Im Grunde führt die rund zehn Kilometer lange Fohlenhausrunde (einer der sechs „Eiszeit-Pfade“ auf der Schwäbischen Alb) durch die Urzeit der Erde. Das stimmt durchaus wörtlich, verläuft dieser Qualitätswanderweg doch quasi auf dem Grund des einstigen Jurameeres, das vor rund 200 Millionen Jahren die Gegend bedeckte.

Was die Schwäbische Alb alles zu bieten hat

Der helle Felsen am Salzbühl mit seiner kleinen Höhle ist auch ein Zeugnis des Jura-Meeres, das sich vor 200 Millionen Jahren über Süddeutschland erstreckte

MEIN LÄNDLE/Jürgen Gerrmann

Der helle Felsen am Salzbühl mit seiner kleinen Höhle ist auch ein Zeugnis des Jura-Meeres, das sich vor 200 Millionen Jahren über Süddeutschland erstreckte
Bei fast jedem Felsen fragt man sich: Ob da wohl einst Menschen gewohnt haben?

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Immer wieder stößt man auf Höhlen im Fels
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Spuren davon sind zum Beispiel die hellen Felsen am Wegesrand (wie gleich zu Beginn das Massiv am Salzbühl mit seiner Höhle), die aus den einstigen Korallen dieses Ozeans mit seiner reichen Tierwelt bestehen. Wo wir heute munter voranschreiten, tummelten sich dereinst Haie, Wale, aber auch mittlerweile ausgestorbene Reptilien wie der Ichthyo- oder der Plesio-Saurier, die damals ihre erste Blütezeit erlebten.

Als der Neckar noch rechts abbog

Vor rund 60 Millionen Jahren wiederum hätten Sie sich hier am Neckarstrand befunden. Denn im Tertiär, wie diese erdgeschichtliche Epoche bezeichnet wird, machte der Neckar noch nicht seinen berühmten Knick bei Plochingen Richtung Nordwesten und letztlich Richtung Rhein, sondern floss gen Osten und über das Tal der Ur-Lone in die Donau. Durch Erosion veränderte der Ur-Neckar am Schurwald seinen Lauf und strebte nicht mehr nach rechts, sondern nach links – das Lonetal avancierte zum Trockental. Was das bedeutet, offenbaren die Zeiten des Klimawandels ganz besonders: Bis kurz nach der Jahrtausendwende führte das Bächlein noch regelmäßig Wasser, heute ist es in der Regel ausgetrocknet.

Anhand von Sträuchern und Bewuchs kann man den Verlauf der Lone nachvollziehen

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Anhand von Sträuchern und Bewuchs kann man den Verlauf der Lone nachvollziehen
Brücklein führen im Lonetal über den Wasserlauf, der allerdings die meiste Zeit des Jahres trockengefallen ist

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Brücklein führen im Lonetal über den Wasserlauf, der allerdings die meiste Zeit des Jahres trockengefallen ist
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„Wässre“ - Historische Wasser-Reservoirs

Doch auch in früheren Zeiten konnte von Wasserreichtum hier keine Rede sein. Kein Wunder also, dass sich die Altvorderen schon vor über 600 Jahren Gedanken machten, wie diese Knappheit in den Griff zu bekommen wäre. Die Lösung waren die „Wässre“, wie die Stauanlagen aus Eichenholzbrettern im Volksmund hießen. Gleich auf dem ersten Kilometer der Tour lässt sich eine solche historische Einrichtung bewundern.

Sie sollte gleich viererlei Zwecke erfüllen: die Wiesen bewässern, aber auch düngen, den Boden zur Wachstumsverbesserung erwärmen und schließlich auch Wühlmäuse und Maulwürfe bekämpfen. Und später speiste sie sogar noch einen kleinen Badesee. So wertvoll sich die Anlage für die Bauern erwies – der Ertrag ihrer Viehweiden steigerte sich gewaltig –, so sehr ärgerten sich die Müller, die das Wasser für ihre Mühlen benötigten. Trotz aller Absprachen und Verträge (der älteste erhaltene stammt aus dem Jahre 1494) stritt man 400 Jahre lang um und über das kostbare Nass.

