Tübingen, warum bist du so hügelig?“, fragten sich zwei Studentinnen und landeten einen Hit mit beachtlichen Klickzahlen im Netz. In der Tat kommt ein Student ins Schnaufen, wenn er zur Vorlesung auf den Schloss-, den Schnarren- oder den Österberg muss. Des einen Leid, des anderen Freud: Gerade diese Hügellandschaft prägt Tübingens attraktives Stadtbild. Selbst der Bilderbuch-Marktplatz mit seinem Rathaus aus dem 15. Jahrhundert und dem üppigen Neptunbrunnen ist nicht flach, sondern eine schiefe Ebene.
Video: Tübingen, warum bist du so hügelig?
Hier beginnt die berühmte Haaggasse, geprägt von Kneipen, Musik und kleinen Läden, und führt entlang des Schlosshanges zum „Haagtor“. Vom früheren Stadttor sind nur Name und Pflasterumriss übrig. Aber das ist typisch für die Stadt: Die Bezeichnungen entsprechen nicht immer dem, was man vorfindet.
So redet jeder Tübinger von der Neckarbrücke, obwohl es nicht nur eine gibt und die gemeinte eigentlich Eberhardsbrücke heißt. Nach dem früheren Landesherrn, „der mit dem Barte“ (1445–1496), der in der Stiftskirche Sankt Georg begraben liegt.
Video: Tübingen - Die kleine große Stadt
Wo’s auch Dichtern übel wurde …
Die Neckarbrücke ist sicher der bekannteste Punkt Tübingens, zumal von dort das Wahrzeichen und Postkartenmotiv Nummer eins zu sehen ist: die bunte Häuserreihe mit dem Hölderlinturm.
Von hier gelangt man auch auf die Neckarinsel, Tübingens idyllische Müßiggang-Meile, umsäumt von Wasser und Trauerweiden. Der Volksmund taufte das Seufzerwäldchen, das eigentlich Wöhrdwäldchen heißt, nach den Geräuschen, die von Liebespärchen stammen.
Das „Bügeleisen“, die Inselspitze bei der Alleenbrücke, wird wegen ihrer Form so genannt und ist für heimliche Grillpartys beliebt – was das Ordnungsamt gar nicht gerne sieht und wogegen es auch vorgeht. Gegenüber dieser Insel am Hölderlinturm starten auch die berühmten Stocherkähne, die zu Tübingen gehören wie die Gondeln zu Venedig.
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Venezianisches Flair findet sich denn auch entlang der „neuen Ammer“, die durch die Altstadt fließt. In der Ammergasse erreicht man die eine Seite der Häuser nur über kleine Brücken. Wozu der Kanal im Mittelalter diente, will man sich lieber nicht vorstellen: als Abort. Einmal die Woche wurde er zum Abtransport geflutet. – Wo wir schon bei Fäkalien sind, seien die Tübinger „Gôgen“ oder „Raupen“ erwähnt, Weingärtner aus einer Zeit, in der Tübingen noch vom Weinbau dominiert wurde. Außer ein paar terrassierten Hängen erinnern nur noch die derben Gôgenwitze daran.
Die Gôgen galten als ungebildet und ungehobelt, ein Gegenpol zu den feinen Professoren und Studenten. Ein Beispiel? Ein betrunkener Student hält sich am Brückengeländer fest und speit in den Neckar. Der Gôg beobachtet dies und sagt: „So isch’s reacht, no’s Arschloch g’schont.“ – Wenn wir schon auf diesem Niveau sind: „Hier kotzte Goethe“ erinnert ein Schild bei der Stiftskirche.
In einer alten Universitätsstadt machten im Lauf der Jahrhunderte unzählige Berühmtheiten Station. So auch der Dichterfürst, der 1797 seinen Verleger Johann Friedrich Cotta besuchte. Das achteckige Gartenhäuschen am Schlossberg heißt seitdem gar Goethehäuschen. Dorthin sollen die beiden einst spaziert sein. Es bietet eine wunderbare Aussicht, weshalb es heute noch als beliebtes Ausflugsziel gilt.
► Weitere Ausflugsziele: Die Kunsthalle Tübingen, das Museum der Universität Tübingen MUT, das Landestheater Tübingen sowie das Zimmertheater Tübingen.
Fuchsienerfinder und Stadtkühe
Das Nonnenhaus ist das größte Fachwerkhaus in der Altstadt. Erbaut 1488 als Damenkloster, wurde es mit der Reformation aufgelöst. Dafür wohnte ab 1535 der Mediziner und Botaniker Leonhart Fuchs hier, der nicht nur den vermutlich ältesten botanischen Garten Europas angelegt hat, sondern auch den Fuchsien ihren Namen gab.
► Das Kloster und Schloss Bebenhausen ist eines der besterhaltenen Zisterzienserklöster in ganz Süddeutschland.
Doch lebt Tübingen nicht nur in der Vergangenheit. Die Stadt ist jung und hat, auch wegen des hohen Studentenanteils, mit unter 40 Jahren den niedrigsten Altersdurchschnitt Deutschlands. Das macht sich im Wohnungsbau bemerkbar. Viel beachtete moderne Vorzeigearchitektur entstand im „Französischen Viertel“ und im „Loretto“ – natürlich wieder keine offiziellen Bezeichnungen, die sich trotzdem für die Gebiete der ehemaligen Hindenburg- und Lorettokaserne etabliert haben. Dort ist vor rund 20 Jahren durch bürgerschaftliche Initiativen und Baugemeinschaften die „Stadt der kurzen Wege“ mit einer kleinteiligen Mischung von Wohnen und Arbeiten entstanden und erhielt dafür viele Auszeichnungen.
Auch zwei Wagenburgen sind dort inzwischen mit ihren bunten Domizilen als Pächter geduldet. Kühe, Hühner und Pfauen, die hier gehalten werden, versprühen ländlichen Charme. Als „grüne Hölle“ wird das Gebiet manchmal scherzhaft bezeichnet, seit es „Der Spiegel“ in einem Artikel zu den Landtagswahlen 2011 ironisch so nannte: als die Grünen erstmals einen Ministerpräsidenten stellten und hier knapp 60 Prozent der Stimmen holten.
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