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Ein Ort der Geschichte…

Apothekenmuseum – Stadtapotheke Wiesloch

Gebäude der Stadtapotheke Wiesloch

Dr. Adolf Suchy

Die historische Stadt-Apotheke in Wiesloch wurde im Jahre 1858 erbaut und eingerichtet.

Erleben Sie den Zauber lebendiger Vergangenheit.

Die historische Stadt-Apotheke mit ihrer originalen Einrichtung war von 1858 bis 1966 in Betrieb. Danach wurde die Apotheke in das zugehörige Wohngebäude verlagert und die Zeit in diesem historischen Kleinod angehalten.

Zum Wieslocher Stadtfest (Anfang Juli) und während des Wieslocher Weihnachtsmarktes (Anfang Dezember) hat die historische Stadt-Apotheke für Sie geöffnet. Dann können Sie nicht nur schauen und staunen, sondern auch viele schöne Sachen kaufen, die gut zur großen Apotheken-Tradition passen.

Darüber hinaus eignet sich der Verkaufsraum der Historischen Stadt-Apotheke Wiesloch vorzüglich für Gruppen-Veranstaltungen der besonderen Art (bis ca. 20 Personen).

Dabei erfahren Sie während einer oder zwei Stunden eine Menge über:

  • die Geschichte der Stadt-Apotheke,
  • die Geschichte der Pharmazie,
  • Johann Philipp Bronner und den Weinbau,
  • die Fahrt der Bertha Benz und das Automobil,
  • Tankstellen und die Mineralölwirtschaft.

Die Vertiefung in Themen-Schwerpunkte ist jederzeit möglich. Natürlich lässt sich für diese Zeit auch eine kleine Stärkung organisieren. 

Blick in die Stadtapotheke

Dr. Adolf Suchy

Die historische Stadt-Apotheke mit ihrer originalen Einrichtung war von 1858 bis 1966 in Betrieb. Danach wurde die Apotheke in das zugehörige Wohngebäude verlagert und die Zeit in diesem historischen Kleinod angehalten.

Bertha Benz und die erste Fernfahrt mit einem Automobil

30 Jahre nach ihrer Errichtung an der heutigen Stelle war die Stadt-Apotheke wieder an einem epochalen Ereignis beteiligt. Sie war dann jedoch nicht mehr in Bronnerschen Händen, sondern gehörte nun dem Apotheker Willi Ockel.

„Es war in den ersten Tagen des August 1888, zu Beginn der Schulferien …“, so beginnen die Schilderungen dieser automobilen Pioniertat. Die Ehefrau des Automobil-Erfinders, Bertha Benz (39), war mit ihren beiden Söhnen Richard (13) und Eugen (15) unterwegs von Mannheim nach Pforzheim zu ihrer Mutter, wo sie die Ferien verbringen wollten.

Ohne Wissen und Zustimmung ihres Ehemannes Carl, hatte sie die 120 km lange Reise nicht wie gewöhnlich per Bahn angetreten, sondern mit dem dreirädrigen Benz Patent-Motorwagen „Modell 3“. Dies war zweifelsohne eine couragierte Großtat, welche man in Anbetracht der damaligen Umstände und Straßenverhältnisse gar nicht genug würdigen kann.

Dass dabei nicht alles glattgelaufen ist, versteht sich von selbst.

So kam es, dass am frühen Morgen kurz vor Wiesloch der Treibstoff ausgegangen ist und man in der Stadt-Apotheke nach Ligroin fragen musste.

Dieses auch als Fleckenwasser verwendete Lösungsmittel war natürlich nicht in den nachgefragten Mengen verfügbar, aber es reichte, um das Fahrzeug aus einer neuen Epoche wieder flottzumachen – bis zur nächsten Apotheke.

Durch diese bemerkenswerte Kundschaft wurde die Stadt-Apotheke in Wiesloch zur ersten Tankstelle der Welt und Apotheker W. Ockel zum ersten Tankwart.

Die technischen Probleme, wie z. B. durchgescheuertes Zündkabel oder verstopfte Kraftstoffleitungen, konnten von den findigen Pionieren selbst behoben werden.

Die abgefahrenen Bremsbeläge aus Leder wurden beim Schuster in dem Dorf Bauschlott repariert.

Ein ständiges, aber relativ leicht zu lösendes Problem, war die Versorgung mit Kühlwasser.

Durch Bertha Benz selbst ist bestätigt, dass diese Fernfahrt ihrem Namen gerecht wurde, vor allem wegen der technischen Probleme, die es zu überwinden galt.

