Weihnachten, das treibt den Chako einfach um ... Christian Habekost, der (Kur-)Pfälzer liebster Sohn, präsentiert dieses Jahr mal wieder ein ganz spezielles Weihnachts- und Neujahrsprogramm. Damit knüpft er an die großen Erfolge seiner legendären Shows „Schäni Bscherung I & II“ und „F(r)ohe Woinacht“ an, die vor stets ausverkauften Häusern Zehntausende begeisterten. Ab dem 1. Dezember steht Habekost mit seinem neuen Programm auf den Bühnen rund um Heidelberg und Mannheim. CHAKOs GOSCHpel-Show ist ein satirisch-besinnliches, bös-liebevolles Comedy-Special für "Weihnachts-Lover un -Muffel, Feuerwerksverächter un Raketen-Rowdies" gleichermaßen, eine wilde kabarettistische Reise durch die schlimm-schönste Zeit des Jahres. Zeit, für ein Gespräch mit dem Comedian.

LOKALMATADOR.DE (LM): Herr Habekost. Weihnachten. Warum?

Christian "Chako" Habekost: An Weihnachten kulminiert innerhalb von ein paar Tagen - die Wochen davor mitgerechnet - alles, was das christliche Abendland ausmacht: Kapitalismus, Familie, Gemütlichkeit, Stress. Alles soll perfekt sein. Perfektes Familienleben, perfektes Essen. Die Kinder wollen unheimlich viel haben und man will trotzdem, dass sie nicht völlig dem Konsum verfallen … Dieses Spannungsverhältnis fasziniert mich. Im Prinzip ist Weihnachten ein Ausschnitt aus dem Leben und das geballt zum Fest – eine reizvolle Bühne für einen Comedian.

LM: Es gibt ja bei Ihrem neuen Programm ein Wiedersehen mit einem alten Bekannten …

Chako: Ja, „CHAKOs GOSCHpel-Show“ ist auch deswegen speziell, weil ich auf vielfachen Wunsch die Figur des Reverend reaktiviert habe. Eine Figur, die mich schon lange begleitet. Der gibt den Höhepunkt der Show.

LM: Wie kam es zu dem Wiedersehen?

Chako: Ein altes Pfälzer Sprichwort lautet: „give the people what they want“. Figuren gab es eigentlich immer nur zwei in meinen Programmen – den Weinfestbesucher mit „frieher hot’s des net gewwe“ und den Reverend. Nachdem ich 2007 mit Xavier Naidoo überall in Deutschland, Schweiz, Österreich auf Tour war - nicht wissend, was mit Xavier Naidoo noch alles passiert - habe ich danach gesagt, das ist ein guter Zeitpunkt, den Reverend mal wegzulassen. Und jetzt ist ein guter Zeitpunkt, ihn wieder zurückzuholen.

LM: Wie ist denn der Reverend entstanden?

Chako: Mich haben schwarze Baptisten-Gottesdienste schon immer fasziniert, weil das so völlig anders ist als eine deutsche christliche Liturgie. Da wird Glauben wirklich abgefeiert. Auf Jamaika habe ich einmal einen Neujahrsgottesdienst mitgemacht, mitten in der Provinz. Da wurde sich in Trance getanzt. Das hat mich schwer beeindruckt. Der Reverend ist einfach eine tolle Figur, wenn er so ein Kauderwelsch aus Hochdeutsch, Pfälzisch und Englisch redet.

Zeitsprung: Der Reverend in Aktion

LM: ... Das sind ja auch Ihre drei biografischen Eckpunkte.

Chako: Auf jeden Fall. Klar, ich habe Englisch studiert, spreche auch Oxford-English, wenn’s sein muss. Aber am meisten hat mich immer interessiert, wie die einfachen Leute sprechen. Als ich dann in der Karibik gemerkt habe, wie die Leute mit ihrem Patois, der Kreolsprache, umgehen, was das für einen Rhythmus hat, welche Musikalität, dachte ich, es wäre schön, wenn wir das auch hätten. Und da hat es Ping gemacht: Das haben wir doch! Wir haben doch unseren Dialekt. Und wenn man den spricht, ihn richtig frei laufen lässt, dann merkt man, welchen Rhythmus, welche Musikalität der hat.

LM: Weihnachtsgedichte gibt es auch?

