familie ist, da fühle ich mich zuhause, das ist meine Heimat. Es gibt aber auch immer ein Stückchen Heimat an Orten, die man lieben gelernt hat, wo man vielleicht nur für kurze Zeit war, die aber eine besondere Rolle im Leben spielen.
LM: Inzwischen ist auch betriebsbedingt Routine im Spiel in eurem Team. Ist der Pioniergeist der ersten Tage immer noch da?
Baumgärtner: Klar! Jede neue Fassade ist zunächst wie ein weißes Blatt. Neue Orte, Plätze, Straßenecken, Stadtteile: es ist jedes Mal aufs Neue zunächst viel Arbeit, dann spannend zu sehen, was daraus wird und am Ende ein künstlerisches Ergebnis, welches den jeweiligen Ort verändert. Diese immer wieder neu geschaffene Perspektive ist enorm erfrischend. Ganz im Sinne des Pioniergeists.
LM: In der Commissary auf Patrick Henry Village leistet Metropolink ja gerade auch wieder Pionierarbeit. Was sind hier die Herausforderungen?
Baumgärtner: Anfangs vor allem der öffentliche Nahverkehr, Infrastruktur und die Pandemie. Das kam alles zusammen und hat sehr viel Energie und Nerven gekostet. Mittlerweile haben wir einen ÖPNV, funktionierendes W-LAN, Notausgänge und Wasseranschlüsse, ja sogar eine offizielle Versammlungsstätte. Die Pandemie ist so weit durch und unser Nachbar, das Zentrale Impfzentrum, ist ausgezogen.
LM: Ein Anspruch des Metropolink-Konzepts war es ja auch, wie der Name sagt, urbane Kunst aus den großen Städten in die Kommunen und die Breite zu tragen. Was steckt dahinter?
Baumgärtner: Ich komme selbst aus einer kleineren Kommune. Allerdings muss ich sagen, eine Kommune mit einer offenen und lebensfrohen Einwohnerstruktur. Im Grunde haben wir es mit einem generellen Muster zu tun: Junge Menschen haben in kleineren Kommunen kaum bis wenig kulturelles Angebot und suchen sich eben dies in den größeren Städten im Umland. Was ja grundsätzlich absolut in Ordnung ist. Ich habe im Laufe der Jahre festgestellt, dass Kultur nicht nur den Auftrag hat, mit Veranstaltungen den Menschen einen schönen Abend zu bereiten. Es geht auch darum, und das haben wir während der letzten drei Jahre alle wahrnehmen müssen, Verbindungen zu schaffen, Kommunikation aufzubauen, einen Marktplatz zu schaffen, Dialoge aufzubauen.
Diese Auseinandersetzungen mit unseren Mitmenschen sind ein sehr wichtiges Grundprinzip der Demokratie, des Miteinanders. Finden diese für eine Zeit nicht statt, oder gibt es wenig Angebot, entstehen schnell im Hinterzimmer und ohne Reibung zusammengebaute Meinungen. Eine Entwicklung, welche wir als Gesellschaft in den letzten Jahren immer mehr gemerkt haben. Ich will die Kunst nicht größer machen als sie ist. Aber als Transmitter und Ventil für unbequeme Themen hat sie schon immer funktioniert.
LM: Wenn eine Kommune Kunst im öffentlichen Raum fördern möchte, hat sie da in euch einen Ansprechpartner?
Baumgärtner: Definitiv, ja.
LM: Im Sommer steht jetzt das 9. Metropolink Festival an. Kannst du schon einen kurzen Ausblick geben auf das, was uns erwartet?
Baumgärtner: Wir sind mitten in den Planungen. Ich kann noch nicht viel verraten, außer, dass wir wie immer ein grandioses Line-up haben. Es wird bunt!