Natürlich wird hier Weihnachten wie anderswo gefeiert. Doch eine der frühesten Erwähnungen des Festes in deutscher Sprache findet sich in einem Gedicht des bayrischen Sangspruchdichters Spervogel aus dem Jahr 1190. Darin erzählt er von der Geburtsgeschichte Jesu und schreibt "Der ze gewihten Naht geboren ward“, was im heutigen Deutsch so viel heißt wie „Der zur geweihten Nacht geboren ward".

Das Gedicht findet sich auch in der sogenannten Manessischen Lieferhandschrift – einer der berühmtesten Handschriften aus dem Mittelalter – wieder, eine umfangreiche Gedichtsammlung damaliger deutscher Dichter, die als Teil der Bibliotheca Palatina heute noch in Heidelberg aufbewahrt wird.

In derselben Handschrift findet sich – einige Zeilen zuvor – ein anderes Spervogel-Gedicht, gewidmet Wenhart vom Steinsberg – dem damaligen Herrscher auf der Burg bei Sinsheim. Laut dem Lokalhistoriker Thomas Adam steht so „Weihnachten“ direkt in Verbindung mit dem Kraichgau. Auch wenn der Zusammenhang nicht ganz eindeutig und weit gefasst ist, eine Verbindung von Weihnachten und Baden-Württemberg ist da.

Spervogels Weihnachtsgedicht im Codex Manesse

Universitätsbibliothek Heidelberg / Public Domain / https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/cpg848/0829

"Er ist gewaltig und stark - der ze wihen naht geborn wart ..." Im Codex Manesse, der großen Heidelberger Liederhandschrift, findet sich eines der ersten Weihnachtslieder in deutscher Sprache. Geschrieben hat es der Dichter Spervogel.

Unabhängig seiner Wortherkunft ist Weihnachten aber auch die Zeit, in der die Menschen sich auf das Wesentliche besinnen, sich Zeit für sich und ihre Liebsten nehmen. Jeder zelebriert diese Festtage auf seine ganz eigene Weise, aber es gibt hier auch Bräuche, die man sonst nirgends findet. Adventskalender oder Weihnachtsbaum kennt wohl jeder.

Woher kommt der Adventskalender?
Der Weihnachtsbaum: Eine deutsche Erfolsgeschichte

Doch was ist mit dem Pelzmärtel oder den Rollebuaba? Sie alle sind im Südwesten zuhause und an den Tagen rund um Weihnachten aktiv. Und auch in Sachen Lichterzauber legt man hierzulande Wert auf spektakuläre Optik.

Ein Überblick über besondere Weihnachtsbräuche in Baden-Württemberg.

Die klassischen Weihnachtssymbole

Der Christbaum gilt als deutsches Weihnachtssymbol schlechthin – der geschmückte Baum, wie man ihn heute kennt, hat seine Wurzeln vor rund 150 Jahren. So erinnert sich Liselotte von der Pfalz, Tochter des Heidelberger Kurfürsten  in einem ihrer Briefe aus Frankreich vom 11. Dezember 1708 an die alten Traditionen ihrer Heimat: „Da richtet man Tische wie Altäre her und stattet sie für jedes Kind mit allerlei Dingen aus, wie neue Kleider, Silberzeug, Puppen, Zuckerwerk und alles Mögliche. Auf diese Tische stellt man Buchsbäume und befestigt an jedem Zweig ein Kerzchen; das sieht allerliebst aus und ich möchte es heutzutage noch gern sehen.“

Der Weihnachtsbaum: Eine deutsche Erfolgsgeschichte

Christbaum-Loben

Aufgrund dieser Popularität ist es nicht verwunderlich, dass das Christbaum-Loben eine regionale Tradition ist, die um Weihnachten ausgeübt wird. Kleine Gruppen ziehen dabei von Haus zu Haus, um Freunde oder Bekannte zu besuchen. Ziel ist es durch ausgiebiges Loben des Baumes, Schnaps und andere Leckereien abzustauben. Wenn man sein Loben dann noch mit einem weihnachtlichen Lied untermalt, dann steht einem feucht-fröhlichen Abend nichts im Wege.

