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Vom Gipsabbau-Gelände zum Biotop

Streuobstwiesen bei Ammerbuch-Entringen als Lebensraum

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Blick auf den früheren Gipsabbruch.

Braunkohle-Tagebau, Abholzung der Regenwälder – weltweit zerstört der Mensch jeden Tag ein Stück Natur. Doch es geht auch anders. Beispielsweise bei Ammerbuch-Entringen, unweit von Stuttgart. Dort hat die Stuttgarter Gips-Schüle-Stiftung ein ehemaliges Gipsabbaugelände, das über die Jahre mit Gebüschen überwuchert war, nun mit Unterstützung des Landes Baden-Württemberg Stück für Stück wieder geöffnet. Nach sechs Jahren intensiver Naturschutz- und Landschaftspflege entstand auf dem mehr als sechs Hektar großen Gelände ein idyllisches Biotop mit malerischen Streuobstwiesen, seltenen Tier- und Pflanzenarten. 

Attraktives Naherholungsgebiet bieten 

„Als ich 2017 das Gelände das erste Mal gesehen hatte, war mein erster, ganz schwäbischer Gedanke: Da muss richtig aufgeräumt werden“, schmunzelt Dr. Stefan Hofmann, Vorstand der Gips-Schüle-Stiftung und fügt hinzu: „Alles war mit meterhohem Gestrüpp zugewuchert und zum Teil auch vermüllt - eigentlich ein totes Gelände inmitten eines Naturschutzgebietes.“ Die Gips-Schüle-Stiftung entschied, das Gelände wieder in eine naturschutzfachlich hochwertige Streuobstwiesenlandschaft zurückzuverwandeln. „Wir wollen unseren Beitrag zur Biodiversität leisten und auch den Erholungssuchenden in der Region Stuttgart ein attraktives Naherholungsgebiet bieten“, so Dr. Stefan Hofman

Blühende Landschaften

Gemeinsam mit dem Landratsamt Tübingen und dem Regierungspräsidium Tübingen wurde mit dem behutsamen Öffnen der zugewucherten Flächen begonnen und mit einer Ziegenbeweidung zur unterstützenden Gehölzreduktion begonnen. Es entstand eine offene Landschaft mit Magerwiesen und Streuobstbäumen. Gerade jetzt im Frühjahr und Sommer verwandelt sich das Gelände in blühende Landschaften. Damit das auch so bleibt, schickt Schäfer Paul Lemke regelmäßig seine 750 Schafe und Ziegen übers Gelände. Er war es unter anderen auch, der Stück für Stück erst mit der Motorsäge und dann mit seinen Tieren das Areal mühevoll entbuscht und „entrümpelt“ hat.

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Gips-Schüe-Stiftung

Ralf Wegerer (Landkreis Tübingen), Dr. Stefan Hofmann (Vorstand der Gips-Schüle-Stiftung), Ines Aust (Regierungspräsidium Tübingen) und das Schäfer-Ehepaar Steffi und Paul Lemke stellen das neue Biotop vor.

Neue Heimat für Wendehals und Halsbandschnäpper

Ines Aust, vom Referat Naturschutz und Landschaftspflege beim Regierungspräsidium Tübingen, freut sich sehr über die Wiederherstellung der Streuobstwiesen und Magerwiesen. „Die Flächen liegen im Naturschutzgebiet Schönbuch-Westhang/Ammerbuch. Einer der Schutzzwecke ist der Erhalt der heimischen Streuobstwiesen. Daher ist es unsere Pflicht als Naturschutzverwaltung, uns um diese Fläche zu kümmern.“

Seltene Arten

Zusammen bearbeitet sie die Schutzgebiete in der Raumschaft mit Ralf Wegerer, der sich im Landratsamt Tübingen um die Natura 2000 Gebiete Schönbuch kümmert, die Bestandteil der europäischen Naturschutzkonzeption Natura 2000 sind. „Im Vogelschutzgebiet Schönbuch ist die Erhaltung des Streuobstbestandes eines der wichtigsten Ziele, da es dort viele seltene Vogelarten gibt“, sagt der Naturschützer. Zum Beispiel der Wendehals oder der Halsbandschnäpper, welche auf höhlenreiche Obstbäume angewiesen sind. In diesen Baumhöhlen bauen die Vögel ihre Nester. Gleichzeitig sind die Obstbäume auch wichtige Fortpflanzungsstätten für die seltenen Fledermausarten Bechsteinfledermaus und Mopsfledermaus.  

Seltene Blumen auf den Magerwiesen

Das Naturschutzgebiet „Schönbuch-Westhang/Ammerbuch“, das Vogelschutzgebiet „Schönbuch“ und das FFH-Gebiet „Schönbuch“ (FFH steht für Faune, Flora, Habitat) überlappen sich größtenteils und sind zusammen ca. 150 km² groß. Der Wald nimmt hierbei den größten Flächenanteil ein. Allein im Areal „Gipsbruch Entringen“ konnte die frühere überwucherte Fläche nun schon zu großen Teilen wieder in Offenland umgewandelt werden. Auf diesen blumenbunten Wiesen wachsen unter anderem die Blumen Wiesen-Salbei, Wiesen-Glockenblume, Skabiosen-Flockenblume, Wiesen-Margerite. Zudem konnten sich durch die Beweidung bereits 0,5 Hektar Magerrasen entwickeln. Dort ist unter anderem die Karthäuser-Nelke anzutreffen.

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Gips-Schüle-Stiftung

Dr. Stefan Hofmann, Vorstand der Gips-Schüle-Stiftung, setzte sich für die Öffnung des Geländes ein.

Zur Historie:

Das Gebiet, das nun wieder freigepflegt wurde, war früher ein Gipsabbaugelände der Familie Schüle, die vor mehr als 100 Jahren sehr erfolgreich in der Region den Gipsabbau betrieb. Damals, Anfang des 20. Jahrhunderts, wurde der Gips abgebaut und mit der Ammertalbahn zu den Bau-Kunden in ganz Baden-Württemberg und der Pfalz transportiert. Das Entringer Gipswerk wurde 1974 geschlossen. Der Gipsbruch selbst diente danach als Erddeponie und wurde nach der Verfüllung der Natur überlassen. Seit dem Tod der letzten Schüle-Nachkommen kümmert sich die Gips-Schüle-Stiftung mit Sitz in Stuttgart-Bad Cannstatt um das Vermächtnis der Familie.