Chako: Ja. Das ist eine Art positives Kindheitstrauma. Ich sollte - und wollte auch - immer Gedichte aufsagen an Heiligabend. Deswegen mache ich das heute auf der Bühne auch, wobei ich die Gedichte natürlich satirisch verfälsche. Dieses Mal ist auch ein bisschen mehr Musik dabei, Weihnachtslieder neu interpretiert. Zum Beispiel „O Tannenbaum“ … Was passiert mit dem Baum in einer Zeit der Nachhaltigkeit? Bei den meisten Shows wird Stefan Kahne dabei sein, mein Produzent und begnadeter Gitarrist.

Christian "Chako" Habekost

jr/NM

Auf du und du mit dem Publikum: Chako ist wieder unterwegs auf den Bühnen.

LM: Warum überhaupt Dialekt?

Chako: Weil ich weiß, dass der Dialekt zu einer viel größeren Ausdrucksvielfalt fähig ist als das Hochdeutsche. Und weil im Dialekt schon dieser Rhythmus, diese Musikalität drin ist. Aber eben auch eine sprachliche Direktheit und eine klangliche Vielfalt, die im Hochdeutschen nicht gegeben ist. Man kann Sachen viel härter sagen, weil der Dialekt direkter sein kann, ohne böse zu klingen. Wenn man dann noch ein „Weesch wie'sch mään“ dranhängt, hat der Gegenüber vielleicht gar nicht so richtig gemerkt, was man ihm gerade gesagt hat. Sagst du jemandem auf Hochdeutsch: ‚Was Du sagst, das gefällt mir nicht. Das ist eine ziemlich dumme Aussage!‘ Da denkt der Gegenüber sofort, oh, der hat mich jetzt angegriffen. Der Pfälzer würde sagen ‚des heert sich fer mich bissl dabbisch o, kannsch’s net emol onnaschda sage?‘

LM: … klingt schon etwas sympathischer!

Chako: Ja, ein bisschen kumpelhafter, obwohl man sich vielleicht nicht kennt. Diese Bandbreite und diese Vielfalt - unbeschreibbar. Und das gilt für jeden Dialekt. Ich kämpfe eigentlich dafür, dass Dialekte allgemein ihre Berechtigung haben und wir aufpassen sollten, dass sie uns nicht immer weiter verloren gehen.

LM: Aber das ist ja schon so. Ist das eine Mission, dem entgegenzuwirken?

Chako: Ich thematisiere es zumindest. Es ist mir ein Anliegen, Leute darauf hinzuweisen.

LM: Was ist denn Ihr Lieblingsdialektwort?

Chako: Offiziell natürlich ‚Dutt‘. Das schöne Wort, das wir für eine Tragetasche haben. Damit habe ich ja eine ganze Nummer gemacht. Ganz tief innendrin finde ich auch „Hannebambl“ (etwas liebevollerer Ausdruck für Depp oder Idiot, Anm. d. Übers.) unheimlich schön. Auch da habe ich schon eine Nummer drüber … Wer is de Hannebambl? - Du! Und natürlich das tollste Wort überhaupt, eigentlich für jede Gelegenheit: „Alla“ ((Kur-)Pfälzer Universalwort, Anm. d. Red.). Die Geschichte, die Herkunft aus dem Französischen … das ist ein Zauberwort, das passt überall. Als Besänftigung, als Aufforderung, zum Verabschieden, zum Ermahnen … großartig!

Video: Chako und die Dutt ...

LM: Gehen wir mal ganz kurz nach Elwenfels (Handlungsort der Romanreihe von Christian und Britta Habekost). Inzwischen ist ja der fünfte Teil erschienen, dem Herrn Herb (Privatermittler und Held der Reihe) wird’s anscheinend auch nicht langweilig da …

Chako: Nein. Also wenn uns damals, als wir das angefangen haben, jemand gesagt hätte, ihr schreibt mal fünf Bände und seid bei einem großen Verlag in München, hätten wir gesagt, oh ja, bitte! Aber es war natürlich schon ein Weg dahin und wenn wir jetzt merken würden, die Luft ist raus, dann wären wir glaube ich die ersten, die sagen, wir beenden das jetzt. Aber es sprudeln immer noch so viele Ideen, zumal auch ein Buch immer das nächste aufbaut, ohne dass man alle gelesen haben muss.

