Scheibenschlagen: Fastnachts-Tradition in Baden-Württemberg

"Schiibi, Schiibo! Wem söll die Schiibe goh?", tönt es durch die Nacht. Dann ziehen orange-rote Lichtspuren ihren leuchtenden Bogen über den klaren Nachthimmel im Bernauer Hochtal. Und den Menschen, die hier leben, ist klar: Nun wird wieder der Winter vertrieben. Sie verabschieden die kalte Jahreszeit und widmen die Scheiben geliebten Personen.

Gemeinsam feiern sie das "Schiebeschlooge" - das Scheibenschlagen, eine uralte Tradition: Dabei werden runde Holzscheiben mit langen Stäben von den Berghängen ins Tal befördert und hinterlassen dabei lange Leuchtspuren am Nachthimmel. Ein Spektakel, das jedes Jahr zahlreiche Menschen anzieht.

Männersache

Da der Brauch inzwischen so beliebt ist, werden die Lichtspiele am Winterhimmel zum geselligen Erlebnis. Bevor die Scheiben am Himmel glühen, müssen sie mit viel Schwung, Kraft und Können vom Scheibentisch geschleudert werden. Das ist hier den Männern vorbehalten - ab der 3. Klasse dürfen die Jungs an den Tisch. Mit teils jahrelange geübtem Schwung geht es ans Werk: Zuerst wird die Scheibe - meist aus Buchenholz - ins Feuer gehalten und zum Glühen gebracht, dann auf einem Loch in der Mitte auf den Stab gespießt und dann in Bewegung gebracht. Saß der Schlag, schnellt das Diskus-ähnliche Geschoss vom 1052 Meter hohen Scheibenfelsen über dem Ortsteil Dorf weit ins Hochtal hinaus, dreht sich funkensprühend, bevor es verglimmt. Das ist beeindruckender als manches Feuerwerk.

Weit verbreitet 

Wer die Lichter einmal live bewundern will, hat im Bernauer Hochtal während der gesamten Fastnachtswoche Zeit dazu. Nur an Aschermittwoch sind keine Lichtspuren am Nachthimmel zu sehen. Insgesamt bis zu acht Scheibenfeuer veranstaltet die Gemeinde. Damit bildet das Bernauer Scheibenschlagen in dieser Hinsicht eine Ausnahme, denn in anderen Orten fliegen an nur einem Abend im Jahr Scheiben durch die Luft.

Traditionsreich

Der alemannische Brauch ist dabei nicht nur spektakulär zu betrachten, sondern hat auch eine lange zurückreichende Tradition. Auf rund 1000 Jahre, so wird vermutet, datieren die ersten Zeugnisse: So soll am 21. März 1090 eine brennende Scheibe ein Nebengebäude des Klosters Lorsch in Brand gesetzt haben, wie es in einer Urkunde heißt. Ausrichter sind heute meist Vereine, Zünfte, Pfadfinder oder die Freiwilligen Feuerwehren, im Alemannischen zum Teil traditionell auch die Konfirmanden.

Fastnachtsbrauch

Traditionell wird durch dieses Brauchtum als Teil der Bauernfastnacht zwischen dem Fastnachtssonntag und dem ersten Samstag nach Aschermittwoch der Anfang der Fastenzeit gefeiert. Auch in anderen Regionen Baden-Württembergs ist der Lichterbrauch überaus beliebt. Besonders verbreitet ist er im südlichen Schwarzwald, dem Breisgau und im Markgräflerland. In Rammersweier und Zell-Weierbach im Ortenaukreis wird das Scheibenschlagen am Fastnachtssonntag austragen. Früher zogen hier die Schelmen los und versuchten, den Scheiterhaufen der anderen Gemeinde vorzeitig zu entzünden. Da war Nachtwache angesagt.

In Eschbach im Dreisamtal brennt das Fastnachtsfeuer in der Fastenzeit, gehütet wird es dort von einem gewählten „Scheibenvater“, die Scheiben dürfen nur unverheiratete Männer („Junggesellen“) des Dorfs ab 18 Jahren schlagen. Und im Elztal im Schwarzwald und den angrenzenden Seitentälern findet das Scheibenschlagen traditionell am Sonntag Laetare, dem vierten Fastensonntag, statt. Der nördlichste Ort, an dem das Scheibenschlagen noch heute aktiv betrieben wird, ist der Kämpfelbacher Ortsteil Ersingen in Nordbaden.