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Preisverleihung

Heidelberger Hilde-Domin-Preis geht an Bachtyar Ali

Der Schriftsteller Bachtyar Ali erhielt den Hilde-Domin-Preis für Literatur im Exil 2023 am 12. März im Heidelberger Rathaus aus den Händen von Bürgermeisterin Martina Pfister.

Foto: Konrad Gös

Der Schriftsteller Bachtyar Ali erhielt den Hilde-Domin-Preis für Literatur im Exil 2023 am 12. März im Heidelberger Rathaus aus den Händen von Bürgermeisterin Martina Pfister.

Der mit 15.000 Euro dotierte Hilde-Domin-Preis für Literatur im Exil 2023 der Stadt Heidelberg geht an den 1966 in der autonomen Region Kurdistan im Irak geborenen Autor Bachtyar Ali. Bürgermeisterin Martina Pfister überreichte den Preis am 12. März im Heidelberger Rathaus.

Die mit 15.000 Euro dotierte Auszeichnung wird alle drei Jahre an Literaturschaffende vergeben, die im Exil in Deutschland leben oder als Nachkommen mit diesem Thema in Berührung kamen, sich literarisch damit auseinandersetzten und in deutscher Sprache publizieren.

Zeichen der Humanität

Die Jury erklärte in ihrer Begründung: „In einer Welt der Krisen und Kriege setzt Bachtyar Ali mit seiner Literatur Zeichen der Humanität. Sein Werk und seine Biographie sind geprägt vom Krieg im irakischen Kurdistan. Als sprachmächtiger, fabelhafter Erzähler verwandelt er die Gewalt und das tausendfache Morden in politische Parabeln, in bildstarke Märchen, in Weltliteratur voller Magie, ohne das Grauen des Krieges zu verharmlosen oder gar zu verschweigen. Seine Romane sind ein Epitaph für die Opfer, eine große Erzählung von Freundschaft, Verrat und Leid, von der Suche nach Wahrheit, Aussöhnung ohne Vergeltung und vom Überleben mit und durch Geschichten.“

Unabdingbarer Baustein

„Der Hilde-Domin-Preis ist ein unabdingbarer Baustein der Literaturförderung in der weltweit vernetzten UNESCO-Literaturstadt Heidelberg“, sagte Kulturbürgermeisterin Martina Pfister bei der Preisverleihung und dankte Ali für sein schriftstellerisches Engagement und seinen Mut: „In Deutschland und damit im Exil leben Sie bereits seit Mitte der Neunzigerjahre. Hier entstanden jene Werke, die Sie auch in Deutschland bekannt gemacht haben. Werke, in denen Sie die Poesie nie an die Politik verraten haben. Und in denen Sie dennoch Einspruch erheben gegen die Zumutungen des Exils und der politischen Repressionen, die dem Exil so oft vorausgehen.“

Im Exil

Ali, geboren 1966 in Sulaimaniya in der autonomen Region Kurdistan im Irak, lebt seit Mitte der 1990er Jahre im deutschen Exil. In seiner Heimat erschienen seine Romane in den Verlagen Ranj und Andesha und wurden Bestseller. 2005 kürte das Bildungsministerium des autonomen irakischen Kurdistans den Roman „Die Stadt der weißen Musiker“ zum besten Buch des Jahres. 2009 erhielt er als erster den HARDI-Literaturpreis, der zum größten Kulturfestival im kurdischen Teil des Irak gehört. 2014 wurde er mit dem damals neuen Sherko Bekas-Literaturpreis ausgezeichnet, 2017 mit dem Nelly-Sachs-Preis der Stadt Dortmund. Der Züricher Unionsverlag publiziert seine Bücher auf Deutsch, in der Übersetzung von Uta Cantera-Lang und Rawesh Salim.

Bachtyar Ali

udoweier - CC-BY SA 4.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/deed.de)

Der kurdische Autor Bachtyar Ali auf der Frankfurter Buchmesse 2017.

