Hier duftet es frisch und süßlich, etwas Zitrus, etwas Holz. Nur zu, versuchen Sie es selbst. Das Geruchsorgan in den Wind halten und los geht’s. Wenn Sie ein feines Näschen haben, sind Sie in Weinheim an der Bergstraße jetzt genau richtig. Für die Augen gibt es auch was. Sobald die Mandelbäume zu blühen beginnen, erleben Sie quasi länderübergreifend eine Sinnesexplosion. Nicht umsonst nennt man das Gebiet zwischen dem nördlichen Baden und dem südlichen Hessen „Frühlingsgarten“.

Blühende Obstbäume und Weinstöcke an der Bergstraße

MEIN LÄNDLE, Thomas Fischer

Obst- und Mandelblüte an der Bergstraße
Einzelner Mandelblütenzweig

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Die frühe Mandelblüte ist typisch für die mediterrane Bergstraße
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Einheimische und Gäste haben die Bergstraße mit ihrem milden Klima schon zu allen Zeiten gepriesen. „Hier fängt Deutschland an, Italien zu werden“, soll Kaiser Joseph II. gesagt haben, als er im Jahr 1764 nach seiner Krönung in Frankfurt per Kutsche auf dem Rückweg nach Wien an Weinheim vorbeikam. Von dem mediterranen Flair profitieren der weltweit bekannte Schau- und Sichtungsgarten Hermannshof und der Schlosspark mit mehr als 140 Baumarten und 60 Hektar Exotenwald.

► Staudengarten Hermannshof

Im sogenannten Kleinen Schloss­park finden Sie die größte und vermutlich älteste Libanonzeder auf deutschem Boden ... uff! So viel Gartenprogramm wollten Sie gar nicht einlegen? „Kää Broblääm“, wie der Kurpfälzer sagt. Es gibt noch mehr zum „Ogugge“. Ein Rundgang gefällig?

Fürstennamen, ­Fachwerk & Feschd

Die Große Kreisstadt Weinheim ist mit rund 44.000 Einwohnern die größte Stadt im Rhein-Neckar-Kreis. Ihren Namen hat sie aber nicht etwa vom Wein, sondern von einem fränkischen Stammesfürsten namens „Wino“, der im siebten Jahrhundert das Dorf „Winnenheim“ gegründet hat. (Wein gibt’s trotzdem; den haben die Römer mitgebracht.)

► Weinheim – Stadt mit Flair

Schon gewusst?

Den Landschaftsstreifen von Nord nach Süd nutzten die Römer als Heerstraße, deshalb trägt er seit der Römerzeit den Namen „Strada Montana“.

Im pittoresken, historischen Stadtviertel stehen heute noch schmucke Zunfthäuser. Rund um ein kleines Odenwaldflüsschen erinnern hübsche Fachwerkhäuschen an den Alltag von früher und das beschwerliche Gerberei-Handwerk.

Aus der kurfürstlichen Zeit stammen das Schloss und das Alte Rathaus am Marktplatz. Ende des 17. Jahrhunderts war Weinheim für wenige Jahre sogar Residenz- und Universitätsstadt. Zwei Burgen, Windeck und Wachenburg, hüten von oben die Stadt und bieten einen tollen Panoramablick über die Rhein­ebene … genug vom Rundgang?

Burgruine Windeck, dahinter Burg Wachenburg

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Weinheim, die Zweiburgenstadt: Burgruine Windeck, dahinter Burg Wachenburg

Die Weinheimer sind meisterhafte Gastgeber. Im März, immer am Sonntag Laetare, versammeln sich rund 3000 Menschen zum größten Zug der Bergstraße, dem Sommertagszug. Die Nordbadener können feiern wie keine Zweiten. Es regnet? „Mache mer a Feschd.“ Es scheint die Sunn? „Mache mer a Feschd.“ Es blüht die Mandel? „Mache mer a ­Feschd!“ Vielleicht ein italophiler Zug der Woinemer. So ist denn auch das Flair auf dem Marktplatz mediterran. Cafés, Restaurants und Weinstuben – eintauchen, wohlfühlen, mache mer a Feschd!

Die Weinheimer Kerwe, traditionelles Fest in der Altstadt

Von Dichtern und Gedichten

Das hat er auch gerne gemacht: Johann Wolfgang von Goethe schreibt über die Bergstraße: „Ich glaube, du willst unser Italien ausstechen.“ Klar, wir haben doch alles in der Region! Matthias Claudius, der 1776/77 Redakteur der „Hessen-Darmstädtischen Landeszeitung“ war, wanderte nach Feierabend gerne „guthen Muthes“ die Bergstraße entlang. Unbestätigt ist allerdings, dass die warme Abendstimmung sein berühmtes Gedicht „Der Mond ist aufgegangen“ inspiriert hat.

Woran liegt’s nun, dass es rund um Weinheim so schää wamm isch?

Von Darmstadt über Bensheim und Weinheim bis Heidelberg grenzt ein Höhenzug den Odenwald von der Rheinebene ab. Der Odenwald schützt die Gegend vor den kalten Ostwinden. So gedeihen hier Pflanzen, die vorwiegend in Südeuropa beheimatet sind, neben Mandeln etwa Pfirsiche, Aprikosen und natürlich der Wein.

Während anderswo noch Schnee und nasskaltes Wetter herrschen, verwandelt der Frühling die Bergstraße schon in einen bunten Blumenstrauß. Herrschaftlich erblüht die Magnolie zwischen Mitte und Ende März in den Gärten. Eine Vielfalt an Magnolien können Besucher im Auerbacher Fürstenlager bewundern.

Anfang April setzt die Aprikose ein. Zwetschgen, Pflaumen oder Mirabellen öffnen ihre Knospen ab Mitte April. Äpfel oder Birnen zeigen sich gegen Ende April von ihrer schönsten Seite. Jetzt können Sie Ihren eigenen Blütenkalender erstellen und die Schönheiten von ganz nah bewundern. Ich selbst war schon unzählige Male dort und kam aus dem Staunen gar nicht mehr raus. Ein Gedicht.

Sonja Faber-Schrecklein

MEIN LÄNDLE

Sie kennt das Ländle wie ihre Westentasche: Sonja Faber-Schrecklein. Nicht nur durch ihre Arbeit als Journalistin und Moderatorin für den SWR, sondern auch ganz privat. Für Mein Ländle hat sie ihre schönsten Erlebnisse an den originellsten Plätzen gesammelt.

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