Erste Tankstelle der Welt

Zur Erinnerung an diese Begebenheit ist die Stadt-Apotheke Wiesloch als erste Tankstelle in die Geschichte eingegangen.

In einer Plastik des Wieslocher Künstlers Pit Elsasser, direkt gegenüber der historischen Apotheke, wird diese Zeitenwende anschaulich und dynamisch dargestellt.

Wiesloch liegt heute an der Bertha Benz Memorial Route. Zwangsläufig entwickelte sich die Apotheke zum beliebten „Wallfahrtsort“ für Oldtimer-Ausfahrten.

So wurde die „Bertha-Benz-Fahrt“ 1988 anlässlich des 100. Jubiläums als Periodikum etabliert. Sie findet üblicherweise am ersten August-Wochenende statt.

Die Strecke führt von Mannheim – Ladenburg – Heidelberg – Wiesloch – Bruchsal – Wilferdingen nach Pforzheim.

Die Route der Rückfahrt verläuft über Bauschlott – Gondelsheim – Bruchsal – Forst nach Mannheim. Sie wird für Fahrzeuge der Baujahre bis 1930 bzw. 1940 ausgeschrieben.

Es ist eine Ironie der Geschichte, dass die erste Tankstelle der Welt heute in einer Fußgängerzone liegt und dass für die automobile Gesellschaft bereits die Grenzen des Wachstums erkennbar werden.

Dass dieser Zustand nach gerade mal 120 Jahren erreicht sein würde, hätten die drei Ausreißer von 1888 sicherlich nicht für möglich gehalten. 

Im Video: Firmenporträt der Stadt-Apotheke Wiesloch

Die Geschichte der Stadt-Apotheke zu Wiesloch

Das früheste erhaltene Firmen-Dokument ist das kurfürstliche Privileg aus dem Jahre 1735. Aus ihm geht hervor, dass die Stadt-Apotheke ein privates Eigentum des Apothekers Tholläus darstellt, im Gegensatz zu den üblichen fürstlichen Lehen auf Zeit.

Es ist aber auch bekannt, dass es schon vorher eine Apotheke in Wiesloch gegeben hat, die jedoch vom Vorbesitzer Hofmann wegen anderer ökonomischer Interessen vernachlässigt worden war.

Im Laufe der über 250-jährigen Firmengeschichte wechselte der Standort der Apotheke mehrfach um den Kirchplatz herum.

Die heutige „historische“ Stadt-Apotheke wurde im Jahre 1858 anlässlich der Geschäftsübergabe an Johann Ph. Bronners Sohn Georg Philipp erbaut und eingerichtet und war dann 107 Jahre bis 1965 in Betrieb. Danach wurde sie in das direkt angrenzende Nebengebäude verlagert, was einen ebenerdigen Zugang ermöglichte.

Die schöne Freitreppe erwies sich nämlich in den 1960er Jahren immer mehr als Zugangshindernis, welches beinahe den Fortbestand des Unternehmens gefährdet hätte.

Dieses muss man aus heutiger Sicht eher als Glücksfall betrachten, denn sonst wäre die weitgehend originale Einrichtung sicherlich verloren gegangen.

Von Beginn an sind uns alle Apothekenbesitzer namentlich bekannt und auch die Zeit ihres Wirkens.

Es ist jedoch merkwürdig, dass diese Apotheke nur bis auf wenige Ausnahmen nicht in der Erbfolge weitergegeben worden ist, obgleich dies für eine privilegierte Apotheke nach altem Recht möglich gewesen wäre.

Die historische Apotheke könnte auch heute noch als Verkaufsraum verwendet werden, doch ist der Zugang aus praktischen Erwägungen (steile Treppe) und auch aus Gründen der Schonung des originalen Materials (die Außentreppe und die Bodenfliesen aus Solnhofener Kalkschiefer) nicht mehr ratsam.

Zur Zeit des Wieslocher Weihnachtsmarktes ist sie aber zur Besichtigung geöffnet und dient dabei auch dem Verkauf von UNICEF Weihnachtsgrußkarten.

Im Jahre 1985 wurden anlässlich des 250. Firmenjubiläums Veränderungen an der Einrichtung rückgängig gemacht, welche mit der Verbreitung der Fertigarzneimittel in den 30er Jahren vorgenommen worden waren.

Da Arzneimittel dem direkten Zugriff der Kundschaft entzogen sein mussten und die Dosen in den Regalen immer weniger gebraucht wurden, hatte man vor die Regale Glasscheiben gesetzt, was aber dem Gesamteindruck des historischen Raumes nicht zuträglich war.