Laudatio

Der Erzähler, Übersetzer und Kulturjournalist Stefan Weidner beschrieb Bachtyar Ali in seiner Laudatio als einen Autor, dessen Werk und Existenz für seine deutschen Leserinnen und Leser ein Geschenk und Bereicherung zugleich sei: „Eine solche, auf den ersten, oberflächlichen Blick ‚fremde‘ Literatur ist nicht nur ein Schutz vor dem Verlust von Welthaltigkeit und vor emotionaler Verkümmerung; sondern auch vor Ideologie und Mainstreaming, Anpassung und Gleichschaltung. Dieser Aspekt in Bachtyar Alis Werk entspricht einem Anliegen auch von Hilde Domin. Auch sie würde sagen: Damit der Mensch sich gegen Ideologie, gegen Propaganda, gegen Manipulation durch die Macht, durch missbrauchte, verdrehte, manipulierte Sprache und schließlich durch soziale Zwänge wehren kann, braucht er die Literatur, braucht er die emotionale und intellektuelle Erweiterung und Freiheit, die Literatur bieten kann“, so Weidner.

Bücher von Bachtyar Ali auf kaufinBW

„Literatur im Exil“

Der Preis „Literatur im Exil“ wurde 1992 von der Stadt Heidelberg anlässlich des 80. Geburtstages der Ehrenbürgerin und ersten Preisträgerin Hilde Domin gestiftet. Seitdem wird die Auszeichnung alle drei Jahre an Schriftstellerinnen und Schriftsteller vergeben, die im Exil in Deutschland leben oder als Nachkommen mit diesem Thema in Berührung kamen, sich literarisch damit auseinandersetzten und in deutscher Sprache publizieren. Die Vergabe kann entweder für eine Einzelleistung oder in Anerkennung des Gesamtwerkes erfolgen. Bei ins Deutsche übersetzten Werken kann der Übersetzer oder die Übersetzerin nach Ermessen der Jury bis zu einem Drittel am Preis beteiligt werden. Der Preis ist dotiert mit 15.000 Euro. Zu Ehren Hilde Domins wurde der Preis nach ihrem Tod im Februar 2006 in „Hilde-Domin-Preis für Literatur im Exil“ umbenannt.

Mitglieder der Jury sind Prof. Dr. Doerte Bischoff (Germanistin und Leiterin der Walter A. Berendsohn Forschungsstelle für deutsche Exilliteratur; Universität Hamburg), Gregor Dotzauer (Literaturkritiker, Essayist, Literaturredakteur beim Berliner „Tagessspiegel“), Marie-Luise Knott (Journalistin, Übersetzerin, Kritikerin, Herausgeberin und Essayistin), Prof. Dr. Kerstin Schoor (Literatur- und Kulturwissenschaftlerin, Inhaberin der Axel Springer-Stiftungsprofessur für deutsch-jüdische Literatur- und Kulturgeschichte, Exil und Migration an der Kulturwissenschaftlichen Fakultät der Europa-Universität Viadrina, Frankfurt/Oder) und Cornelia Zetzsche (Literaturkritikerin, Kuratorin, Moderatorin, Kulturjournalistin).

Bisherige Preisträger

Neben Hilde Domin erhielten den Preis bisher der in Teheran geborene Autor SAID, der in Leningrad geborene Boris Chasanow und dessen Übersetzerin Annelore Nitschke, der Bosnier Stevan Tontic, der Algerier Hamid Skif, der Deutsch-Iraker Sherko Fatah, der in Leningrad geborene Autor Oleg Jurjew sowie der in Bagdad geborene Autor Abbas Khider, der 2018 verstorbene deutsche Schriftsteller Edgar Hilsenrath sowie Natascha Wodin.

Weitere Informationen zu den Literaturpreisen der Stadt Heidelberg hier.