Für viele Kulturbegeisterte ist das Kulturzentrum Tollhaus eine feste Anlaufstelle in Karlsruhe. Ob Musik, Kabarett, Comedy oder Poetry Slam, das Angebot ist gut gemixt.
„Ein besonderes Highlight ist es für mich, immer wieder zu erleben, wie engagiert das ganze Team im Tollhaus am Start ist und mit welcher Motivation alle sich auch über ihren eigentlichen Aufgabenbereich hinaus gegenseitig unterstützen und mitwirken. Eine solche Identifikation mit der Arbeit ist bei Weitem nicht selbstverständlich“, sagt Sebastian Bau. Der 38-jährige, gebürtige Essener fungiert seit einem Jahr als geschäftsführender Vorstand im Karlsruher Kulturzentrum Tollhaus und ist Nachfolger des dort langjährig tätigen Bernd Belschner.
Aufgabengebiet und Werdegang
Das Aufgabengebiet von Sebastian Bau, der im Karlsruher Stadtteil Rintheim wohnt, ist vielfältig und umfasst neben der Programmgestaltung und Veranstaltungsbetreuung auch Verhandlungen mit Agenturen, Partnern und Dienstleistern sowie die Themenfelder Finanzplanung, Personalführung, mit der strategischen Weiterentwicklung des Tollhaus und der Erschließung neuer Zielgruppen. Nach Schulzeit und Abitur in Essen schloss sich ein Bachelor-Studium „Tourismus und Event-Management“ in Dortmund an und in der Zeit von 2009 bis 2012 war Bau Mitarbeiter im Veranstaltungsbereich des Stadtmarketing in Essen (Essen Marketing GmbH).
Und er war schon früher im Tollhaus tätig! „Ja, von 2012 bis 2018 war ich tatsächlich Mitarbeiter im Tollhaus im Bereich Produktionsbüro und Booking, danach ging es nach Österreich wo ich bis Anfang 2023 Mitarbeiter bei MK Illumination und Geschäftsführer der Tochtergesellschaft Lumagica GmbH in Innsbruck arbeitete“. Dort war er für Entwicklung und Aufbau der Marke und des Veranstaltungskonzepts für weltweite Lichtinszenierungen zuständig.
Lieblingskünstler
Besondere Highlights in der Zeit in Karlsruhe? „Das Konzert mit Patti Smith im Vorjahr war sehr einprägsam, da sie an dem Tag gesundheitlich angeschlagen war und auch für das Publikum erkennbar am Anfang des Konzerts kämpfen musste. Ihr Wille, die Show aber bis zum Ende durchzuziehen, wurde mit langem und herzlichem Applaus honoriert“.
Als persönliche Lieblingskünstler führt Sebastian Bau, der in seiner Freizeit gerne mit dem Fahrrad fährt und als weitere Hobbys „Fernwandern und Trekking mit Rucksack, Zelt und allem was dazu gehört, vor allem in Skandinavien“, anführt, die Formationen Les Egares, Faber, Saint Sister, Fortuna Ehrenfeld oder auch Hania Rani an, „doch meine Favoriten und Bands wechseln ständig“.
Besondere Begegnungen
Vor etlichen Jahren hatte er eine besondere Begegnung mit Konzert-Impresario Fritz Rau im Rahmen einer Lesung, die der selbst organisiert hatte. Auch ein Zusammentreffen mit Klaus Voormann, der das Beatles-Cover des Albums „Revolver“ zeichnete, oder mit Deep Purples Tastenmann Jon Lord habe in sehr beeindruckt. „Ich war in der Planung von zwei Konzerten mit ihm und einem philharmonischen Orchester beteiligt und von seiner menschlichen Art sehr angetan“.
Video: Impressionen vom Zeltival 2023
Wie sich die Programmgestaltung im Tollhaus darstellt? „Das machen wir in einem kleinen Team aus vier Leuten, wobei auch weitere Menschen, zum Beispiel aus der Technik oder unseren ehrenamtlichen Helfern oder Besuchern beteiligt sind“.
Nach welchen Kriterien werden die Künstler ausgewählt?
Natürlich würden vonseiten des Publikums auch immer wieder Programmwünsche an das Tollhaus herangetragen. Maßgabe sei stets, dass es sich um handwerklich gute Künstler mit interessanten Inhalten, interessanten neuen künstlerischen Herangehensweisen oder Programmen zu spannenden gesellschaftlichen oder sozialen Themen handelt. „Im Grunde bringen wir nur Dinge auf die Bühne, hinter denen wir selbst stehen können“. Durch die Kapazitäten der Räume sei man darauf angewiesen, dass die Künstler auch einige Besucher anziehen. „Komplett unbekannte Newcomer sind daher für uns nur selten sinnvoll“.
