Koihoizong“, „Dsunscheintschauschee“ und „Hättkøn-øn-kamm?“ – Chinesisch vom Feinsten? Ne, ne, ne – so schwätzt mer auf dem großen Heuberg und im Donaubergland. Zum Beispiel in Fridingen. Ach, Sie wollen natürlich die schriftdeutsche Übersetzung.
Ja, so ging’s mir auch bei meinem ersten Mal … Nichts leichter als das: „Es ist kalt im Raum“, „Die Sonne hat schon viel Kraft“ und „Wer von Euch kann mir bitte einen Kamm geben?“ Jetzt mal ehrlich, Fridingen an der Donau ist ein kleines, hübsches Städtle. Es hat Charme und unglaublich herzliche Leut’ – und wemmer se mal versteht, isch es dort einmalig schön.
Video: Fridingen im Porträt
Fridingen besticht durch Einiges: eine lange, prägende Geschichte mit Österreich, natürlich die Lage an der Donau und – ein beherrschender Charakterzug der Einheimischen – gelebtes Ehrenamt. Hier macht fast jeder irgendetwas freiwillig für einen anderen.
Ein Fünftel Ehrenamt
Ob die Nächstenliebe die katholischen Fridinger so zusammenschweißt? Oder die Fasnet, die unübersehbar ins Städtle gehört? Vielleicht ist es auch die Donau selbst, die alles im Fluss hält. Jedenfalls haben mich die Menschen dort überzeugt. Ich hab’ selten so viel freiwilliges Engagement erlebt. Den Vogel schießt die Nachbarschaftshilfe ab: Über 600 Mitglieder bei 3100 Einwohnern, also quasi ein Fünftel. Dass es so was überhaupt gibt!
Die Einsatzzentrale, der Vorstand und die Helfenden, sie alle tun ihren „Dienst“ für einen freundlichen Händedruck. Oder ein freundliches „Dankeschön“. Da schiebt der frühere Schulkamerad seinen ehemaligen Nebensitzer durch die Gegend, weil der nimmer laufen kann, und beide gehen anschließend einkehren. Oder ein nimmermüder Junggeselle kriegt doch noch eine Frau, die ihm den Haushalt schmeißt. Oder mer fährt mit’nander zum Einkaufen und trägt die schweren Taschen. Oder, oder, oder …
Glückliche Senioren
Besonders schön: die einheimischen Gastronomen kochen im vier- oder fünfwöchigen Rhythmus für die Senioren im Städtle, die sich jeden Donnerstag zum Mittagessen und ausdauerndem Schwätzle treffen. Eine Gesprächskulisse sondergleichen und lauter glückliche Gesichter, zumal die Nachbarschaftshilfe auch den Fahr- und Schöpfdienst stellt. Glücklich ist, wer in Fridingen älter werden darf. Die Nachbarschaft hilft, wo sie kann.
Auch eine tolle Truppe: die Bergwacht Donau-Heuberg mit Sitz in Fridingen. An die 30 Freiwillige, die in ihrer Freizeit ehrenamtlich Menschen aus schwierigen, wenn nicht gar sprichwörtlich ausweglosen Situationen retten. Bei einer Probe durfte ich sogar teilnehmen – und „Lady in Not“ spielen.
Rettungsübung hautnah miterlebt
Die Frauen und Männer haben mich 20 Meter von einem Felsen im Donautal abgeseilt. Oben, auf dem Berg, wurde ich sicher verpackt und dann wie eine Frühlingsrolle eingewickelt den Felsen nach unten abgelassen. Wie im Ernstfall sprach während der Aktion immer ein junger Mann beruhigend auf mich ein, erkundigte sich ständig nach meinem Wohlbefinden und passte auf mich auf. Außerdem begleitete ihn ein Sanitäter am Nachbarseil, es könnte bei mir ja zu Komplikationen kommen.
Hobby als Berufung
Ich habe mich völlig sicher gefühlt, nicht zuletzt, weil oben ein weiterer Kollege an der Seilbremse beste Dienste verrichtete und am Fels-Ende andere Kollegen schon auf mich warteten. Nur mein gewünschter Campari-Orange kam entschieden zu spät. Ein anschließender Übungsteil für Knoten, Baumrettung (die Gleitschirmflieger bleiben oft in den Wipfeln hängen) und Herzkreislaufmassage hat mir klargemacht: Diese Menschen retten Leben– ein Hobby wird hier zur Berufung.
Theaterkehrwoche auf der Naturbühne Steintäle
Einzigartig auch in Fridingen: die Naturbühne Steintäle. Der halbe Ort spielt mit, wenn es in den Sommermonaten die andere Hälfte dorthin zieht. Seit 60 Jahren geben große und kleine, ältere und jüngere Laienschauspieler dort ihr Bestes. Die einen sind für die Technik da, die anderen kümmern sich um den riesigen Kleiderfundus. Das Wichtigste allerdings vor dem Vergnügen: die Pflicht – Kehrwoche. Die Blätter eines ganzen Winters müssen von Sitzreihen und Bühnen-Etagen runter, es scheint der ganze Laubanteil des Schwarzwalds zu sein. Alles, was Hände hat, kriegt einen Besen und kehrt. Oder hebt auf. Oder karrt weg. Wenn dannalles sauber ist, kann’s losgehen.
► Freilichtbühnen in Baden-Württemberg – die 7 schönsten in BW
Dieses Jahr stand eine Uraufführung auf dem Plan: Es ging um ein Teufelskind, so abwertend betitelten die Leut’ früher Waisen. Das Stück hat ein Fridinger geschrieben. Es war ein voller Erfolg. Viele Besucher und Zuschauer haben das Stück gesehen, und die Schauspieler aus Fridingen haben den Applaus verdient. Die Auswendiglernerei, die Probenzeiten, die vielen Versprecher, alles war mit einem „Vorhang“ vergessen.
Auch das Kinderstück in diesem Jahr, „Rabatz im Zauberwald“, hat nicht nur den Kids Spaß gemacht: Das Publikum war bis zum Schluss gebannt, wer den Märchenfiguren die Accessoires geklaut hat. Und ich erinnere mich immer noch an die Musik: bababb – ba – babbab – bahhh, Rabatz im Zauberwald!
Es gäbe noch so viele Ehrenämter aufzuzählen: Sportvereine, Fastnachter, Wanderbegleiter inmitten der Donau-Wellen und den Förderverein Freibad, der sich gegründet hat, um das schicke Bad während der Sommerzeit offen zu halten. Mit guten Ideen helfen sie der Bademeisterin bei der Arbeit und dem Städtle bei der Bewältigung der vielen Aufgaben. Kurzum: Fridingen ist ein Städtle mit Herz, Seele und Menschenverstand.
Und – mein persönlicher Tipp – es gibt ein ehrliches „Scharfeck“ zum gemütlichen Einkehren, wo der Gast noch König ist.