24 Türchen bis Weihnachten

Auch den Adventskalender möchte hierzulande keiner missen. Umso interessanter ist, dass der gedruckte Adventskalender seine Ursprünge in Baden-Württemberg hat. Der Verleger Gerhard Lange aus Maulbronn hat 1904 einen Ausschneidebogen mit 24 weihnachtlichen Motiven herausgebracht. Zu Beginn war dieser Kalender eine kostenlose Beigabe, um 1908 wurde er dann zum Verkauf angeboten. Noch heute öffnen die Menschen vorfreudig die 24 Türchen bis Weihnachten.

Historischer Adventskalender von 1903 mit einem Motiv von Richard Ernst Kepler

wiki/Motiv: Richard Ernst Kepler

Historischer Adventskalender von 1903 mit einem Motiv von Richard Ernst Kepler

Wenn der Pelzmärtel schellt ...

Den Nikolaus und seinen Knecht Ruprecht kennt eigentlich fast jeder. Doch was ist mit dem Bigger- oder Biggesel, dem Pelzmärtel, dem Nussaweible oder dem Belzenickel? Auch sie sind Teil einer lebendigen Brauchtumskultur rund um Weihnachten und haben ihre Heimat im Südwesten. In Bad Wildbad im nördlichen Schwarzwald begegnet man zum Beispiel dem Pelzmärtele. Der wilde und glockenbehängte Geselle tobt im Strohkostüm (ähnlich denen der traditionellen schwäbisch-alemannischen Fasnet) begleitet von peitschenknallenden Gesellen in der Weihnachtsnacht durch den Ortsteil Sprollenhaus, um böse Geister zu vertreiben. Trifft er auf das Christkindle, das in der Nacht ebenfalls in Begleitung zweier Damen unterwegs ist, darf er ihm den Schleier lüften und es küssen.

Der Schwarzwald: Unsere schöne Heimat

Ein paar Orte weiter, in Bad Herrenalb, sind Christkind und Pelzmärtel ein Duo: Seit 300 Jahren wird der Brauch hier gepflegt, die aufwändige Kostümpflege ist Teil des Ganzen. Der Pelzmärtel-Darsteller, laut Tradition ein unverheirateter junger Mann, wird in sein Gewand aus 150 Metern geflochtenem Stroh regelrecht eingenäht, mit Glocken behängt und darf erst wieder raus, wenn er seine Tour beendet hat.

Weihnachtsbräuche in Baden-Württemberg: Pelzmärtle in Bad Wildbad.

Ingo Haag

Strohiger Gesell ... Durch Bad Wildbad-Sprollenhaus zieht an Heiligabend unter Geschrei und Peitschengeknall das Pelzmärtle.

... und der Benzenickl kommt

Sprachlich verwandt ist der Pelzmärtel oder Pelznickel, wie er anderswo heißt, übrigens auch mit dem Belze- oder Benzenickel, den man im (Kur-)Pfälzischen antreffen kann.In der Gegend um Heidelberg wird die Adventszeit durch den Benzenickl eingeläutet. Der Benzenickl-Tag ist der 5. Dezember. Traditionell verkleideten sich Kinder wie kleine Nikoläuse und zogen von Tür zu Tür. Mit Gedichten und Liedvorträgen haben sie sich damit Süßigkeiten, Äpfel oder Nüsse verdient. Auch wenn die Tradition etwas in Vergessenheit geraten ist, findet man Veranstaltungen, die auf diesem Brauch beruhen.

Im nordbadischen Nußloch findet daher jährlich der Benzenickl-Basar statt, bei dem auch ein Besuch des Benzenickls selbst nicht fehlen darf. Im Namen kommen viele Figuren und Hintergründe zusammen, so stecken darin die Heiligen St. Martin („Märtel“) oder Nikolaus („Nickel“) ebenso wie das westmitteldeutsche Wort „pelzen“, was so viel wie „prügeln“ bedeutet und nichts mit der Kleidung des Gesellen zu tun hat. Historisch gehen viele der Bräuche auf die Reformation zurück, denn die Protestanten hielten nicht viel von Heiligenverehrung und griffen daher auf traditionelle Figuren und ländliche Bräuche zurück, die oft bis in vorchristliche Zeit reichen.

