Die Einschulung ist für Erstklässler ein neuer Lebensabschnitt. Während die meisten Kinder voller Vorfreude sind, können auch Anspannung und Angst auftreten. Dr. med. univ. Rüdiger Stier, Chefarzt der Kinder- und Jugendpsychiatrie im Helios Klinikum Berlin-Buch, gibt wichtige Tipps für einen entspannten Schulstart.
Den Druck rausnehmen
Ein hoher Schulabschluss wird allgemein als wichtige Voraussetzung für Erfolg und Glück im Leben angesehen. „Aus diesem Grund sorgen sich viele Eltern um die Zukunft ihrer Kinder und bauen ungewollt Druck auf“, Dr. Stier das Dilemma. Seine Erfahrung: Der hohe Druck, dem bereits Erstklässler ausgesetzt werden, kann zu Lernblockaden führen und Kinder daran hindern, ihr volles Potenzial abzurufen.
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Der Experte bietet Eltern hilfreiche Tipps, um ihren Kindern einen entspannten Start in das Schulleben zu ermöglichen.
1. Selbstbewusstsein stärken – Scheitern normalisieren
Die Einschulung stellt einen bedeutenden und empfindlichen Meilenstein im Leben der Schulkinder dar. Sie werden mit vielen neuen Situationen und Menschen konfrontiert und müssen nun den Schulunterricht ohne die Begleitung ihrer Eltern meistern, nachdem sie zuvor die Kita besucht haben.
„Der beste Weg der Unterstützung durch die Eltern heißt Loslassen und den Kindern Freiräume einzuräumen. Dies ist für die Kinder wichtig, um neue Erfahrungen zu sammeln, selbständiger zu werden und damit ein gesundes Selbstvertrauen aufzubauen“, erklärt Dr. Stier. Dies bedeutet auch, den Kindern die Gelegenheit zu geben, Aufgaben ohne voreilige Hilfe zu erledigen – auch dann, wenn sie manchmal scheitern. „Diese Erfahrung des Scheiterns ist normal und notwendig. Wichtig dabei ist, dass die Eltern ihren Kindern den Rücken stärken, ihnen Mut machen und die nächste Herausforderung positiv in Angriff nehmen“, ergänzt er.
2. Positives Bild von der Schule und vom Lernen vermitteln
Der Ausspruch "Jetzt beginnt der Ernst des Lebens" ist allgemein bekannt. Im Zusammenhang mit der Einschulung wird dringend empfohlen, dass Eltern und Familienmitglieder diesen Satz vermeiden, so Stier. Kinder sind von Natur aus neugierig und haben Freude daran, Neues auszuprobieren und zu lernen. Der Spaß und die Freude sollten trotz der Ernsthaftigkeit des Schulalltags erhalten bleiben.
Im Sinne des psychologischen Phänomens der "self fulfilling prophecy" sollten Eltern und Kind sich zunächst auf das Positive konzentrieren und darüber sprechen, was an der Schule schön ist und welche guten Erinnerungen die Eltern damit verbinden. Danach kann auch konstruktive Kritik geäußert werden. Dies gilt selbstverständlich nicht nur für den Schulalltag, sondern darüber hinaus.
3. Ausgleich schaffen und für Routinen sorgen
Der Schulbeginn bedeutet eine bedeutende Veränderung im Familienalltag. Es gibt nun mehr Verpflichtungen für Kinder und Eltern, wie Hausaufgaben, Lesen, Schreiben und Rechnen üben. Dennoch sollte die Zeit für Freizeit und Spaß nicht vernachlässigt werden.
„Routinierte Tagesabläufe sind sehr wichtig, damit die Kinder die vielen neuen Eindrücke verarbeiten können. Feste Essenszeiten, regelmäßige freie Zeit am Nachmittag, gemeinsames Packen des Schulranzens, gemeinsame Abendrituale wie Vorlesen sorgen für Stabilität“, rät der Chefarzt.
Es ist ratsam, dass Familien am Nachmittag feste Zeitfenster für Hausaufgaben sowie für Freizeitaktivitäten einplanen, die Kinder mit gutem Gewissen genießen können. Sowohl Kinder als auch Erwachsene benötigen dringend einen Ausgleich. Pausen sind hilfreich, um sich besser zu entspannen. „Pausen fördern die Kreativität und das Leistungsvermögen. So verliert man weniger schnell die Lust am Lernen“, empfiehlt Dr. Stier.
„Falls es dennoch Probleme mit anhaltenden Lern- oder Verhaltensproblemen gibt, nicht zögern und erst nach Monaten oder sogar Jahren Hilfe holen – das ist zu spät. Ein guter Erstkontakt sind schulpsychologische Beratungsstellen, bei komplexeren Problemen dann auch Kinder- u. Jugendpsychiater“, ergänzt der Experte.
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