Allzu schnellen kommunalen Entscheidungen entsagen und langsam, durchdacht und nachhaltig in der eigenen Stadt Politik machen, sodass eine lebenswerte Kleinstadt entstehen kann – diesem Ideal der Entschleunigung eifern im Netzwerk „CittàSlow“ bundesweit 21 Städte nach, weltweit sind es etwa 240 Städte in 30 Ländern.
Sie alle sind als „CittàSlow“ zertifiziert. Bei der Zertifizierung werden eine nachhaltige Energie- und Umweltpolitik, die Infrastrukturpolitik, urbane Qualität, die Politik für Landwirtschaft, Tourismus und Handwerk, die Politik für Gastfreundschaft, Bewusstsein und Bildung sowie den sozialen Zusammenhalt und Partnerschaften bewertet.
Symbol Schnecke
Das Symbol des Netzwerks ist die Schnecke. Die Mitgliedsstädte arbeiten mit „nachhaltigen Gegenentwürfen“ in einer schnelllebigen und komplexen Zeit für die Förderung des regionalen Charakters, authentische Gastfreundschaft und größtmögliche Barrierefreiheit. Die „internationale Verreinigung der lebenswerten Städte“ will unter dieser Prämisse die Gemeinschaft und den Tourismus stärken. In BW sind fünf Kleinstädte Teil des Netzwerks.
Englisch für langsam
„Città“, italienisch für Stadt, und „slow“, englisch für langsam – wie der Name der Bewegung andeutet, entsprang sie den Vorstellungen eines weltoffenen Italieners und entstand im Jahr 1999. Die Idee dazu stammt von Paolo Saturnini, Bürgermeister des italienischen Ortes Greve in Chianti. Ihm haben sich sehr schnell weitere Bürgermeister angeschlossen, um dieses Projekt zu realisieren. Heute zahlen die Mitglieder-Kommunen regelmäßige Beiträge, um an der Arbeit des Netzwerks teilzuhaben.
Diese fünf Städte in BW sind dabei
Seit 2015 ist Deidesheims Bürgermeister Manfred Dörr Präsident des deutschen Netzwerkes, daher befindet sich der Hauptsitz im historischen Rathaus der Weinstadt. Das sind die fünf Städte in BW, die sich der Nachhaltigkeit und der Entschleunigung verschrieben haben:
Waldkirch: Erstes Mitglied in BW
Waldkirch wurde 2002 als erste Stadt in Baden-Württemberg und nach Hersbruck als zweite Stadt in Deutschland in die internationale Vereinigung der lebenswerten Städte, "CittàSlow", aufgenommen. „Das Typische, das Eigene, Heimat, Kultur und die Pflege des Brauchtums gehören ebenso dazu wie der werterhaltende Blick auf Zukünftiges - Beispiel Stadtentwicklung - und die Schonung der Umwelt“, das erklärt die Stadtverwaltung. Weltoffen und herzlich sei das Leben in einer CittàSlow wie Waldkirch.
Der Ort im Schwarzwald ist gleichermaßen von der an vielen Stellen sichtbaren Geschichte und der Natur geprägt. Die Gründung des Margarethenklosters 918 ist die Keimzelle der Stadt Waldkirch. Im Verlauf der Jahrhunderte wurden einige weitere Kirchen und Kapellen gebaut.
Die Stadt bietet einen virtuellen Rundgang an, der die historischen Orte näher erklärt. Der Schwarzwald lässt die Besucher und die Einheimischen in direkten Kontakt mit der Natur treten – das alleine verpflichtet die Stadt schon zu einem nachhaltigen und langsamen Umgang. „Langsam ist in diesem Zusammenhang eher eine sinnbildliche Übersetzung für eine bewusste Lebensart“, schreibt die Stadt auf ihrer Internetseite.