Bnezenickel-Tradition im Rhein-Neckar-Raum

pr/Fam. Molitor

„Isch bin en arme Sünder, hab 99 Kinder, wenn isch häm kumm un hab net viel, krieg isch se mim Beseschdiel“ - mit Gedichten wie diesen zogen früher die Kinder in der Rhein-Neckar-Region am Nikolaustag um die Häuser um Kekse, Nüsse und Obst einzusammeln. Heute ist diese Tradition ausgestorben.

Der Biggesel ruft

In Steinach im Kinzigtal sind in der Zeit rund um den Nikolaustag die „Klausenbigger“ unterwegs. Bereits seit dem 18. Jahrhundert gibt es die Tradition, bei der der pelzige Ruppelz und der weiß geschminkte Santiklaus – eine Art Nikolausfigur in zweifacher Ausführung - gemeinsam mit dem Biggeresel, einem vierbeinigen Wesen mit spitzem Kopf und roter Zunge, schreiend und kettenrasselnd durch die Straßen ziehen, um unartige Kinder zu ermahnen, aber auch um Plätzchen und Naschwerk zu verteilen. Am Schluss des Hausbesuchs überreichen sie den Eltern eine Rute – auf dass die Kinder im nächsten Jahr „artig bleiben“. Auch im benachbarten Haslach gibt es eine ähnliche Tradition, hier begleiten neben dem Biggeresel das Christkindle und Knecht Ruprecht den Nikolaus und auch hier mischt der Pelzmärtel mit: In gruseligem Kostüm und Ketten komplettiert er das Quartett.

Klausen und Nussaweible

In Dietingen bei Rottweil ist der Knecht Ruprecht weiblich: Hier verteilt der Nikolaus am 6. Dezember gemeinsam mit den sieben Klausen und dem „Nussaweible“ begleitet von lautem Peitschenknallen, dem „Klepfen“, Haselruten und „Brötle“, also Plätzchen. Die jahrhundertelange Klausentradition halten heute die Jugendlichen des Dorfes aufrecht.

Wer ist der Weihnachtsmann?

Klausenbigger in Steinach im Kinzigtal

Dieter Wissing

Beeindruckendes Quartett: Die Klausenbigger - Santiklaus in doppelter Ausführung, der Biggesel und der Ruppelz - ziehen rund um den Nikolaustag durch Steinach.
Weihnachtstraditionen in Baden-Württemberg: Klausen und Nussaweible in Dietingen

Gemeinde Dietingen

Besondere Leibgarde: In Dietingen begleiten die sechs Klausen den Nikolaus (r.) und das Nussaweible (Mitte).
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Rollbuaba …

Ähnlich wie im Hohenlohischen: Hier sind an Heiligabend traditionell die Rollenbuben, im Dialekt Rollbuaba, macherorts auch Rollesel unterwegs. Unter anderem in Wolpertshausen, Reinsberg und Ilshofen ziehen Jugendliche mit Glocken behängt, in langen weißen Gewändern und mit selbstgebastelten spitzen Hüten aus alten Schulheften auf dem Kopf nach der Christmette von Haus zu Haus, um böse Geister zu vertreiben. Zur Belohnung gibt’s Süßes, unartige Kinder werden auch mal kurz „entführt“ und mit einem schwarzen Strich markiert an die Eltern zurückgegeben. In Altenmünster bei Crailsheim geben bei diesem über 100 Jahre alten Brauch junge Männer, verkleidet in der typischen Tracht – Hut, Kuhglocken, Nachthemd und Wurzelstab - fünf traditionelle Weihnachtslieder zum Besten.

… und Belzer

Und wer an Heiligabend im Ettlinger Stadtteil Schluttenbach unterwegs ist, begegnet vielleicht den drei mysteriösen Belzern. Sie begleiten das Christkind, das Geschenke verteilt, von Haus zu Haus. An den Sonntagen davor ziehen sie nach Einbruch der Dunkelheit, jeder mit einer langen Birkenrute in der Hand und einem ledernen Glockengurt über der Schulter, rund ums Dorf, um mit ihrem Geläut böse Geister abzuschrecken. Man sollte sie nur nicht nachäffen, denn dann können sie ungehalten werden. Doch egal ob Belzer, Rollbuaba, Nussaweible, Pelzmärtel oder Biggesel. