Die Hofdomäne Burgholzhof
1829 kaufte der Cannstatter Adlerwirt Weisser große Flächen auf dem Wolfersberg und baute in den folgenden Jahren ein landwirtschaftliches Gut auf, das sein Schwiegersohn Zeltmann nach dessen Tod übernahm. 1837 erhielt es den Namen „Burgholzhof“. Der Gewannname „Burgholz“ geht möglicherweise auf einen ehemals zur Altenburg gehörenden Wald zurück.
1852 wurde das Gut von der königlichen Hofdomänenkammer erworben, die es an die Familie Aldinger aus Endersbach verpachtete, welche es 82 Jahre lang bewirtschaftete Das Gut maß 1895 84 ha. Der Schwerpunkt lag auf Milchwirtschaft. Nach der Erteilung einer Schankkonzession 1869 entwickelte es sich zu einem beliebten Ausflugsziel.
Video: Impressionen des Burgholzhofturms
Der Bau des Burgholzhofturms
Bereits ein Jahr nach der Gründung des Verschönerungsvereins Cannstatt im Jahr 1881 tauchte der Gedanke an den Bau eines Aussichtsturmes auf dem Burgholzhof auf und man begann mit dem Ansparen der notwendigen Mittel.
Die veranschlagten Kosten in Höhe von 12.000 Mark sowie 800 Mark für die Grünanlagen wurden zum Teil durch die Ausgabe von unverzinslichen Anteilsscheinen, die innerhalb von fünf Jahren zurückbezahlt wurden, zum Teil durch Spenden bestritten.
Zu den bekannten Spendern gehörten die Familie Aldinger, der Industrielle und Erfinder Gottlieb Daimler sowie der württembergische Kronprinz, der spätere König Wilhelm II.
Die notwendigen Grundstücke wurden von König Karl von Württemberg und der Stadt Cannstatt unentgeltlich zur Verfügung gestellt.
Mit der Bauplanung wurde Oberamtsbaumeister Friedrich Keppler (Schriftführer des VV) beauftragt, dessen Entwurf „in der Form eines altertümlichen Kastells am Rande des Bergabhangs gegen die Stadt Cannstatt“ den Beifall des Vereins fand.
Die Grundsteinlegung fand am 25. Mai 1891 statt. In den Grundstein wurde eine Blechkapsel mit einer Urkunde über den Bau des Turms, einige Münzen, einige Fläschchen mit Wein und Getreidekörnern, vier Zeitungen (Grundstein Kanne mit vier Zeitungen: Cannstatter Zeitung, Der Wahre Jakob, Vorwärts, Schwäbische Tagwacht) und Blumen gelegt.
Um den Turm schlanker und damit schöner erscheinen zu lassen, wurde er entgegen der ursprünglichen Planung noch während des Baus um anderthalb Meter auf eine Gesamthöhe von 27 m gebracht.
Der Unterbau des Turms ist bis zur ersten Plattform aus Travertin gemauert, der Turm selbst besteht aus Backsteingemäuer; die Ecken sind mit Travertin eingefasst. Die Plattformen im Turminneren bestehen aus Eisengebälk mit Betonausfüllung. Der Turmaufsatz ist größtenteils aus Eichenholz gefertigt und mit Schiefer gedeckt. Auf der Plattform ist eine Überdachung aus Holz mit aufgesetzter sogenannter Laterne angebracht.
Die Höhe des Turms bis zur obersten Plattform beträgt 18,7 Meter und ist über eine Treppe mit 100 Stufen zu erreichen. Die ganze Höhe des Turmes bis zur Dachspitze beträgt 27 Meter.
Ende August 1891 war der Bau vollendet, die festliche Einweihung fand am 19. September 1891 statt und der Turm wurde gegen ein Eintrittsgeld der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.
Bereits 1903 wurde das Holzgeländer der unteren Terrasse, das durch die Witterung gelitten hatte, durch eine Travertinbrüstung mit Zinnen ersetzt. (Bericht über Einweihung) Kronprinz Wilhelm von Württemberg war eingeladen, befand sich aber auf der Jagd in Entringen im Schönbuch und war persönlich nicht anwesend.