Im vierten Band ist der Kirchturm schief, da kommen die Archäologen, dadurch wird Elwenfels in den Medien bekannt, im fünften Band kommt dann die Filmcrew, um dort einen Gangsterfilm zu drehen, und dadurch ist praktisch für den sechsten Teil auch schon mehr oder weniger die Vorlage gelegt. Denn wenn das Dorf jetzt durch den Film bekannt wird, da weißt du, was abgeht.

LM: … Da kommen dann die Touris?

Chako: Genau, wie in Hallstatt oder bei „The Beach“.

LM: Es ist ja auch eine Gemeinschaftsarbeit. Ihre Frau ist von Haus aus Autorin. Wie dürfen wir uns das vorstellen. Sie schreibt und  …?

Chako: … ich setz meinen Namen mit drauf (lacht). Nein. Das fragt natürlich jeder. Wie könnt ihr zusammen Bücher schreiben und seid noch verheiratet? Das geht deswegen, weil jeder weiß, was der andere gut kann. Sie kann gut erzählen, lange Texte schreiben und ich bin zwangsläufig durch meinen Beruf auf das Kurze geeicht, auf das Dialektale, die Mundart, den Witz und die Pointe. Das ergänzt sich. Wir setzen uns gemeinsam hin, denken uns die Geschichte aus. Und dann fängt sie an zu schreiben, Kapitel 1, dann krieg ich das auf meinen Schreibtisch und dann wird „gepimpt“, dann kommt der Dialekt mit rein.

LM: Wenn Sie ein neues Programm schreiben, wie kann man sich das vorstellen?

Chako: Zuerst einmal brauche ich die Inspiration. Heute hat man ja immer dieses nette, kleine Gerät dabei (zeigt auf sein Handy), da schreibt man kurz mal eine Notiz oder diktiert eine Sprachnotiz. Nachdem ich morgens aufgestanden bin und mich körperlich betätigt habe, denn der Körper muss auch das Gefühl bekommen, dass er stundenlang dasitzen und sich trotzdem gut fühlen darf, setze ich mich an den Computer. Und dann geht's los. An manchen Tagen habe ich dann eine Seite geschrieben und bin happy, an manchen Tagen nur einen Satz und bin total unglücklich. Das ist der Prozess.

LM: Haben Sie ein Testpublikum?

Chako: Ist die Schreibarbeit fertig, wird ausprobiert. Zuerst an der Frau. Ich habe das große Glück, dass meine Frau gern und viel lacht. Und wenn es poliert ist, gehts ans auswendig lernen. Das ist gar nicht so leicht. Fremde Texte sind ja so, wie sie sind. Aber bei eigenen denkst du oft, vielleicht geht es noch besser. Dann kommt meine Regisseurin, die Bettina Habekost, nicht zu verwechseln mit der Britta Habekost, und da wird oft 10 Tage am Stück jeden Tag gearbeitet, umgestellt, bis es eben fertig ist.

LM: Das ist dann auch noch mal eine Korrekturinstanz von außen …

Chako: Ja. Zwischendrin habe ich dann noch so zwei, drei interne Lesungen vor einem erlesenen Wohnzimmerpublikum. Danach habe ich auch schon Nummern aussortiert.

LM: Weil etwas nicht richtig funktioniert hat?

Chako: Nein, weil's zu böse war.

LM: Wo ist denn da die Grenze? Es ist ja auch eine Kunst, böse zu sein, gerade mit Mundart, wo manchmal auch was derber rüberkommt.

Chako: Ich wäre ehrlich gesagt gern manchmal viel böser, als ich bin. Gerade jetzt, wo die Zeiten nicht so gut sind. Da würde ich als mal gerne so richtig …

LM: … auf den Tisch hauen?

Chako: Ja. Aber über die Jahre hinweg erziehst du dir natürlich auch dein Publikum. Du willst ja niemanden verprellen. Man muss das ganz dosiert machen.

LM: Aber auch das ist ja eine Kunst, nicht gleich so in die Vollen zu gehen, den Grantler rauszuholen und dann gegen alles und jeden zu schießen …

Chako: Klar, es gibt es auch Kollegen, gerade im angelsächsischen Raum oder in den USA, die machen das schon immer. Wenn ich noch mal von vorne anfangen könnte, würde ich es auch so machen. Ich bin ja eigentlich das, was man im schriftstellerischen Bereich ‚Cozy Crime‘ nennt, eher der ‚Cozy Comedian‘. Kein Typ, der nur Lari-Fari macht, aber ich glaube schon, dass die Leute sich, wenn sie bei mir rausgehen, wohlfühlen.