Schon früh im Jahr zeigen sich im Lonetal die ersten Boten des Lenz

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Schon früh im Jahr zeigen sich im Lonetal die ersten Boten des Lenz
Moosbedeckte Steine säumen den Weg vom Tal hinauf zur Hochebene bei Börslingen

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Moosbedeckte Steine säumen den Weg vom Tal hinauf zur Hochebene bei Börslingen
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Jagdplatz der Jungsteinzeit

Doch lange vor den Bauern lebten die Jäger und Sammler im Lonetal. Am Fohlenhaus, dem großen Felsen, der diesem Wanderweg den Namen gab, lässt sich das noch wunderbar nachvollziehen. Die Eingänge der beiden Höhlen – die obere ist zehn, die untere siebeneinhalb Meter lang – sind nach Südwesten ausgerichtet. Was bedeutet: Man hatte über einen Großteil des Tages Sonne. Um die Erforschung dieses Platzes haben sich zwei Hobby-Archäologen verdient gemacht: der Langenauer Oberförster Ludwig Bürger vor 140 und der Geislinger Oberstudiendirektor und Maler Albert Kley vor 76 Jahren.

Kleine Steine, große Geschichte

Als besondere Fundgrube sollte sich dabei die untere Höhle in nur zweieinhalb Metern über der Talsohle entpuppen. Bürger entdeckte dort Ende des 19. Jahrhunderts viele kleine Geräte aus Hornstein, einem silikatreichen Sediment, das Bergleute im Mittelalter als besonders zäh einstuften. Dem Oberförster war indes noch nicht klar, welche kulturgeschichtliche Bedeutung seine Funde haben sollten.

In jenen Jahren kannte man noch keine Einteilung der Steinzeit in drei verschiedene Epochen: alt, mittel und jung. Wie sich später herausstellte, gehörten seine Funde der frühesten Phase an – also der Altsteinzeit. Kley wiederum stieß als Erster auf sogenannte Mikrolithen (übers.: kleine Steine) – kleinste Werkzeuge aus Kiesel, Feuerstein oder Quarz. Die wiederum sind typisch für die Mittelsteinzeit, zwischen 9600 bis 5500 vor Christus. Die wohl bekannteste Verwendung dafür sind Pfeilspitzen für die Jagd.

Bei fast jedem Felsen fragt man sich: Ob da wohl einst Menschen gewohnt haben?

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Bei fast jedem Felsen fragt man sich: Ob da wohl einst Menschen gewohnt haben?

Fundstücke: Pfeilspitzen und Projektile

Noch mehr Licht ins Urzeit-Dunkel brachte wiederum der Tübinger Urgeschichtler und spätere Kölner Uniprofessor Wolfgang Taute, der die Siedlungsphasen am Fohlenhaus intensiver nachvollziehen konnte. Er geht davon aus, dass sich in der ausgehenden Altsteinzeit, also vor rund 12 000 Jahren, erstmals Menschen hier niederließen. Die wichtigsten Hinterlassenschaften datierte er indes auf die frühe und späte Jungsteinzeit. Die kleinen Pfeilspitzen und Projektile für Wurfspeere ließen ihn vermuten, dass es sich beim Fohlenhaus nicht um eine dauerhafte Siedlung, sondern in erster Linie um einen günstig gelegenen Jagdplatz gehandelt haben dürfte.

Löwen auf der Schwäbischen Alb

Zu jagen gab es in der Steinzeit viel. Über die Schwäbische Alb schlichen damals sogar Löwen, die eine durchaus begehrte Beute gewesen sein dürften. Im Hohlen Fels bei Schelklingen fand man zum Beispiel Knochen und Zähne der gewaltigen Tiere, die um etwa ein Drittel größer waren als die, die man heute in den Savannen Afrikas bewundern kann. Höhlenzeichnungen deuten darauf hin, dass sie im Gegensatz zu den heutigen Exemplaren keine Mähnen hatten. Schnittspuren auf den Knochen vom Hohlen Fels verraten wiederum, dass die Menschen der Altsteinzeit, nicht nur das Fell der Raubkatze, die quasi vor ihrem Höhleneingang selbst auf die Pirsch nach größeren Pflanzenfressern ging, abzogen, sondern wohl auch das Fleisch verspeisten. Manchmal ereilte sie indes dieses Schicksal selbst, denn die Löwen machten auf ihrer Jagd keinen Unterschied zwischen Tieren und dem Homo sapiens.

