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Pascal Baumgärtner im Porträt

Der Metropolink-Macher: Heidelberg als Street-Art-Zentrum

Pascal Baumgärtner

Claus Geiss

Mission: urbane Kunst ins Idyll bringen. Pascal Baumgärtner hat Metropolink ein Biotop für Street Art geschaffen

Pascal Baumgärtner steht vor dem Eingang der Commissary. Sonnenbrille, Beanie und Ohrring, Schnurrbart, etwas exztentrisch, ein Paradiesvogel eben. Aber der muss man auch sein, wenn man Farbe ins graue Stadtleben bringen will. „Schön, dass Du da bist.“ Drinnen wummern Bässe, während Baumgärtner mir in 10 Minuten das Neueste erzählt: Von den Perspektiven auf dem Gelände, von Plänen für den Sommer und seinen Visionen, urbane Kunst an den Mann und die Frau zu bringen. Der Mann meint es ernst, so viel ist klar.

Ein Stück Geschichte

Das Gebäude ist ein ehemaliger Supermarkt für US-Army-Angehörige auf Patrick-Henry-Village, kurz PHV. Tausende Militärs lebten hier bis zum Abzug der Truppen vor 10 Jahren, autark, weit draußen vor den Toren von Heidelberg, 100 Hektar Niemandsland zwischen Eppelheim und Schwetzingen. Baumgärtner ist hier so was wie ein Pionier. Langfristig will die Stadt dem Gelände neues Leben einhauchen. Forschung, Wohnen und Industrie sollen hier zusammenfinden. Bis das so weit ist, ist hier nicht viel los. Eine Flüchtlingsunterkunft, temporär während der Covid-Krise ein Impfzentrum, ansonsten Leerstand, Tristesse an der Autobahn.

jr/NM-Archiv

Früher Army-Supermarkt, heute Kunstraum - die Metropolink Commissary in Heidelbergs Stadtteil Patrick-Henry-Village

Streetart-Galerie

Hier hat der 40-Jährige endlich das gefunden, wovon er schon lange träumte: Einen dauerhaften Platz für urbane Kunst. Und nebenbei die wohl größte Streetart-Galerie Deutschlands eröffnet. Streetart und Galerie – das klingt erst einmal wie ein Widerspruch. Doch die riesigen Lagerräume und die großflächigen Außenwände des ehemaligen Supermarkts bieten das perfekte Ambiente, um diese Gegensätzlichkeit zu vereinen. Industriegebiet-Charme mit Dach über dem Kopf, riesige Wände und eine Spielwiese für Graffiti-Kunst und Kreative. Funktioniert.

Heidelberg: Metropolink Commissary Patrick Henry Village

Niko Neithardt

Die Metropolink Commissary in einem Ex-US-Army-Supermarkt ist die größte Street-Art-Galerie Deutschlands und ein einzigartiges Konglomerat aus Ateliers, Bühne, Eventlocation, Bar und Museum.
Heidelberg: Metropolink Commissary Patrick-Henry-Village

jr/NM

Beeindruckend: Die Commissary in einem ehemaligen US-Militärsupermarkt ist die größte Street Art-Galerie Deutschlands.
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Draußen hinter der Halle Container, große Gerüste, dazwischen Skulpturen und ein quietschbunter Sherman-Panzer, den seit vergangenem Jahr ein besonderes Kunstwerk ziert: Selbst Udo Lindenberg, Street-Artist im Herzen, hat das Ambiente umgehauen. Der Hamburger feierte hier ganz exklusiv die Aftershow-Party seines letzten Konzerts in der SAP-Arena. Aber sonst darf hier jede*r kommen. Mindestens eine Veranstaltung pro Monat bieten Baumgärtner und sein Team hier an – Konzerte, Electro-Events, Parties, aber auch Talks, Flohmärkte, Kunstveranstaltungen und alles, was sonst so einfällt. Da stellt sich sogar schon mal Jan Delay an die Plattenspieler.

Udo Lindenberg - Metropolink Commissary Patrick-Henry-Village

Niko Neithardt

2022 gab sich Udo Lindenberg nach seinem Konzert in der SAP Arena Mannheim die Ehre auf Patrick-Henry-Village und signierte auch gleich einen Panzer.
Udo Lindenberg - No Panic - Metropolink Commissary Patrick-Henry-Village

Niko Neithardt

No Panic. Der Wahlspruch des Meisters ziert seit 2022 den Panzer.
Heidelberg: Metropolink Commissary Patrick-Henry-Village

Niko Neithardt

Ein quietschbunter Sherman-Panzer vor dem Knive-Game-Mural von CASE: Streetart lebt von Kontrasten.
Heidelberg: Metropolink Commissary Patrick-Henry-Village

Niko Neithardt

Delay an den Decks: In der Metropolink Commissary geben sich durchaus auch prominente DJs die Ehre, wie hier Jan Delay bei einem 80s-Special-Set.
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Eine Woche Kunst & mehr

Und dann wäre da das Metropolink Festival. Mit dem hat 2015 eigentlich auch alles angefangen. Nachdem der Aktivist damals in einem Abrissgebäude in der Heidelberger Bahnhofstraße mit Freunden eine erstes Kunstevent durchgeführt hatte, meinte Heidelbergs OB Dr. Eckart Würzner zu Baumgärtner „Mach doch mal ein Festival“. „Ich brauche Geld“, entgegnete der. 10.000 Euro schoss die Stadt zu und das erste Metropolink-Festival war geboren – klein, mit viel Hilfe von Sponsoren, Freiwilligen und Leidenschaft.

