Liebe geht durch den Magen, so sagt man … so wundert es auch nicht, dass Ingrid Noll eine Restaurantküche zum Schauplatz für ihr neustes Werk macht. Wobei ... ein wirklicher Liebesroman ist es nun zwar nicht – dafür ist die „Lady of Crimeheim“ und Grande Dame des kriminologischen Romans wohl zu sehr ihrer eigenen Tradition verpflichtet, aber Liebesbeziehungen spielen in „Gruß aus der Küche“ eine nicht ganz unwesentliche Rolle.

Irma, ihres Zeichens Köchin mit voller Leidenschaft, hat aus einem Traditionsgasthaus im ländlichen Raum ein vegetarisches Restaurant gemacht – die „Aubergine“. Und auch optisch gleicht die 40-Jährige wohl sehr der Frucht des Nachtschattengewächses – so sehr, dass sie sich mit exzentrischen Gewändern in violett-grün entsprechend gewandet. Ihr Restaurant ist nicht nur Treffpunkt für Vegetarier aller Art aus dem gesamten Umkreis, auch das Personal ist so bunt wie die Kundschaft.

Eine Küche voller Freunde?

Da ist Irmas mehr oder weniger heimlicher Schwarm, der ehemalige Weltenbummler Josch, der beim Kellnern gerne mal mit den Gästen schäkert – und auch sonst nichts anbrennen lässt, wie sich herausstellt. Da ist Irmas beste Freundin aus Schultagen, Nicole, die als Hilfsköchin am Herd steht und chronisches Pech mit Männern hat. Da ist die 17-jährige Lucy, Schulabbrecherin und Aushilfskellnerin, bei der die Hormone gerade Wildwest spielen und die für einigen Ärger sorgt. Schließlich noch der „Gemüsemann“ – ein etwas seltsamer alter Herr, der regelmäßig zum Gemüseschnippeln kommt, und für seine 80 Jahre dann doch etwas besser hört, als alle meinen. Und wie in jeder engen Gemeinschaft menschelt es auch in der Aubergine ordentlich – im Guten wie im Bösen.

Ingrid Noll hat im Gespräch einmal verraten, dass sie gerne auch Psychologin geworden wäre und wie vielen ihrer Werke merkt man das auch „Gruß aus der Küche“ an:  Noll beschreibt hier in einem ebenso liebevoll wie raffiniert gestrickten Plot, wie im vermeintlich harmonischen Idyll zwischenmenschliche Spannungen und Zwietracht das weite Feld der Freundschaft Stück für Stück zum toxischen Sumpf werden lassen. Nach wie vor das liebste Sujet der Autorin: Wie machen eigentlich ganz normale und friedliebende Menschen emotionsgetrieben auf einmal Mördergruben aus ihren Herzen? Das gelingt ihr hier wieder einmal ganz hervorragend.

Sprachspiele

Sprachlich spannend: Noll passt auch den Sprachduktus der jeweiligen Personen, die - ebenfalls Noll-typisch - aus der Ich-Perspektive erzählen, ihrem jeweiligen Alter an. So spricht die 17-jährige Lucy durchweg im Jugendslang - spannend, vor allem aus der Feder einer inzwischen immerhin 89-Jährigen. Ist das cringe? Eigentlich nicht, auch wenn sicherlich einige aus der Leser-Zielgruppe vielleicht ab und an zum Jugendsprache-Wörterbuch greifen müssen. So lernt man noch was beim Lesen. Wer allerdings einen klassischen Krimi erwartet, wird dieses Mal enttäuscht werden. Eine Leiche gibt es am Ende zwar doch, aber wer wissen will, wie es dazu kam, muss wohl zum Buch greifen, gespoilert wird hier nicht. Unser Fazit: Ein Buch, das Appetit auf mehr macht. In diesem Sinne - guten Hunger!