Video: Das Mammut aus dem Lonetal

(Anmerkung der Redaktion: Der Betrieb des Archäopark Vogelherd wurde eingestellt. Aktuell ist das Mammut-Fundstück im Rahmen einer Sonderausstellung im Archäologischen Landesmuseum in Konstanz zu sehen. Informationen dazu)

Mammut – eine begehrte Jagdbeute

Sie waren aber auch Konkurrenten im Kampf um ein überaus begehrtes Jagdobjekt, gerade in der Zeit vor dem Winter: das Mammut. Die riesigen elefanten­ähnlichen Tiere zogen im Herbst von den grasreichen Steppen im Norden über das eiszeitlich kalte Lonetal in Richtung des wärmeren Südens. Schon die Neandertaler hatten ihnen hier auf ihrem Zug nachgestellt, und für den Homo sapiens hatte das Mammut mit seinem Fell und Fleisch ebenfalls eine große Bedeutung als „Rohstofflieferant“ – durchaus vergleichbar mit dem hohen Stellenwert des Büffels für die Indianer. Das Fleisch bewahrte die Stämme vor allem in der kalten Jahreszeit vor dem Verhungern (und auch vor dem ständigen Auf-die-Jagd-Gehen in dieser unwirtlichen Zeit), die Stoßzähne ließen sich als Grundgerüst für Zelte oder als Rohmaterial für Waffen verwenden, aus den Fellen wurden Kleidungsstücke oder Zeltplanen, aus den Sehnen Schnüre.

Eiszeit-Pfade

Außer der Fohlenhausrunde gibt es noch fünf weitere Eiszeit-Pfade auf der Schwäbischen Alb, alle im Alb-Donau-Kreis.

  1. Der Neandertalerweg führt von Lindenau aus über gut zwölf Kilometer und drei Stunden auf relativ flachem Terrain (nur etwa 100 Meter Höhenunterschied) zu den Fundstätten der legendären Eiszeitkunst – unter anderem zu dem Platz, auf dem der Löwenmensch entdeckt wurde.
  2. Einer der Höhepunkte des Blaubeurer Felsenstiegs (10 Kilometer / 3 Stunden / 440 Höhenmeter) ist ganz sicher der sagenumwobene Blautopf. Gesäumt wird er aber auch von romantischen Felsgebilden wie der Küssenden Sau.
  3. Auf die Spuren der frühen Menschheit kann man sich ab dem Stadtrand von Blaubeuren machen: Der gut neun Kilometer lange Eiszeitjägerpfad führt über drei Stunden bei 430 Metern Höhenunterschied nicht zuletzt zum Geißenklösterle, in dem unter anderem Flöten aus Knochen und Elfenbein entdeckt wurden.
  4. Durchs und übers Große Lautertal leitet der eher kurze Burgfelsenpfad (6,5 Kilometer / 2 Stunden / 150 Höhenmeter) mit Start und Ziel in Unterwilzingen. Ein Highlight: der Burgturm auf der Felsnase des Wartstein.
  5. Der Lauterfelsensteig verbindet über knapp 14 Kilometer ab dem Bahnhof Herrlingen das Blautal mit dem Kleinen Lautertal. Auf dem rund vierstündigen Weg sind etwa 300 Höhenmeter auf die Hochfläche der Alb zu bewältigen.

Schwierigkeitsgrad: Alle Eiszeitpfade sind als mittelschwer eingestuft.

Wandererlebnis "Eiszeitpfade" im Alb-Donau-Kreis

Jagdszenen der Frühzeit

Wissenschaftler gehen davon aus, dass die Menschen jener Zeit sich bei der Jagd ein machtvolles Hilfsmittel zunutze machten: das Feuer. Vermutlich trieben sie die Herden des Nachts in die sumpfigen Böden des Lonetals, aus denen es für die Kolosse kein Entrinnen gab. Oder sie nutzten das Vertrauen der Tiere aus, die ihre zweibeinigen Zeitgenossen arglos nah herankommen ließen. So konnte ein mutiger Jäger mit einer Stoßlanze das Herz oder die Augen des Mammuts treffen und es damit tödlich verwunden. Allerdings war das auch höchst riskant: Klappte es nicht, gingen die Tiere zum Gegenangriff über und kannten mit ihren bis zu vier Meter langen Stoßzähnen ebenso kein Pardon. Die Jäger wurden zu Gejagten.