Johann Philipp Bronner und der Weinbau

Im Jahre 1816 kam ein umtriebiger Apotheker nach seinen Lehr- und Wanderjahren nach Wiesloch und heiratete in die Stadt-Apotheke von Apotheker Märklin ein: Johann Philipp Bronner.

Er wurde 1792 in Neckargemünd geboren, wo sein Vater die dortige Apotheke führte.

Seine vielfältigen Kenntnisse über Natur und Umwelt und sein Studium der Pharmazie befähigten ihn, den Weinbauern in Wiesloch mit Rat und Tat zu helfen. Bald machten ihn seine diesbezüglichen Reisen und Studien weit über seine Heimatstadt hinaus bekannt und berühmt.

Sein Interesse galt nicht nur der Arbeit im Weinberg, sondern auch den geologischen, mineralogischen, klimatischen und technischen Einflüssen und deren Rückwirkung auf die angepflanzten Rebsorten.

Aber auch die Kellerwirtschaft war sein Anliegen sowie die Bereitung von Sekt. („Was in der Champagne möglich ist, muss auch hierzulande gelingen! Klima und Böden sind einander ähnlich.“).

Er sammelte fremde Erfahrungen, vereinigte sie mit eigenen Anschauungen und verbreitete sie in den Zeitschriften der landwirtschaftlichen Gesellschaften. Dies fand wiederum großen Anklang bei den fürstlichen Landesherren.

Der badische Markgraf war mehrmals zu Besuch bei J. Ph. Bronner in Wiesloch.

Über sein Familienleben wissen wir wenig. Aus zwei Ehen (G. Märklin und E. Heddäus) gingen jeweils vier Kinder hervor. Seine erste Frau ist vermutlich im Kindbett verstorben.

Als weltoffene, weit gereiste Persönlichkeit war ihm sicherlich eine liberale Gesinnung eigen. So verwundert es eigentlich nicht, dass sein Sohn Eduard wegen Mitwirkung an studentischem Aufruhr in Heidelberg im Zusammenhang mit der 1848er-Revolution fliehen musste.

Er wurde ein angesehener Augenarzt in England, mit sozialem Engagement.

Ob die relativ kurze Zeit von 10 Jahren, welche Georg Philipp Bronner die Apotheke besaß, ebenfalls mit den Revolutions-Ereignissen im Zusammenhang steht, ist zu vermuten.

Auch sein Bruder Carl wurde wegen republikanischer Umtriebe verhaftet.

J. Ph. Bronner selbst wurde als generalverdächtiger „Honoratior“ ebenfalls verhaftet und nach Kislau gebracht. Er kam erst durch Fürbitte seiner Tochter Lina beim Großherzog von Baden wieder frei.

Als während der Niederschlagung der Revolution preußische Truppen Wiesloch besetzten, wurde der Bronner‘sche Weinkeller durch Georg Philipp mit den Worten verteidigt: „Ihr könnt trinken, soviel ihr wollt, aber in den Keller dürft ihr nicht!“

Als J. Ph. Bronner im Jahre 1858 in den Ruhestand trat, richtete er für seinen Sohn Georg Philipp die heutige historische Stadt-Apotheke ein. Sie befand sich vorher im Bronnerschen Wohnhaus gegenüber (heute Bücher-Dörner).

J. Ph. Bronner gilt als der größte deutsche Weinbaupionier der ersten Hälfte des 19. Jh., in einer Zeit also, als die naturwissenschaftlichen Grundlagen der alkoholischen Gärung, der Düngung und des Pflanzenschutzes noch weitgehend unbekannt waren.

Nach J. Ph. Bronners Tod im Jahre 1864 führte sein Sohn Carl die Rebschule weiter.

Aus dem Jahr 1877 stammt dessen „Classification der Traubenvarietäten“, die dieser im Auftrag einer internationalen ampelografischen Kommission zusammengestellt hat.

Reihen Sie sich ein in die Liste der Besucher, die das Ungewöhnliche suchen; die auf unterhaltsame Weise in die Kultur- und Wissenschaftsgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts eintauchen wollen.

Am Wirkungsort von Johann Philipp Bronner, der den Weinbau auf wissenschaftliche Grundlagen stellte, ist die Vertiefung in seine Erkenntnisse von besonderem Reiz. Dies umso mehr, wenn man diese Studien mit den Produkten unserer Tage garniert.

Automobile, Oldtimer- oder Marken-Clubs schauen gern an der 1. Tankstelle der Welt vorbei. Sie sind regelmäßig verblüfft über die Fülle der dargebotenen Automobil- und Tankstellengeschichte.

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