Heidelberg: Metropolink Festival 2019

jr/NM

Ein buntes Kulturprogramm ist Teil des Metropolink Sommerfestivals auf Patrick Henry Village

Inzwischen schaffte es Metropolink sogar in die Tagesschau, es gab Preise und Heidelberg wird von Jahr zu Jahr bunter. Rund 100 Kunstwerke sind in den letzten acht Jahren überall in der Stadt entstanden und zeigen, dass die eben mehr ist als „Puppenstubenhausen“, wie Baumgärtner die Touri-Altstadt-Romantik-Idylle manchmal halb ironisch, halb scherzhaft nennt. „Klar, HD ist keine Metropole, eine Stadt, die im Wesentlichen weder urban noch großstädtisch, dynamisch erschien. Darin lag und liegt der Reiz“, erklärt er im Interview mit uns.

Video: Metropolink bei der Tagesschau

International

Das hat sich geändert, denn die Namen der Künstler, die hier inzwischen verewigt sind, lesen sich wie ein internationales Who-is-Who der Szene: Herakut, Pichiavo, Hendrik Beikirch, Bordalo II, WESR, sie alle haben sich an Heidelberger Wänden verewigt. Aber auch lokale Künstler wie Limow, PRSNR oder Daniel Thow gelangten über die Festival-Reihe zu Aufmerksamkeit.

Video: Pichiavo x Metropolink - ein Kunstwerk entsteht

Eine Woche Ende Juli wird Heidelberg dann endgültig zum Zentrum urbaner Kunst. Früher noch an verschiedenen Orten in der Stadt, seit 2018 auf PHV. Rund um die Commissary entstehen in dieser Zeit täglich neue Wandgemälde. Dazu gibt es Electro-Acts, Essen, Live-Musik, Vorträge und Aktionen, uns natürlich jede Menge Streetart – Work in Progress. „Sozusagen unser Jahreshighlight“, erklärt Baumgärtner.

9. Metropolink Festival

Festival für urbane Kunst - 27.07. – 05.08.2023

Aus weiß wird bunt

Doch auch das "Link" in Metropolink steht da nicht ohne Grund: Baumgärtner will verlinken, verbinden, Verknüpfung schaffen zwischen Metropolen, aber auch zum ländlichen Raum. Ob in Walldorf, St. Leon-Rot, in Schwäbisch Hall oder in Heidelbergs Partnerstadt Montpellier - auch hier sind in den vergangenen Jahren Wandgemälde von internationalen Kunstschaffenden entstanden. Kunst für alle, 365 Tage im Jahr, öffentlich sichtbar. Ein simples Konzept. Weiße Wände gibt es im Ländle genug.

St. Leon-Rot: Metropolink-Festival 2018

jr/NM

Auch in St. Leon-Rot war Metropolink bereits mehrfach zu Gast - hier 2018 mit Salome Rigvava aus Georgien, deren überdimensionales Selbstporträt in einen sauren Apfel beißt.
Metropolink 2020: Nubian

jr/NM

Roch Marcorelles alias Nubian aus Montpellier gestaltete 2020 diese Wand in Walldorf.
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Metropolink ist inzwischen zum Full-Time-Job geworden für den Vater zweier Kinder. Dass er nicht dauerhaft nach Berlin oder Hamburg gezogen oder in Rom geblieben ist, wo er schon gelebt hat, hat er nicht bereut. Früher kickte er bei der  TSG Hoffenheim, eine Profikarriere war greifbar. Doch da war der Drang nach Freiheit: Statt St. Leon-Rot, seinem Heimatort, lieber Barcelona, die Welt. Dann Studium in Heidelberg, Spanisch, Italienisch und Philosophie, ein Abstecher in die Kommunalpolitik. Thema hier: Freiraum für junge Kunst und Künstler. Das hat er in die Praxis umgesetzt.

Kreativer Kopf: Pascal Baumgärtner

Niko Neithardt

Denkt gerne mal groß, wenn es um Streetart geht: Metropolink-Macher Pascal Baumgärtner.

Pionierarbeit

Und am nächsten Schritt, da ist Baumgärtner – immer ganz der Pionier – auch schon dran: Digitalisierung. Mittels Augmented Reality werden Wandgemälde zu interaktiven Kunstwerken. Durch eine App entsteht so noch einmal eine ganz neue Ebene. Zusammen mit der Uni Heidelberg wurde so der Schmetterling von Streetart-Künstler Mantra zum Leben erweckt, flattert durch den Cyberspace und erzählt dabei eine klare Botschaft: Artensterben ist real.

Heidelberg: Metropolink Festival 2022 - Mantra

jr/NM

Botschafter für den Artenschutz: Der Goldene Scheckenfalter des Künstlers Mantra ist seit 2022 an der Theodor-Heuss-Brücke zu finden.