Corona hat vieles verhindert, unmöglich gemacht oder zumindest ausgebremst. Dass die Pandemie aber etwas überhaupt erst auf den Weg gebracht hat, ist selten. Und umso bemerkenswerter.  Ein Resultat ist das sogenannte Albentdecker-Zimmer im Naturschutzzentrum Schopflocher Alb im Landkreis Esslingen. Es soll den Jüngsten einen spielerischen Zugang zur Natur, zur Pflanzen- und Tierwelt der Schwäbischen Alb ermöglichen.

Mobbl muss raus

„Das ist jetzt zwei Jahre her“, erinnert sich Marco Drehmann, der Leiter des Naturschutzzentrums. „Alles hatte geschlossen, auch das Zentrum. Wir saßen während des Lockdowns hier und hatten auf einmal viel Zeit, uns Gedanken darüber zu machen, wie wir einen Raum speziell für unsere Jüngsten gestalten können.“ Klar war, dass der bisherige Kinderraum nicht mehr zeitgemäß ist, und dass das riesige Holzschaf „Mobbl“ nach 27 Jahren ausziehen muss, um neuen Angeboten Platz zu machen.

Marco Drehmann leitet das Naturschutzzentrum Schopflocher Alb.

Barabra Scherer

Marco Drehmann leitet das Naturschutzzentrum Schopflocher Alb.

Das Brainstorming von Chef, Mitarbeitenden, Ehrenamtlichen, jungen Praktikanten und dem Hausmeister, immerhin Ü70, mündete in der Idee, Kindern Spielsituationen zu schaffen, in denen sie ihren Entdeckerdrang ausleben können. So sollen sie die Besonderheiten der Schopflocher Alb erleben und kennenlernen. Das spielerisch Erlernte sollte dann aber auch in die Natur draußen übertragbar sein. Alle Elemente des Zimmers sind daher an den Naturraum der Schopflocher Alb angelehnt.

Abtauchen

Szenenwechsel: Gewusel im Albentdecker-Zimmer. Zwei kleine Jungs stehen vor dem Bällebad und wollen „tauchen“. Aber nicht nur die bunten Plastikbälle erregen die Aufmerksamkeit der Kleinen. „Hier gibt es auch durchsichtige Bälle, in denen sind Tiere drin“, ruft einer, wühlt, gründelt und wird fündig. Triumphierend hält er einen transparenten Ball in die Höhe, in dem ein Frosch sitzt.  Sein Freund erwischt den Ball mit den Schmetterlingslarven, den er aufmerksam betrachtet. 20 solcher Kugeln sind im Bällebad verborgen – sie stellen alle Entwicklungsstadien von Insekten und Amphibien dar.

Jeder will ins Bällebad.

Dieter Ruof

Jeder will ins Bällebad.
Im Bällebad des Naturschutzzentrums tummeln sich auch Frösche.

Barbara Scherer

Im Bällebad des Naturschutzzentrums tummeln sich auch Frösche.
Kletterwand, Malecke und Co. Für Abwechslung ist gesorgt.

Dieter Ruof

Kletterwand, Malecke und Co. Für Abwechslung ist gesorgt.
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Moorbaden mal anders

Die vom Naturschutzzentrum betreuten Schutzgebiete – Schopflocher Moor, der ehemalige Vulkankrater Randecker Maar und das Obere Lenninger Tal mit seinen Höhlen und Sinterterrassen – sind modellhaft in die Spielflächen integriert. So lässt sich beispielsweise das Moor im Bällebad erleben – die Elemente in den durchsichtigen Bällen repräsentieren das echte Moorleben voller Kleintiere, Larven und Puppen von Insekten. Das Schopflocher Moor ist das einzige Hochmoor auf der Schwäbischen Alb und hat eine wichtige Funktion. Im Gespräch mit dem promovierten Biologen Drehmann erfährt man auch, warum: „Ein Quadratmeter Moor bindet so viel CO₂ wie 20 Quadratmeter Wald.“

