Auf einem Hof in Stoffenried bei Ulm trifft Landidyll auf High-Tech: Biorichtlinien und Sorgfalt bringen Beeren in bester Qualität für einen Trinkgenuss der besonderen Art hervor – mit Herz, Verstand und einer Portion Sci-Fi.
Wir stehen am Rand eines Feldes und begucken Sträucher mit den reifen Beeren. Sie hängen in dicken Büscheln zusammen. Christoph Rittler ist mit seiner Frau Julia und Tochter Marie zu seinem Aronia-Feld gekommen. Ein Familienunternehmen, das wird schnell klar: Marie ist im Trecker mitgefahren, auf dem ein Babysitz montiert ist, Julia kam mit dem elektrobetriebenen Golf-Car nach. Das nutzen sie, weil es an beiden Seiten offen sei, sagt Julia. So können sie ihre Beeren prüfen, ohne jedes Mal auszusteigen.
Und geprüft wird oft, das muss sein im Biobetrieb: die Qualität überwachen und Schädlinge oder Krankheiten früh erkennen und schnell reagieren. Denn chemische Pflanzenschutzmittel sind tabu, genau wie Herbizide. Das Grün zwischen den Reihen wird mechanisch entfernt, wo es nötig ist. Vor allem am Fuß der Beerensträucher sollen Gräser und Wildkräuter nicht hochwachsen. Denn junge Pflanzen brauchen Freiraum. Also fährt Christoph mit der schlagkräftigen Rollhacke entlang, die den Boden auflockert und umgräbt. „Die Unkräuter verdorren quasi an der Sonne“, sagt Julia. Eine Stunde brauchen sie für einen Hektar, und das muss jede Woche passieren.
Büsche-Beamen mit Koordinaten …
Rund 15.000 Sträucher stehen da, sieben Hektar allein an Aronia, gepflanzt mit einer kleinen Maschine, die Sträucher und Büsche per GPS auf zwei Zentimeter genau auf das Feld bringt. Christoph, der zudem noch in der IT-Branche tätig ist, weiß, wie wichtig die exakten Abstände für die mechanische Unkrautbekämpfung sind. In Zukunft soll es sogar noch genauer werden: „Wir entwickeln ein Pflanzverfahren, bei dem jede Pflanze Koordinaten hat und vom Hackgerät-Roboter genau lokalisiert werden kann.“
Dann muss Christoph die Rollhacke vielleicht nicht mehr selbst die Reihen entlang steuern, so wie er es gerade zwischen den abgeernteten Johannisbeersträuchern macht: eine Reihe hinunter, die nächste zurück, selbstverständlich mit Marie an Bord, die den Job zu lieben scheint. Zur Ernte hin wird der Reifegrad stetig geprüft. „Auch wenn die Beeren außen schon lange schwarz sind, muss man sie aufschneiden,“ erklärt Christoph, „das Innere soll möglichst dunkelrot sein.“ Das sind sie jetzt, am 22. August, auf jeden Fall.
Die zweijährige Marie bringt ihrer Mutter eine Frucht. „Danke“, sagt die Mama und tut so, als würde sie die Aronia essen, lässt sie aber verschwinden, bevor ihr die nächste gebracht wird. Denn die Apfelbeeren, so ihr deutscher Name, sind ausgesprochen herb, zum roh essen nicht gedacht. Christoph kostet trotzdem immer wieder: „Wenn sie richtig reif sind, dann schmecken sie bekömmlicher und nicht nur herb.“
Die Beeren färben außerdem stark, was man sofort an den Fingern sieht. Dafür bekommen Fruchtsaftgetränke oder Aperitifs eine schöne Farbe, aber auch herbe und säuerliche Noten. Dazu sind sie mineralstoff- und vitaminreich sowie saftig, das macht sich in Konfitüren gut.
Vom Bauer zum Brauer
Zu guter Letzt schaut Christoph, wie sich die Früchte vom Strauch lösen lassen; ein gutes Zeichen, wenn das leicht geht. Gerade hat er die Ernte aber nochmals um eine Woche verschoben, das heißt, alles nochmal umorganisieren. Er braucht eine ausgereifte Ernte. Seine Aroniabeeren haben nämlich die Ehre, in der Brauerei Clemens Härle in Leutkirch zu landen, wo sie in das „Seezüngle“ wandern, ein fruchtiges Erfrischungsgetränk.
Von der Bio-Brauerei gibt es auch das „Träuble-Züngle“ mit schwarzen Johannisbeeren, ebenfalls von Rittler. Über den zuverlässigen Abnehmer, der fair bezahlt, ist Christoph Rittler sehr froh, und vom Team der Brauerei kam auch der Anstoß für den Apfelbeerenanbau. Auch, wenn er auf die schwarze Johannisbeere spezialisiert ist, die er in drei Sorten auf immerhin 20 Hektar anbaut, passt die Aronia zu seinem Biohof. Genau wie die rote Johannisbeere mit nochmals sieben Hektar.
In der folgenden Woche soll der aufregende Tag der Ernte also sein: Mit einem Traubenvollernter werden die Früchte abgeschüttelt, gereinigt, gesammelt und in Kisten verpackt. Die werden ständig geleert, gewaschen, wieder verwendet. Es wird die dritte Aronia-Ernte der Rittlers sein, denen viele weitere folgen sollen. Drücken wir die Daumen.
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Zurück in Stoffenried, vorbei an der hübschen Kirche und dem Dorfteich, zurück auf dem Hof. Aha, die alte Scheune wurde mit Solarpaneelen bestückt. Auch das ist typisch für die Familie: Tradition trifft moderne Technik. Nur so wird es in Zukunft wohl gehen.
Bienen zwischen Beeren
Das wilde Grün zwischen den Reihen, ergänzt durch spezielle Klee-Einsaaten, zieht Bestäuber aller Arten an: Hummeln und Mauerbienen, Wild- und Honigbienen. Zusätzlich bringt ein Biolandimker seine Bienenstöcke, wenn die Johannisbeeren blühen. Die Aronia selbst wird auch durch den Wind bestäubt. Die Apfelbeere stammt ursprünglich aus Sibirien. Sie ist widerstandsfähiger gegen Krankheiten und Schädlinge als die Johannisbeere. Im Mai blüht sie herrlich weiß, im Herbst färben sich die Blätter leuchtend rot, bevor sie abfallen. So ein Aroniafeld ist also auch was fürs Auge.