Deutschland wird immer mehr zum Fahrradland. Nach einer neuen Erhebung verbringen immer mehr Menschen ihre Freizeit auf dem Zweirad. Kein Wunder, ist doch inzwischen das Angebot an Radwanderwegen unwiderstehlich zugänglich. Wer es einrichten kann, meidet die Wochenenden oder Feiertage, um die Wege und Strecken mehr für sich zu haben.

Schon der US-Schriftsteller Ernest Hemmingway wusste: „Beim Radfahren lernt man ein Land am besten kennen, weil man dessen Hügel empor schwitzt – und sie dann wieder hinuntersaust.“ Man könnte meinen, der gute Ernest hätte schon damals die Region Kraichgau-Stromberg gekannt!

Heute starten wir zu Fuß oder per Fahrrad zu einer Rundtour, die uns als Höhepunkt mit dem Kloster Maulbronn ein authentisches UNESCO-Weltkulturerbe mit lebendiger Atmosphäre aufzeigt. Hier atmet man Geschichte. Maulbronn gilt als eine der am besten erhaltenen, mittelalterlichen Klosteranlagen nördlich der Alpen. Architektur und Kulturlandschaft der Zisterzienser sind nahezu unverfälscht sichtbar. 1993 wurde das Kloster Maulbronn als erstes Denkmal in die Liste des Weltkulturerbes aufgenommen, da es wie kein anderes Zisterzienserkloster in Europa in einzigartiger Geschlossenheit erhalten ist.

Das Unteröwisheimer Schloss, früher der Maulbronner Pfleghof, ist heute als CVJM-Lebenshaus bekannt.

Hans-Joachim Of

Das Unteröwisheimer Schloss, früher der Maulbronner Pfleghof, ist heute als CVJM-Lebenshaus bekannt.

Viele Querverbindungen

Tourstart ist das Unteröwisheimer Schloss, der frühere Maulbronner Pfleghof und das heutige CVJM-Lebenshaus, das viele Querverbindungen zum Kloster Maulbronn aufweist. Nach der Säkularisierung des Klosters im Jahre 1534 durch Württemberg wurde der Pfleghof zum Schloss, später zur Schule ausgebaut. Bereits 1247 war in der früheren Stadtgemeinde Unteröwisheim eine Kapelle „St. Jakobus“ (die bis 1826 im Schlosshof stand) erwähnt worden. Über einen Rad- und Fußweg, direkt am Schloss, vorbei an der früheren Unteröwisheimer Mühle (heute Ursula-Blickle-Stiftung), gelangt man über Wiesen und Felder nach Oberöwisheim. Wer Zeit und Lust hat, kann in der Nähe des Bahnhofes auch kurz bei der Appenmühle am Kraichbach vorbeischauen.

Auch in Münzesheim befindet sich direkt am Radweg eine früher durch Wasserkraft angetriebene Mühle. Wir fahren oder wandern durch den historischen Ortskern, vorbei an der Martinskirche in Richtung Kreisel und weiter nach Oberacker. Am dortige Kreisverkehr kann man in den Sommermonaten einen Stopp einlegen und beim Gleitschirmclub Kraichtal vorbeischauen. Spontan entschlossene Mitmenschen können je nach Lust und Laune auch einen Tandemflug über den Kraichgau ins Auge fassen. Schnell ist man auf dem Radweg neben der B35/B239 in der Melanchthonstadt Bretten, der Kleinstadtperle im Herzen des Kraichgauer Hügellandes mit seiner mehr als 1250-jährigen Stadtgeschichte.

 Die Melanchthonstadt Bretten besitzt viele historische Gebäude.

Hans-Joachim Of

Die Melanchthonstadt Bretten besitzt viele historische Gebäude.

Auf den Spuren von Faust

Über die Fußgängerzone gelangt man zum Marktplatz mit seinen zahlreichen, historischen Bauwerken und Sehenswürdigkeiten. Museen wie das Geburtshaus des bedeutenden Reformators Philipp Melanchthon oder das Museum im Schweizer Hof bieten selbst an Regentagen ein abwechslungsreiches Programm. Ein Stopp in einem der zahlreichen Außencafés oder Restaurants ist ebenfalls angebracht, ebenso ein Bummel durch die kleinen Läden, mitten im Fachwerkensemble. Wir reisen weiter nach Knittlingen im Enzkreis und können je Gusto das weit über die regionalen Grenzen hinaus bekannte Faust-Museum (seit 1980 im alten Rathaus) besuchen. Wer sich intensiv mit dem faustischen Mythos befasst, dessen Dokumentierung bis zum historischen Ursprung um 1480 des Georg Johann Faust reicht, sollte jede Menge Zeit einplanen – oder der Fauststadt eine eigene Tour widmen. Lohnt!

Schließlich sind wir auf der Welterbe-Tour direkt in den, von mittelalterlichen Mauern und Türmen umschlossenen, Klosterhof Maulbronn hineingeradelt. Gut, dass man direkt am alten Rathaus für die E-Biker wieder eine kostenlose „Stromtankstelle“ mit zehn Zapfstellen eingerichtet hat. Dass dieses Kloster-Ensemble ein kulturgeschichtliches Zeugnis erster Güte darstellt, braucht eigentlich keiner besonderen Erwähnung. Zu den architektonischen Höhepunkten gehören neben der romanischen Klosterkirche der gotische Kreuzgang und das Brunnenhaus innerhalb der Klausur.

Eine gute Erfrischung

Das „Paradies“ – die Vorhalle der Klosterkirche – erhielt seinen Namen aus der Tradition, den Vorraum der Kirche mit der Geschichte des Sündenfalls auszumalen. Die letzten Reste aus dem Jahr 1522 sind jedoch nur noch geringfügig erhalten. In der Nähe eines prächtigen Magnolienbaumes kann der Radler oder Wanderer im Sommer gemütlich ausruhen und ein leckeres Eis genießen. So, wie es der Autor dieser Zeilen bei seinem kürzlichen Besuch machte.

Ein historisches Fachwerk-Ensemble

Hans-Joachim Of

Ein historisches Fachwerk-Ensemble

Nach der ausgiebigen Visite in der Abgeschiedenheit des Salzbachtales kann man zurück über Bretten, Flehingen und Gochsheim reisen und dann den bekannten Weg über Oberacker nehmen. Als Alternativroute kann man auch den relativ flachen Radweg Bretten-Gondelsheim-Helmsheim-Heidelsheim bis nach Bruchsal benutzen und auch dort in die jeweilige Geschichte der einzelnen Orte eintauchen. Letztlich und nach rund 50 bis 70 Kilometer (je nach Abzweigungen in verschiedene Richtungen) gelangen wir wieder nach Unteröwisheim. Klar, dass man jetzt ein kühles Getränk in einer der (hoffentlich offenen) örtlichen Wirtschaften oder im Biergarten zu sich nehmen will. Meine Empfehlung: Radler!

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Rad- und Wanderstrecken in und um den Kraichgau

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