(Inschrift im Innern: „Unternehmer der Maurerarbeit E. Rapp in Cannstatt, Vorarbeiter G. Kreß, Maurer A. Bauer, K. Dechsle, W. Wendel, A. Bissinger, J. Rößle, G. Metzger“)
Video: Bernd-Marcel Löffler mit einem Gedicht über den Turm
Burgholzhof zur Flandernkaserne
1927 wurde ein großer Teil des Burgholzhofs Exerzierplatz und Übungsplatz für die Reiterkaserne (heute Römerkastell).
Im Zuge der Aufrüstung im Dritten Reich wurde 1934 mit dem Bau der Flandernkaserne begonnen.
Der Gutshof wurde größtenteils abgebrochen und die Ausflugsgaststätte zum Offizierskasino umgebaut.
Nach dem 2. Weltkrieg wurde die Flandernkaserne als Teil der Robinson Barracks vom US-Militär übernommen.
Nach dem Abriss der Kaserne entstand zwischen 1996 und 2006 der neue Stadtteil Burgholzhof. Familie Aldinger baute in den 30er Jahren Wohnhaus in den Weinbergen, das im Krieg schwer beschädigt wurde.
1950 wurde die Errichtung eines Aussichtsrestaurants oberhalb des wiederaufgebauten Wohnhauses genehmigt und etwa 10 Jahre von der Familie Adlinger betrieben. Später andere Pächter, das heutige „Aussichtsreich“.
Video: Impressionen des Burgholzhofturms
Die Renovierung des Burgholzhofturms
Bei der Zwangsauflösung des Verschönerungsvereins 1937 durch die Nationalsozialisten wurde der Turm der Stadt Stuttgart übergeben.
Als Pächter fungierte seit ca. 1933 Carl Assenheimer (und Frau), ehem. Oberkellner bei Aldingers (bis ca. 1941, verkaufte Postkarten, Spielzeug, es gab Nichtalkoholisches und Most (vom Jägerhof) zum Ausschank.
Im 2. Weltkrieg wurde der Turm eine Zeitlang als Beobachtungsposten gegen anfliegende alliierte Bomber benutzt, dann wich man auf einen Turm auf dem Gelände des Turnvereins Cannstatt aus.
Im Gegensatz zum Hasenbergturm und Degerlocher Turm, die 1943 als vermeintliche Orientierungspunkte für Fliegerangriffe gesprengt wurden, hat der Burgholzhofturm den Krieg unversehrt überstanden.
Seit Mitte der 1960er Jahren blieb der Turm dauerhaft geschlossen (bis auf Ausnahmen, manchmal Schulklassen oder Vereine), da er modernen Sicherheitsstandards nicht mehr entsprachen und es keine Mittel für den Betrieb gab.
Mitte der 70er Jahre erste Bemühungen
1984 setzte sich der Verein Pro Alt-Cannstatt für eine Renovierung ein. Roland Schmid (Bezirksbeirat CDU) eine Bauuntersuchung zeigte, dass sich der Turm in einem überraschend guten Zustand befand. In einer publikumswirksamen Aktion (Otto Mayer vom Jägerhof, Wilhelm Bauer, Roland Schmid) wurde von Vereinsmitgliedern fast 5 Zentner Taubenmist, die sich auf der Turmplattform befanden, in 2-Kilo-Beutel abgefüllt und zugunsten der Turmsanierung (Maimarkt) verkauft.
Die Cannstatter Vereine verpflichteten sich 10.000 DM zu sammeln, während der Gemeinderat die restlichen Kosten übernahm. Insgesamt kostete die Renovierung 312.000 DM.
Am 23. August 1987 wurde der Burgholzhofturm wieder der Öffentlichkeit übergeben.
Der 2000 gegründete Förderverein Burgholzhofturm e.V. hat es sich zur Aufgabe gemacht, den Turm zu unterhalten und ihn an den Wochenenden von Mai bis Oktober zugänglich zu machen.
Cannstatter und Stuttgarter Vereine bewirtschaften den Turm samstags zwischen 11.00 bis 18.00 Uhr und sonntags zwischen 10 und 18 Uhr und halten ihn damit für die Allgemeinheit geöffnet.