Wer im Winter von einem Spaziergang nach Hause kommt und sich dann ein Gläschen köstlichen Süßwein eingießt, weiß, wie schön das wärmt: Jeder Schluck glüht wohlig in der Brust und umgarnt alle Sinne.

Nie habe ich verstanden, warum Portwein in Deutschland so wenig geschätzt wird. Aber vielleicht ändert sich das jetzt, denn wir haben eine wunderbare Auswahl dieser köstlichen roten Süßweine im Ländle! Den Begriff „Portwein“ dürfen wir natürlich nicht verwenden. Der ist geschützt und darf nur die Etiketten von Flaschen zieren, die wirklich aus dem Duorotal in Portugal stammen. Glücklicherweise sind Winzer aber ein kreatives Völkchen und finden Namen wie „Lautstark“, „SchwobaPort“, „XP“, „Bastian Bell“ et cetera. Diese speziellen Kreationen laufen zwar unter dem Überbegriff „Likörweine“. Der Begriff wird ihnen aber nicht gerecht. Sie sind reich an Aromen und vielschichtig im Geschmack, kein bisschen „plörrig“, sondern edel-süß.

Für Portwein werden eingemaischte rote Trauben noch während der Vergärung mit einem hochprozentigen Destillat versehen

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Für Portwein werden eingemaischte rote Trauben noch während der Vergärung mit einem hochprozentigen Destillat versehen

Apropos – wie kommt der rote Likörwein zu seiner Süße? Eingemaischte rote Trauben werden noch während der Vergärung mit einem hochprozentigen Destillat wie Trester oder Weinbrand versehen. So stoppt die Gärung, und der Wein behält seine leckere Restsüße, während der hochprozentige Alkohol natürlich auch zum Geschmacksträger wird. Die Likörweine haben in aller Regel zwischen 17 und 20 Prozent Gehalt. Leider gehen die Weine entsprechend schnell in den Kopf und in die Knie …

Likörweine schmecken wozu genau?

Wie eingangs erwähnt, sind das die idealen Tropfen im Winter. Mit ihrem höheren Alkoholgehalt verströmen sie eine besondere Wärme. Klassisch sind sie wunderbare Begleiter zu Käse – insbesondere Blauschimmelkäse! In England hat Stilton mit Portwein eine große Tradition. In den zylinderförmigen Käse machen die Briten eine Kuhle und geben den Dessertwein direkt in den Käselaib. Dann wird mit einem Löffel vorsichtig Käse zusammen mit Wein entnommen. Selbstverständlich gehört dazu dann noch ein Gläschen des süßen Rotweins.

Wunderbar schmecken die Weine auch zu Schokoladendesserts, etwa zu einem lauwarmen Schokoladenkuchen mit flüssigem Kern, zur dunklen Mousse au Chocolat, zu Crêpe oder Waffeln mit Pflaumenkompott, auch zu Geflügelleber sind diese Weine perfekt und natürlich mit einer guten Zigarre vor dem offenen Kamin.

Die Schokoladenseiten des Weins

Zu den klassischen Likörweinen gehören neben Portwein auch Sherry, Marsala, Malaga und Madeira

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Zu den klassischen Likörweinen gehören neben Portwein auch Sherry, Marsala, Malaga und Madeira

Die ideale Trinktemperatur

Unsicherheit herrscht oft über die Trinktemperatur. Rotwein wird ja meist bei Zimmertemperatur getrunken. Die Likörweine schmecken aber am besten bei zehn bis zwölf Grad. Idealerweise stellen Sie den Wein in den Kühlschrank und holen ihn eine halbe Stunde vor dem Servieren heraus. Von den Weinen kann man natürlich nicht so viel trinken, deshalb bieten viele Winzer ihn in 0,375-Liter- oder Halbliter-Flaschen an. Die gute Nachricht: Die angebrochenen Flaschen müssen Sie nicht so schnell austrinken. Wenn Sie sie im Kühlschrank aufbewahren, können sie durchaus drei bis vier Wochen halten. Der wirkliche Clou: Eine geschlossene Flasche können Sie im Keller locker 20 bis 30 Jahre aufbewahren. Likörweine sind langlebig.

Und eins ist gewiss: Exzellente Dessertweine kommen nicht von ungefähr.

Vier Schöpfungsgeschichten

Namensvettern

Ich kann mich noch sehr gut an die ersten Versuche des Staatsweinguts Weinsberg in den 1980er-Jahren erinnern. Lustigerweise gibt es in Spanien einen ähnlichen Dessertwein wie Portwein: PX Sherry – ein süßer Sherry aus der Pedro-­Ximenez-Traube. Den im Sinn, kreierte die Landesversuchsanstalt schon vor Jahrzehnten den ausgefallenen Dessertwein „XP“ – wirklich köstlich und in sehr edler Aufmachung.

Aus der Not eine Tugend gemacht

Eine nette Geschichte gibt es auch zur „Kreation MMXVIII“ vom Weingut Dobler in Weinstadt. Im Herbst des heißen Jahres 2018 machte Andreas Dobler große Augen, weil sein Cabernet Cubin im Nu bei über 120 Grad Oechsle war. Er erinnerte sich an seinen früheren Dozenten Dr. Oliver Schmidt von der Staatlichen Weinbauschule Weinsberg und seine exzellenten Weine, die wie Portwein hergestellt wurden – und machte aus der Not eine Tugend. So fiel der Startschuss für die außergewöhnliche „Kreation MMXVIII“.

Von Messwein und Kirchenglocken

Noch ein Tipp: der Likörwein „Bastian Bell“ vom Weingut L. Bastian in Endingen. Beindruckend finde ich, dass dieses Weingut schon seit dem Jahr 1891 regelmäßig Likörwein herstellt. Allerdings begannen sie damals mit einer weißen Variante und exportierten sie bis zum Jahr 2000 als „Messwein“. Der Urgroßvater des heutigen Besitzers Andreas Neymeyer wurde 1891 zum ersten vereidigten Messweinlieferanten in Deutschland. Seit einer Steueränderung im Jahr 2000 können Neymeyers ihre Likörweine selbst abfüllen. Auf dem Etikett des „Bastian Bell“ prangt eine Kirchenglocke, die tatsächlich im Keller des Weinguts hängt. Nachdem im Krieg alle Kirchenglocken eingeschmolzen worden waren, stiftete das Familienweingut der Kirche Sankt Vitus in Wettelbrunn eine Stahlglocke. 1990 wurde sie durch eine besser klingende Bronzeglocke ersetzt. 2019 gelang es Andreas Neymeyer, das gute Stück zurückzukaufen.

Bärenstarke Kunst

Auch beim Weingut Berthold wird der Likörwein sehr gerne gekauft, nicht nur, aber auch wegen der schönen Flasche mit dem ausgefallenen Etikett. Eine Tattoo-Künstlerin hat den klassischen Bären aus dem Familienwappen gestaltet, brüllend und modern, eben: „Lautstark“. Die junge Generation, mit Betriebsleiter Ludwig und Bruder Georg, entschloss sich 2012, einen Wein in Portweinmanier auszubauen: hochwertigen Cabernet Cubin, mit eigenem Weinbrand abgestoppt und anschließend fünf Jahre im Holzfass ausgebaut. Der Wein kommt so gut an, dass der nachfolgende „Lautstark“ schon im Fass liegt.

Sommelière Natalie Lumpp

MEIN LÄNDLE/Hennig Damasko

Die Baden-Badenerin hat als Sommelière in renommierten Restaurants den Gästen die besten Tropfen empfohlen und kredenzt.

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