Wo immerhin 13 Burgen und Ruinen zu erklettern sind und auch im Winter das Eis „in der Kurv“ schmeckt, dort fährt Sonja Faber-Schrecklein besonders gerne hin: ins Lautertal. Klettern und naschen Sie mit?

Eins isch sicher: A bissle geländegängig muss mer scho sei, um die vielen Höhepunkte im Lautertal zu erwandern. Allein 13 Burgen oder Ruinen gibt es zu erklimmen, und neun ganz besondere Wanderwege laden zu herausragenden Touren ein. Wer sich jetzt im Herbst ins große Lautertal begibt, erlebt sein persönliches Naturwunder im „Burgenreichsten Tal Deutschlands“. Dieses Prädikat hat es sich redlich verdient, im herbstlich-bunten Kleid, gehalten von einem blaumäandernden Gürtel … Heidenei, isch des a poetische Umschreibung. Und damit Sie auch wissen, wo genau „in the Länd“ wir uns befinden: Das Lautertal liegt genau zwischen Gomadingen auf der Schwäbischen Alb und Obermarchtal an der Donau. Es ist also von überall her gut zu erreichen, sogar mit Bus und Bahn.

Das Bächle nimmt seinen Anfang

Der Quelltopf ist (wemmer ganz ehrlich sind) nicht spektakulär. In Offenhausen, gleich hinter dem ehemaligen Gestütsmuseum und früheren Kloster, drückt sich das Wasser aus dem Karstbauch der Alb hoch, glasklar zwar, aber – brrrrr … ausnehmend kalt. So nimmt das Bächle seinen Anfang. Am Fuß des Sternbergs, wo der gleichnamige Turm der Schwäbischen Albvereins jahraus, jahrein zu einem herrlichen Weitblick einlädt. Die Lauter selbst ist zwar nicht eindeutig zu erkennen, aber die Landschaft drumrum: Richtung Münsingen, Hayingen, Engstingen und Sankt Johann. Sommers ist das dortige Wanderheim am Wochenende bewirtschaftet, jetzt im Herbst gibt’s jederzeit auch noch kühle Getränke – auf Vertrauensbasis: Das Kässle steht daneben und wurde noch nie belogen.

Landgestüt Marbach – ein Highlight

Mein ganz persönliches Highlight im Lautertal ist und bleibt das Haupt- und Landgestüt Marbach. Kein Ausflug hierher ohne PS-Stopp, die Boxengasse muss einfach sein. Von Kindesbeinen an faszinieren mich die heißblütigen Araberpferde – fast allesamt Nachkommen des stolzen Hengstes Hadban Enzahi, der in den 1950er-Jahren aus Ägypten nach Marbach kam und dessen lebensgroße Bronzestatue dort steht. Wer heute die silberne Herde in Marbach erblickt, also all die Araber-Stuten mit ihren Fohlen bei Fuß, dem geht bestimmt das Herz auf. Und er kann vielleicht König Wilhelm I. verstehen, dessen letzter Wunsch gewesen sein soll, dass diese Herde nie schwinden dürfe.

Den Esel bitten

Bestens ausgeschildert, geht es von Marbach aus talwärts auch per Fahrrad wunderbar. Oder lassen Sie sich doch von Sina und Casimir eine kurze Strecke begleiten. Die beiden Esel zeigen allen gestressten Städtern oder hektischen Workaholics die Leichtigkeit des Seins. Sie gehören Barbara Eisenschmid und Michael Zoeller aus Schelmenbühl und tragen meistens das Picknick, also die Kleinigkeit zum Aufpicken, die bei der AlbEntdecker-Wanderung in der Halbzeit verkasematuckelt wird. Und wenn die beiden nach der Rast nicht weiterwollen, braucht’s ein wenig Geduld und gutes Zureden. Wie heißt das Erfolgskonzept doch so schön: Einem Pferd befehlen, mit dem Muli verhandeln, und den Esel bitten (soll auch bei Zweibeinern funktionieren …).