LM: Ist es dennoch schwieriger geworden, lustig zu sein heute?

Chako: Auf jeden Fall. Das ist das, was mich eigentlich außer der Tatsache, dass der Dialekt eventuell vom Aussterben bedroht ist, am meisten umtreibt. Früher war die Rolle, die wir programmatisch innehaben durften, die des Hofnarren, der sagen darf, der König stinkt, ohne dass man gleich geköpft wird. Diese Lizenz zur freien Rede haben wir theoretisch ja auch. Wir dürfen Sachen sagen, die in der Gesellschaft normalerweise nicht gesagt werden dürfen, nicht einmal in Anführungszeichen. Dadurch dienen wir als Ventil. In vielen Leuten brodelt es ja. Und wenn dann einer auf der Bühne das für dich mal ausgesprochen hat, sagst du, ja, genau, klopfst dir auf die Schenkel, gehst heim und fühlst dich vielleicht ein bisschen besser.

LM: Das hat ja auch etwas Kathartisches, wenn jemand diese Rolle übernimmt …

Chako: Diese Rolle wird uns aber immer weiter aberzogen. Da muss selbst ein ausgewiesener Satiriker, der sicher nicht alles so meint, was er von sich gibt, dazu sagen, ‚hallo ich mache Satire, ist nicht böse gemeint‘. Auch wir Hofnarren der Gesellschaft müssen heute immer mehr aufpassen, was wir sagen.

LM: Haben Sie das auch schon erlebt?

Chako: In einer früheren Ausgabe meines Weihnachtsprogramms, und modifiziert auch dieses Mal, gibt es diese Geschichte, wie ich als kleiner Bub am ersten Weihnachtsfeiertag aufstehe. Unterm Weihnachtsbaum liegen alle Geschenke ausgepackt, die Eltern schlafen noch und ich spiele drauflos. Das war für mich als Kind das Tollste. Die Krippenfiguren habe ich dabei mit einbezogen. Da ist der Josef in der Ritterburg, die Maria tanzt im Saloon auf dem Tisch und das Jesuskind sitzt im Carrera-Rennauto und fliegt halt mal aus der Kurve ... Da habe ich danach eine Mail bekommen von einer Dame, die mir schrieb, ‚Herr Habekost, Sie beleidigen die HL-Familie. Wenn Sie in einem anderen Land leben würden, würde man Sie steinigen.‘ Sie hat mir praktisch zwischen den Zeilen gesagt, wie schade das ist, mich nicht steinigen zu können. Das habe ich einfach steckenlassen, aber dieses Runterschlucken, um nicht weiter das Feuer anzufachen oder gar den Social Media Shitstorm auszulösen, ist schon schwierig.

Christian "Chako" Habekost - CHAKOs GOSCHpel-Show

Hyp Yerlikaya

LM: Wie verbringen die Habekosts Weihnachten?

Chako: Ganz ehrlich, am liebsten würden die Habekosts gern abhauen in wärmere Gefilde. Ich habe schon viermal in meinem Leben Weihnachten im Warmen gefeiert - ein wunderbares Erlebnis, vor allem, wenn du irgendwo in der Karibik unter einem Plastikweihnachtsbaum sitzt. Eigentlich genau dasselbe wie hier, aber mit 30 Grad draußen. Und am nächsten Tag gehst du an den Strand.

LM: 30 Grad haben wir vielleicht auch bald hier …

Chako: (lacht) aber das hat so einen negativen Beigeschmack. Das würde man nicht genießen, da denkt man sofort wieder, die Welt geht unter …
Wir haben aber beide noch ältere Eltern und die legen auch großen Wert darauf, dass die Familie zusammen ist. Und in dieser speziellen Zeit kann ich gut auftreten, thematisch passend und mit entspannten Leuten, die sich darauf freuen, mal wieder aus dem Wohnzimmer rauszukommen. Egal wann, ich mache ja das, was ich machen will. Das ist ja das Tolle – ich habe einen Beruf, der mein Hobby ist. Das fühlt sich nicht wie Arbeit an.

LM: Das heißt auch wieder ein bisschen Feldforschung betreiben für‘s nächste Weihnachtsprogramm ...

Chako: Ahjoo.