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50-jähriges Jubiläum gefeiert

Mitgliederversammlung beim Gemeindetag Baden-Württemberg

Steffen Jäger, Präsident des Gemeindetags Baden-Württemberg

Gemeindetag BW

Steffen Jäger, Präsident des Gemeindetags Baden-Württemberg, sparte anlässlich der Versammlung der Mitglieder nicht an Kritik an den politischen Zuständen.

Es war ein feierlicher Anlass, zu dem sich in Villingen-Schwenningen am gestrigen Donnerstag (26.10.) die Spitzen der Kommunen, (Ober-)Bürgermeisterinnen und -Bürgermeister und Ministerpräsident Winfried Kretschmann, Vize und Innenminister Thomas Strobl sowie zahlreiche Gäste eingefunden hatten: Vor 50 Jahren hatten sich die badischen und württembergischen Städte und Gemeinden zu einem gemeinsamen Kommunalverband zusammengeschlossen.

Grund zur Freude eigentlich über das Jubiläum und das Bestehen eines starken Gremiums und Interessenverbands. Doch, und das war der Tenor des Tages: Die Herausforderungen, vor denen Bürgermeister und Kommunen tagtäglich stehen, sind so hoch wie nie.

Rundumschlag

Dementsprechend wurde auch an Kritik seitens der Kommunen am Staat nicht gespart: Gemeindetags-Präsident Steffen Jäger nutzte das Podium von knapp 700 Kommunalvertreterinnen und -vertreter für einen Rundumschlag und ging hart mit Bundes- und Landesregierung ins Gericht, immer wieder begleitet vom Zwischenapplaus der Anwesenden und am Ende mit stehenden Ovationen. Die Summe der staatlichen Leistungsversprechen übersteige die staatliche Leistungsfähigkeit, so Jäger. Diese sei mit Blick auf die Realität „begrenzt“ so der Gemeindetags-Chef. Das Problem: Immer mehr Menschen zweifelten an der Demokratie, weil die Politik ihre Versprechungen nicht halte. Es bedürfe einer politischen Kultur, in der Leistung und Versprechen Hand in Hand gingen. „Auch die Menschen spüren, dass unser Staat zunehmend an seine Grenzen kommt“, so Jäger.

50 Jahre Gemeindetag BW - Feierlaune will nicht aufkommen

Bürger in der Pflicht

Umgekehrt nahm Jäger auch Bürgerinnen und Bürger in die Pflicht: Diese müssten angesichts der zahlreichen Krisen ihre Ansprüche überdenken. Mehr Eigenverantwortung, mehr Leistungsbereitschaft statt Vollkasko-Mentalität, so die Devise Jägers. Andernfalls, so seine Einschätzung, sei „das Gelingen dieses Staates zunehmend gefährdet.“

Probleme, wie die aktuelle Flüchtlingssituation, aber auch in der Kinderbetreuung müssten beim Namen genannt und als Teil der Lebensrealität der Menschen vor Ort ernst genommen werden. Er sehe „die Grenzen des Machbaren vielerorts bereits überschritten“. Kürzungen in der aktuellen Lage gingen „weit an der Realität der Städte und Gemeinden vorbei“ und hätten eine Stärkung der Extreme zur Folge, so Jäger.

Einheit gefordert

Alles in allem durchaus starker Tobak für Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne), der in seiner Rede dennoch auf Einheit pochte. Ihm sei, so Kretschmann, die angespannte Situation in den Kommunen bewusst. Man müsse nun das zuletzt verlorene Vertrauen zurückgewinnen. „Vor allem aber braucht es begründete Zuversicht“, so der Landesvater.

Nach Kretschmann erfahren Städte, Gemeinde und Kreise mit rund einem Viertel des Landeshaushaltes seitens des Landes finanziell starke Unterstützung. Auch die Initiative zur Entbürokratisierung sehe er als einen wichtigen Aspekt: „Wir müssen schauen, dass wir das gemeinsam hinbekommen.“ Aus seiner Sicht gelte das auch in der Migrationsfrage. Hier müsse man entschlossener handeln. „Wir brauchen einen breiten Grundkonsens der Mitte“, so der Landesvater, eine der Stellen, an denen das Publikum auch ihn mit Beifall bedachte.

Beim anschließenden Kuchenanschnitt im Foyer waren dann vergangene Animositäten zwischen Kommunalvertretern und Landespolitik weitestgehend ad Acta gelegt und es kam dann doch etwas Feierstimmung auf. Schließlich, und das hatte Kretschmann in seiner Rede auch betont, sei die kommunale Selbstverwaltung in Baden-Württemberg „ein großer Schatz“.

Den Tag begleitete ein umfassendes Rahmenprogramm. So diskutierten am Nachmittag Prof. Dr. Stephan Harbarth, Präsident des Bundesverfassungsgerichts und Thomas Strobl, Stellvertretender Ministerpräsident und Minister des Inneren, für Digitalisierung und Kommunen mit Gemeindetags-Präsident Steffen Jäger zur Rolle der Kommunen in der Demokratie. In den Messehallen und auf dem Außengelände präsentierten sich zahlreiche Partner des Gemeindetags, so war mit Nussbaum Medien auch der Marktführer in Sachen Amts- und Mitteilungsblätter in Baden-Württemberg als langjähriger und verlässlicher Partner der Kommunen vertreten.

Villingen-Schwenningen: Nussbaum Medien beim Gemeindetag 2023

NM

Besuch vom Ministerpräsidenten: Auch Landesvater Winfried Kretschmann (2.v.r.) überzeugte sich gemeinsam mit Gemeindetags-Präsident Steffen Jäger (m.) am Stand von Nussbaum Medien von der Leistungsfähigkeit des Unternehmens.

Vor 50 Jahren: Der Gemeindetag gründet sich

Am 1. Januar 1973 vereinigten sich in der Stuttgarter Liederhalle der Verband badischer Gemeinden und der Württembergische Gemeindetag zum heute deutschlandweit mitgliederstärksten kommunalen Landesverband. Der Gemeindetag setzt sich aktuell aus 1.063 Städten und Gemeinden in Baden-Württemberg zusammen (837 von ihnen mit weniger als 10.000 Einwohnern) und vertritt somit mit Ausnahme von 38 Kommunen auch fast 7,7 Millionen Menschen, größtenteils aus dem ländlichen Raum. Am 9. Juni 2024 steht mit der Kommunalwahl die nächste politische Bewährungsprobe an.