Auch nach oben sei man beschränkt. „Für manche Bands sind wir leider mittlerweile zu klein geworden. Die Formation 'AnnenMayKantereit' hat bei Ihrer ersten Tour noch bei uns gespielt, heute wäre ein Auftritt aufgrund der Kapazität aber undenkbar“.
Preissteigerungen
Wie sich die Musikszene - speziell auch während und nach Corona - in den vergangenen Jahren verändert hat? „Unsere Besucher sind vorsichtiger geworden, was Neuentdeckungen und Experimente angeht, fokussieren sich aktuell eher auf die bekannten Namen“. Zudem kämen die allgemeinen Preissteigerungen auch im Tollhaus an. Höhere Gagen oder der Wunsch nach teilweise signifikanten Erhöhungen der Ticketpreise sei da. „Wir können und wollen diese Erhöhungen aber nicht komplett über steigende Ticketpreise an die Besucher weitergeben, damit Kultur weiterhin für alle zugänglich bleibt“. Dabei die Balance zwischen fairer Bezahlung der Künstler bei gleichzeitig möglichst viel zugänglicher Kultur zu wahren sei nicht immer leicht.
„Insgesamt ist das Tollhaus aber in einer guten finanziellen Lage, da über viele Jahre sehr nachhaltig gewirtschaftet wurde und wir unsere Herangehensweisen ständig hinterfragen“. Dennoch wäre eine Anpassung der Fördersummen, die beim Tollhaus lediglich 10 Prozent des Jahresetats betragen, an die allgemeinen Preissteigerungen und Inflation wünschenswert, sagt Bau. „Im Wesentlichen hat sich unser Zuschuss von Stadt und Land seit zehn Jahren nicht verändert“.
Klimabilanz
Auch mit dem Thema Nachhaltigkeit beschäftigt man sich seit vielen Jahren. „Bereits beim Neubau des großen Saals wurde 2009 eine Solaranlage eingebaut. Aktuell denken wir über eine Erweiterung auch im Bereich des kleinen Saals im Altbau nach“. Erstmalig habe man beim Projekt „Green Culture Index“ auch eine Klimabilanz für das Tollhaus erstellt und man arbeitet daran, diese kontinuierlich zu verbessern. Sei es durch technische Optimierungen wie smarte Heizung, Weiterführung der Umstellung auf LED-Beleuchtung oder Nutzung von Regenwasser. „Ehrlicherweise muss man aber auch sagen, dass die An- und Abreise von Künstlern und Publikum bei uns den größten Anteil des CO2-Austosses ausmacht. Hier versuchen wir Künstler zu mehr Reisen mit dem Zug zu ermutigen. Das klappt aber natürlich nicht immer und auch unser Publikum kann, gerade wenn es von weiter her kommt, nur bedingt auf den ÖPNV wechseln. Dennoch versuchen wir durch viele Fahrradständer rund um das Haus und regelmäßige Hinweise auf die gute Erreichbarkeit des Alten Schlachthofs mit der Tram innerhalb Karlsruhes auch in diesem Bereich Verbesserungen herbeizuführen“.
Eine gute kulturelle Vernetzung in Karlsruhe
Wie funktioniert die Zusammenarbeit und der Austausch mit den anderen Karlsruher Kultureinrichtungen wie Substage, Jubez, Tempel oder Hackerei? „Durch den Kulturring, einem Zusammenschluss vieler Kultureinrichtungen und Festivals in freier Trägerschaft in Karlsruhe, sind wir eigentlich mit allen Einrichtungen gut vernetzt und kooperieren bei diversen Gelegenheiten. Sei es mit dem Tempel im Rahmen des Festivals 'tanz Karlsruhe' oder mit dem KOHI bei diversen Konzerten oder dem KOHI Poetry Slam, der zwei Mal jährlich bei uns zu Gast ist. Durch die Nachbarschaft zum Substage und der Alten Hackerei arbeiten wir dort auch im Rahmen von 'ausgeschlachtet/schwein gehabt' zusammen. Auch in der politischen Lobbyarbeit bündeln wir regelmäßig unsere Kräfte“.
Natürlich könne es vorkommen, dass man sich für die gleichen Künstler/Bands interessiert. „Aber auch da stimmen wir uns so gut es geht ab, damit wir uns nicht gegenseitig Bands abluchsen, die schon mal in anderen Einrichtungen gespielt haben“.