Arnim Töpel kennt man in der Kurpfalz und anderswo vor allem als Kabarettist, Musiker und Buchautor: Sein altes Bühnen-„Alter Ego“, der Günda, hat inzwischen ein literarisches Eigenleben als Kommissar in Glickerbach und anderswo entwickelt, sein „Krutze“ bringt den Jüngsten im kurpfälzischen Raum die hiesige Mundart näher und in den letzten Jahren nimmt auch die Kirche einen breiten Raum im Leben des aktiven Protestanten ein. Doch allen seinen Rollen – ob auf der Bühne oder auf Buchseiten - ist in der Regel eines gemein: Die „Muddaschbrooch“ – der Kupfälzer Dialekt.

Nun bereichert der Walldorfer die Literaturwelt mit einem neuen Werk: „Rechtzeitig gehen“ lautet der Titel seines 13. Buches, und im Gegensatz zu früheren - fiktionalen - Veröffentlichungen, präsentiert es sich in Hochdeutsch. Eine Umstellung, die insbesondere die Anhängerschaft von Kult-Kommissar Günda herausfordern dürfte. Der bleibt nämlich bis auf Weiteres in Rente.

Leise Töne

Schenkelklopfer und allzu arger Klamauk müssen draußen bleiben, doch das ist ohnehin nicht so Töpels Ansinnen. Dafür gibt es eine leise, kluge, humorvolle und vor allem authentische Erzählung, sehr persönlich – trotz der offensichtlichen Abgrenzungen zur Person des Autors. Ein Coming-of-Age-Briefroman in Monologform, der von Freundschaft, aber auch von der ersten Liebe erzählt.

Schon das Titelbild, das den Autor als Kind zeigt, legt erste Fährten, dass Arnim Töpel vielleicht selbst Erlebtes erzählt, aber es wird auch rasch klar: Biografisch vielleicht, autobiografisch nicht unbedingt.

Seinem ohnehin großen literarischen Output hat Arnim Töpel mit "Rechtzeitig gehen" einen weiteren Teil hinzugefügt.

jr/NM

Seinem ohnehin großen literarischen Output hat Arnim Töpel mit "Rechtzeitig gehen" einen weiteren Teil hinzugefügt.

Freundschaftsgeschichte(n)

Töpel zeichnet die Geschichte zweier Jugendfreunde, deren Wege sich nach langen Jahren der Trennung wieder kreuzen. Zumindest indirekt, denn eigentlich erzählt nur der eine: Der Protagonist und Ich-Erzähler. Der hält mit einem sehr langen und ausführlichen Brief an seinen Freund aus Jugendtagen Rückschau, reflektiert über die Freundschaft und die Gründe, warum sie irgendwann einfach aufhörte, zu sein. Eine späte Rechtfertigung? Ein Akt der Reue? Vielleicht. Unterhaltsam auf jeden Fall.

Mit schuld an dem Ende der Freundschaft: Petra. Die lernt der Protagonist auf einem Sprachaustausch im englischen Brighton kennen. Auf dem ersten Abenteuer ohne den Freund. Die Rückkehr ändert vieles.

Zukunftsfragen

„Was wäre, wenn?“, fragt Töpel ganz oft in dem Buch, führt sein Publikum dabei mit viel Freude immer wieder in die Irre, entwirft Szenarien und Alternativen und regt so auch ganz nebenbei zum Nachdenken über die Bedeutung von Freundschaften und der ersten großen Liebe an. Denn allzu schnell können die kostbaren Momente des Lebens in Vergessenheit geraten. „Rechtzeitig gehen“ ist so nicht nur eine Erzählung über verpasste Chancen und die Ungewissheiten des Lebens, sondern funktioniert auch hervorragend als Impulsgeber für persönliche Reflexionen.

Mitdenken erwünscht

Der Titel des Buches lässt dabei viel Raum für Interpretation: Wer Töpel länger kennt, weiß vielleicht, dass das nicht das erste Mal ist, dass er diesen Satz verwendet. In einem seiner ersten Bühnenprogramme vor über 20 Jahren mit dem Titel beschäftigte er sich mit Fragen des Alters, der Zukunft, verpassten Chancen. „Rechtzeitig gehen“, das war auch seine Agenda, als er sich entschloss aus dem sicheren Radio-Job beim SWR in die künstlerische Freiheit zu wechseln, mit allen Unsicherheiten und Risiken. Mit 64, im Rückblick sieht man wohl vieles aus neuen Perspektiven, mit Abstand und vielleicht reflektierter.

„In 14 Monaten triffst Du Deine Traumfrau!“ „Wie schön. Was aber, wenn ich nicht da bin?“ lautete der Werbetext für das Programm damals. Und genau das beschäftigt Töpel wohl bis heute. Weshalb er auch in „Rechtzeitig gehen“ die komplexe Frage aufwirft, ob und wann es ratsam ist, einen Schlussstrich zu ziehen – in Freundschaften, Beziehungen oder ganz profan bei einer Party.

So liefert er nicht nur eine packende Erzählung, die zum Nachdenken anregt, sondern auch einen intimen Einblick in die menschliche Psyche. Und er bringt damit eine universelle Erfahrung zum Ausdruck, die viele Leserinnen und Leser aus ihrem eigenen Leben kennen dürften, mit eigenen Erinnerungen verknüpft haben: „Do gugg, des kenn ich aah!“ Schon sind wir wieder beim Dialekt.