Video: Traumradweg Großes Lautertal & Glastal

Geh …, gleich neunmal

Auch durch Dapfen lässt sich’s stapfen, in Wasserstetten im Gras ausstrecken, in Buttenhausen kommen die Flausen, und in Hundersingen die Stimmen vom Burg-Berg erklingen. Hohenhundersingen ist übrigens die erste der 13 Burgen und Burgruinen, die dem Tal ihren Stempel aufdrücken. Im nahe gelegenen Bichishausen folgt die nächste, und in Gundelfingen wartet eine ganz besondere. Wer Böckle auf des Bürgle hat, fährt auf den Wanderparkplatz auf gleicher Höhe. Oder „swiggert“ hoch. Heißt, von Gundelfingen rauflaufen, den Swiggern auf der Spur – ein mittelalterlicher Vorname der Herren, die auf Hohengundelfingen walteten. Ein Neu-­Ulmer Unternehmer kaufte einst die Burg, entschloss sich, sie wieder aufzubauen und hat somit dem Naturwunder Lautertal ein weiteres, ganzjährig begehbares Naturwunder geschaffen. Das Beste: Die äußerst sympathische Standesbeamtin von Münsingen, Julia Goller, traut Paare auf der Burg. Romantischer geht’s ja nimmer!

Neun ausgezeichnete Plätze

Wer sich „hochgehswiggert“ hat, kann mit „hochgehbürzelt“, „hochgehsprudelt“ oder „hochgehhütet“ weitermachen. Insgesamt neun solcher Wanderwege zu ausgezeichneten Plätzen bietet das Lautertal, immer mit eigener Bedeutung. Was sich wohl hinter „hochgehhütet“ versteckt? Apropos versteckt: Weithin sichtbar ist mein kulinarischer Ausflugstipp. Das Bootshaus in Bichishausen heißt so, weil es im Sommer bei entsprechendem Wasserstand der großen Lauter dort einen Bootsverleih gibt. Mit dem Kanu bis Indelhausen durchs Wasser gleiten – schöne Auszeit! Der Biergarten des Bootshauses ist allerdings erst wieder im Frühjahr geöffnet. Zur Vorfreude: Die Linsen mit Spätzle sind wunderbar, verschiedene Flammkuchen oder auch Schnitzel – läggor! Vielleicht gibt’s wieder ein Weihnachtsspezial? Dann unter freiem Himmel und gut eingewickelt. Vegane Kuchen sind dort außerdem der Renner.

Becherle oder Becher?

Hab ich jetzt den Süßzahn in Ihnen geweckt? Kein Problem, Nachschlag kommt direkt: In Indelhausen erwischt es Sie nämlich eiskalt. Die ehemalige Landwirt-Familie Bachmann hat sich ihren kühnen kühlen Traum verwirklicht und macht jetzt seit gut 20 Jahren in Speiseeis. Über 40 Sorten hat die Crew von Lautertal-Eis schon kreiert, mit Milch und Früchten aus der Region und Öko-Strom von der Sonne. In der jetzigen Jahreszeit mein Tipp: Pflaume-Zimt oder Rum-Krokant, köstlich! Nicht übersüßt, natürlich und schwäbisch gut, ob im Becherle oder im Becher. Wo? In Indelhausen-City in der Kurv, nicht zu verfehlen. Die eiskalte Erfrischung beim Wandern oder Radfahren.

Es geht auch autofrei

Sodele, jetzt wird’s ruhiger. Ab Anhausen ist das Lautertal nämlich autofrei. Nun heißt es erst recht, die Wasserschleifen genießen. Hier ist wirklich sichtbar, wie sich das Bächle über Jahrmillionen zuerst in das Gestein gefressen und den Weg in der Landschaft gebahnt hat. Gegenüber dreier weiterer Burg-Ruinen ein kleiner, anderer Höhepunkt: der Wasserfall „Hoher Gießel“. In früheren Zeiten galt es als Mutprobe, dort mit dem Schlauchboot runterzufahren. Und wer über Bord ging, wurde selbstredend wieder aufgesammelt. Ehrensache!

Sie merken, das Lautertal liegt mir am Herzen. Natürlich, abenteuerlich, einzigartig, auch im späten Herbst und frühen Winter. Dann wabert der Nebel, und es wird noch geheimnisvoller im burgenreichsten Tal Deutschlands, dem Naturwunder inmitten von the Länd: im großen Lautertal.

Sonja Faber-Schrecklein

MEIN LÄNDLE

Sie kennt das Ländle wie ihre Westentasche: Sonja Faber-Schrecklein. Nicht nur durch ihre Arbeit als Journalistin und Moderatorin für den SWR, sondern auch ganz privat. Für Mein Ländle hat sie ihre schönsten Erlebnisse an den originellsten Plätzen gesammelt.