Schwetzingen: Die Marke Spargel
Schwetzingen ist seit dem Jahr 2018 Mitglied im Netzwerk "CittàSlow", die Arbeit der Stadtverwaltung sei jedoch schon Jahre zuvor auf Nachhaltigkeit und Entschleunigung ausgerichtet gewesen. Oberbürgermeister Dr. René Pöltl nennt hier den Umbau der Innenstadt vor dem Schloss, der den Autoverkehr in Schranken verwies und für eine ruhige Atmosphäre gesorgt habe. Davon profitierten die Bewohner, aber auch die Touristen
Auch der Spargel sei als Markenzeichen von Schwetzingen Grund dafür, sich der Nachhaltigkeit zu verschreiben, um so die Qualität zu sichern. Die Idee zum Beitritt zu "CittàSlow" sei aus dem engen Kontakt mit dem Deidesheimer Bürgermeister Manfred Dörr entstanden. Die Zertifizierung gebe Schwetzingen ein Alleinstellungsmerkmal in der Metropolregion Rhein-Neckar.
Überlingen: Entschleunigen am Bodensee
Überlingen hat rund 25.000 Einwohner und ist seit dem Jahr 2004 eine „CittàSlow“, sie gehört mit Waldkirch also zu den Urgesteinen in Baden-Württemberg, die dem Netzwerk beigetreten sind. In dieser Verbindung tauscht sich die Stadt, mit langem Bodensee Ufer und milden Temperaturen, regelmäßig darüber aus, wie kommunale Politik naturschonend und nachhaltig gestaltet werden kann.
Bad Wimpfen: Historischen Charme erhalten
„Als langsame Stadt geht es darum, sich ganz bewusst mit den anstehenden Themen in der Kommunalpolitik zu befassen und die Entscheidungsfindung und Maßnahmenplanung möglichst zu entschleunigen“, so formuliert die Stadtverwaltung der Stadt am Neckar mit Sole-Heilbad die Gründe, bei CittàSlow mitzumachen. Seit dem Jahr 2019 ist Bad Wimpfen mit im „Club der Schnecke“.
Bad Wimpfen ist sehr stark engagiert, den historischen Charme einer denkmalgeschützten Altstadt mit moderner Lebensqualität zu verbinden, und daraus eine lebens- und liebenswerte Stadtkultur zu entwickeln. Es gelingt vorbildlich, Besucher und Bewohner in harmonischen Einklang zu bringen, das erklärt Ute Bauschert von der Tourist-Information.
Der Umwelt- und Klimaschutz, sowie die Entwicklung eines erlebnisreichen und nachhaltigen Tourismus, stünden dabei in der Kommune an vorderster Stelle. Zahlreiche Vereine und engagierte Bürger trügen zur lebendigen Vielfalt an örtlichen Angeboten und Veranstaltungen bei.
Bad Schussenried: Genießen in Oberschwaben
Bad Schussenried liegt im Herzen Oberschwabens, zwischen Ulm und Ravensburg, im Landkreis Biberach, nicht weit vom Bodensee entfernt. Die Kleinstadt ist geprägt von sanften Hügeln, weiten Wiesen, Wälder, Seen und Weiher sowie Ried- und Moorlandschaften. Wie Patricia Mattes, Leiterin der Tourist-Information erklärt, hatte die Stadt gute Gründe, zertifiziertes Mitglied im „CittàSlow“-Netzwerk zu werden.
„In Bad Schussenried steht das Erleben und Genießen mit allen Sinnen im Vordergrund. Daher passt, dass sich die Stadt dem internationalen Netzwerk angeschlossen hat“, sagt Mattes, „Bad Schussenried möchte sich auf vielfältige Weise um eine höchstmögliche Lebensqualität bemühen“.
Die Klosterstadt habe sich längst auf den Weg gemacht, etwa durch die gelungene Sanierung des Stadtkerns samt verkehrsberuhigter Zone. Oder durch ein Veranstaltungsprogramm im Jahreslauf, das immer wieder aufs Neue überrasche und bei alledem ganz selbstverständlich traditionellen Werten verbunden bliebe. Mehrere Unternehmen wurden in Bad Schussenried bereits mit einer CittàSlow-Auszeichnung zertifiziert. Besonderes Augenmerk legt die Stadt auf ihre Energiepolitik.