Einer der berühmtesten Funde aus dem Lonetal: der Löwenmensch zu bewundern im Museum der Stadt Ulm

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Der Löwenmensch ist einer der berühmtesten Funde aus dem Lonetal

Der Löwenmensch vom Lonetal

Löwe und Mammut vereinen sich in einer faszinierenden Figur, die 1939 ebenfalls im Lonetal (nur rund ein Dutzend Kilometer vom Fohlenhaus) unter der Regie des Tübinger Urgeschichtlers Robert Wetzel gefunden wurde: 200 Einzelteile des „Löwenmenschen“ (wie er später genannt wurde) lagerten weit abseits der Wohn- und Arbeitsbereiche ganz hinten in der Stadel-Höhle. Rings um die Bruchstücke tauchten Anhänger aus Elfenbein und durchlochte Zähne von Wolf, Fuchs und Rothirsch auf. Was zwei Vermutungen Nahrung gibt: Entweder wollten die Zeitgenossen die Statue und den Schmuck dort in Sicherheit bringen, konnten die Stücke aber nie wieder abholen – oder es handelte sich um einen kultischen Ort und der Löwenmensch bildete das Zentrum von Ritualen.

Video: Eiszeitkunst der Schwäbischen Alb – UNESCO-Welterbe

► Hohle Fels: Der Hohle Fels gehört zum UNESCO-Welterbe „Höhlen und Eiszeitkunst der Schwäbischen Alb“

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Robert Wetzels Kisten im Ulmer Stadtmuseum

Da es sich bei der Fohlenhausrunde nur um eine Halbtagestour handelt, empfiehlt sich davor oder danach ein Abstecher ins Museum Ulm, das dem Löwenmenschen sowie dem steinzeitlichen Leben auf der Alb und im Lonetal dankenswerterweise viel Raum gibt. Der Löwenmensch fasziniert sogar (oder gerade) im Hightech-Zeitalter alle Besucher, und die Geschichte seiner Rekonstruktion ist geradezu atemberaubend: Wetzel übereignete sämtliche Ergebnisse seiner Forschungen im Lonetal dem Museum der Stadt Ulm. Nach seinem Tod wurden über 2000 Zigarrenkisten und Kartons mit unzähligen Fundstücken im Magazin dort deponiert. Als der Archäologe Joachim Hahn sie 1969 inventarisierte, stieß er auf das Kistchen mit dem Datum 25. August 1939.

Eine archäologische Sensation

Zunächst vermutete er darin nichts Besonderes. Dann aber elektrisierten ihn die Schnitzspuren an den Elfenbeinfragmenten. Seine bruchstückhafte Rekonstruktion wurde in den 1980er-Jahren unter Anleitung der Paläontologin Elisabeth Schmid von der Restauratorin Ute Wolf in den Werkstätten des Württembergischen Landesmuseums in Stuttgart zunächst in ihre Einzelteile zerlegt und dann mit später aufgetauchten Teilchen neu zusammengesetzt. Der 40 000 Jahre alte Löwenmensch gilt mithin auch als eines der frühesten kreativen Zeugnisse der Menschheit. In den Höhlen im Lonetal und auf der Alb lebten Künstler, deren schöpferische Leistung heute noch höchste Bewunderung verdient. Und das kann einen als Schwaben auch ganz schön stolz machen.

(Anmerkung der Redaktion: Das Museum Ulm ist derzeit wegen Umbau- und Sanierungsmaßnahmen geschlossen. Der Löwenmensch ist jedoch seit Januar 2024 in der benachbarten kunsthalle weishaupt zu bestaunen. Dort ist das Museum während der Umbauzeit mit verschiedenen Ausstellungen und Veranstaltungen zu Gast.)

Eintauchen in die Urzeit können Sie auch in der HöhlenErlebnisWelt in Giengen an der Brenz

Im Urgeschichtlichen Museum Blaubeuren lernen Sie Wissenswertes über die Eiszeit

Tourenverlauf der Fohlenhaus-Runde

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Tourenverlauf der Fohlenhaus-Runde

Fohlenhausrunde

Start und Ziel: ­Wanderparkplatz ­Salzbühl bei Bernstadt
(GPS 48.517540, 10.033839)
Strecke: 11,5 km
Höhenunterschiede: je 200 m Auf- und Abstieg
Gehdauer: 3,5 Stdn.
Schwierigkeitsgrad: mittel

Informationen

Tipp:

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