„Sport hat eine unglaubliche Kraft. Sport macht glücklich. Und gerade für Menschen mit Handicap, die ein traumatisches Erlebnis hatten oder sich oft ausgeschlossen fühlen, ist Sport und gerade auch der Fußball das beste Heilmittel“, sagt Christian Heintz. Und der muss es wissen. Nach einem Autounfall verlor der „Fußballer aus Leidenschaft“ sein rechtes Bein, kämpfte um sein Leben, doch aufgeben war für den damals 26-Jährigen keine Option.
Dritte Bundesligasaison gestartet
Heute arbeitet er für den Verein „Anpfiff ins Leben“ in Sinsheim, koordiniert und organisiert, hat sein früheres Hobby zum Beruf gemacht – und spielt in der Amputierten Fußball-Bundesliga, die kürzlich auf der Sportanlage des VFB St. Leon in ihre dritte Saison startete.
Neu im Team „Anpfiff Hoffenheim“ ist Benedikt Berger aus Karlsruhe, der in seiner ersten Saison und bei den Spielen kürzlich gegen Düsseldorf, Mainz und SG Nord-Ost als bester Torhüter ausgezeichnet wurde.
Der heute 34-jährige Benedikt Berger wurde in Isny im Allgäu geboren, studierte später in Heidelberg Lehramt auf Deutsch und Geschichte und wohnt seit 2020 in der Fächerstadt. Nach einem Referendariat 2019 ist er seit drei Jahren an einem Gymnasium in Karlsruhe als Pädagoge tätig. „Ich habe eine Behinderung von Geburt an. Einen verkürzten, linken Unterarm unterhalb des Ellbogens. Die Ursache ist unklar“, so Berger.
Mit sieben Jahren begann er Fußball zu spielen, wie andere Kinder auch. „Ich bin mit der Behinderung geboren, wobei ich mich nicht wirklich als behindert verstehe“, betont er und sagt: „Beim Autofahren habe ich eine Prothese, doch diese ist eher die größere Behinderung, da ungewohnt und unnatürlich“. Nachdem er früher in der Kreisklasse bei der SG Friesenhofen im Allgäu kickte, schloss er sich während seiner Studienzeit der 2012 gegründeten Fußballgemeinschaft FG Rohrbach bei Heidelberg an.
Spontan ins Training eingestiegen
„Wir sind ein ganz normales Team und kein Spieler hat ein Handicap. Ich bin als Feldspieler im Mittelfeld unterwegs und wir sind ein bunter Haufen aus Studenten, Einheimischen und Zugezogenen, ehemals Geflüchteten, Alten und Jungen“, unterstreicht Berger. Über eine Freundin, die bei „Anpfiff ins Leben“ arbeitet, war erst vor kurzer Zeit der Kontakt nach Hoffenheim und zum Amputierten-Fußball zustande gekommen und Berger stieg spontan ins Training ein – allerdings als Torhüter.
Dann wurde er von Trainer Arpad Huber gleich ins Feuer geworfen und stand beim Auftaktspiel gegen Düsseldorf zwischen den Pfosten. Trotz der 0:2-Niederlage gegen den Titelverteidiger aus dem Rheinland war er bester Mann und wuchs spätestens beim 2:1-Sieg gegen die SG Nord-Ost über sich hinaus, als er durch zahlreiche Paraden glänzte und sogar einen 7-Meter-Strafstoß parierte.
Seine Rolle als Torwart interpretiert er so: „Als halber Libero mitspielen und als Anspielstation die Schnelligkeit meiner Beine nutzen, den anderen Orientierung und Struktur geben“. Den Torraum darf er auf keinen Fall verlassen. Er improvisiert insgesamt viel, schaut beim Profi-Fußball öfter auf die „Kollegen“, um zu lernen und sich weiter zu entwickeln. „Es macht sehr viel Spaß, im Wettbewerb und vor einer Zuschauerkulisse anzutreten. Und ich habe großen Respekt für die Spieler mit Krücken und deren koordinative Fähigkeiten“.
Dazu muss man wissen: Amputierten-Fußball ist eine rasante und dynamische Fußball-Variante auf Krücken und ermöglicht es Menschen mit Amputation oder Dysmelie nicht nur am Spielfeldrand zu stehen, sondern selbst Fußball zu spielen und am Mannschaftssport teilzuhaben. Im Regelwerk steht, dass 2x20 Minuten auf einer Spielfeldgröße von 40×20 Meter im Format 5 gegen 5 gespielt wird. Die Feldspieler müssen eine Beinamputation oder Beinverkürzung haben, die Torhüter einen amputierten oder verkürzten Arm. Pro Team kann eine Auszeit von einer Minute genommen werden und die Schiedsrichter haben eine Sonderausbildung für den Amputiertensport.
So läuft die Bundesligasaison
Der Verein „Anpfiff ins Leben“, der im Jahre 2021 die Amputierten-Fußball-Bundesliga (DAFL) gründete, ist seit dieser Zeit mit „Anpfiff Hoffenheim“ am Start und wurde bei der Premiere gleich Deutscher Meister. Beim Auftakt zur 3. Bundesligasaison im Rockhold-Stadion des VFB St. Leon und dort, wo in der Nachbarschaft die Frauen der TSG Hoffenheim ihr Trainingszentrum haben, griffen sie erneut ins sportliche Geschehen ein. Die Bundesligaspiele werden in Turnierform an drei Wochenenden ausgetragen, wobei nach St. Leon und Hamburg im Juli Wetzlar im Terminkalender steht. Am 2. September wird der Titelkampf dann in einer Play-Off-Runde beim amtierenden Meister in Düsseldorf entschieden.
Neben Anpfiff Hoffenheim und Titelverteidiger Fortuna Düsseldorf ging jetzt auch der FSV Mainz 05 sowie eine „Spielgemeinschaft Nord-Ost“ mit den Vereinen Hamburger SV, TeBe Berlin und den Sportfreunden Braunschweig an den Start, wobei „Jeder gegen Jeden“ antreten musste. Im Team von Mainz steht mit der 17-jährigen Nicola Roos aus dem Linkenheimer Ortsteil Spessart, die im Vorjahr ebenfalls über den Verein „Anpfiff ins Leben“ zu diesem Sport fand, auch eine junge Frau - die Einzige in der Amputierten-Bundesliga.
Auffällig bei den Spielen ist, dass die Spieler mit viel Ehrgeiz und Begeisterung am Ball sind, sich stets fair verhalten und, falls notwendig, auch dem Gegenspieler die Schnürsenkel binden oder auf die Krücken helfen. So geht Fairplay!
Die Ziele der beiden Hoffenheimer Übungsleiter Claus Bender und Arpad Huber für den weiteren Saisonverlauf lauten: „Wir möchten die Mannschaft weiterentwickeln und wie schon 2021 wieder Deutscher Meister werden“.
Und Benedikt Berger? „Mein Ziel ist Spaß am Sport zu haben, im Team besser zu werden und sich nicht zu verletzen“. Im Jahr 2016 hatte er sich schon mal die eine! Hand gebrochen. „Das waren keine schönen sechs Wochen“.
Video: Szenen vom ersten Turnierwochenende der Saison
Wer sich für den Amputierten-Sport interessiert oder beim Training in Hoffenheim (Silbergasse 22) vorbeischauen möchte, findet alle Infos hier. Ansprechpartnerin ist Michelle Dübon.