Hoch hinaus

Die Kletterwand an der Stirnseite des Raums lädt junge Kraxler ein. Wer es bis nach oben schafft, haut auf einen roten Knopf, der den Milan an der Decke kreisen lässt.  Aktiviert man dann noch das Talking Tile, stößt der Raubvogel seine unverkennbaren hellen Rufe aus.  Ein Wandbild mit einer riesigen Kröte zeigt eine typische Albwiese aus Ameisenperspektive. Es bildet den Hintergrund zu einem Teppich, auf dem gefilzte Steine zum Ausruhen einladen. Dort sitzen dann gerne auch Kinder mit ihren Eltern oder Großeltern. Lesestoff findet sich in einem Regal, dazu Malutensilien und Spiele. Das Gemälde sowie die Kletterwand und der ausziehbare Tisch in Form einer Bänderschnecke hat Tamara Seidl, damals FÖJlerin, geschaffen.

Raus aus dem Schneckenhaus

„Es gibt Kinder, die eben nicht draußen spielen wollen, die das Interesse für die Natur nicht oder noch nicht haben. Also holen wir die Natur mit ihrer einzigartigen Verbindung von Karst und Vulkanismus nach drinnen“, erklärt Ulrike Walter das pädagogische Konzept. Die Biologin ist im Zentrum für Umweltbildung und Öffentlichkeitsarbeit zuständig.  „Diesen Kindern wollen wir mit unserem niedrigschwelligen Konzept auch eine Brücke nach draußen bauen“, sagt sie weiter und deutet auf den Schneckentisch: „Diese Formen wie die Bänderschnecke hier lassen sich dann auch auf unserem Gelände draußen finden.“

Ab ins Grüne

Weitere Schritte ins Außengelände könnten ein Kindergeburtstag mit einer Schatzsuche sein, eine erste Exkursion in den Streuobstwiesen oder in den benachbarten ehemaligen Steinbruch. Das pädagogische Konzept richtet sich an alle, vom Kindergartenkind über Oberstufen-Schüler und Schülerinnen und Studenten. Schon Drittklässler können mittels einer Führung angeleitet werden, die Dauerausstellung zu erkunden. Wer noch tiefer einsteigen will, kann sogar Seminare belegen.  

Auch für große Kinder

Das plastische und haptische Erleben zieht aber auch bei Erwachsenen. Die Dauerausstellung führt durch die Schwäbische Alb mit ihren geologischen Besonderheiten. Das raumgroße Modell zeigt die Alb mit ihrem terrassenartigen Höhenanstieg bis hinauf auf das Plateau. Infos werden interaktiv vermittelt. Marco Drehmann zieht eines der Elemente heraus – sichtbar wird das löchrige Innenleben des Karstgebirges. An einer weiteren Station fließt auf Knopfdruck Wasser auf das Plateau: Durch ein Fenster kann man verfolgen, wie schnell das Wasser im Gestein nach unten läuft und verschwindet. Das gut hörbare Bling des Wassertropfens untermalt den intensiven Eindruck. Übrigens: Mobbl, das beliebte Holzschaf wurde nicht einfach entsorgt. Es hat eine neue Heimat in der Biosphärenschule in Hayingen gefunden … Ende gut, alles gut. 

Naturschutzzentrum Schopflocher Alb

Das Naturschutzzentrum Schopflocher Alb, das Nordportal zum UNESCO-Biosphärenreservat Schwäbische Alb, existiert in dieser Form als Stiftung des bürgerlichen Rechts seit 1996. Seinen Ursprung fand es in einem aufgelassenen Steinbruch, der nach Stilllegung des Betriebs Naturdenkmal wurde. Der Landkreis Esslingen hatte zuvor das Gelände mit dem Steinbruch und dem Verwaltungshaus zum Schutz der Natur und zur Verhinderung der Verfüllung gekauft. Es wurde zum ersten kreiseigenen Naturschutzzentrum in Baden-Württemberg. Getragen wird es zu 70 Prozent vom Land und zu 30 Prozent vom Landkreis Esslingen.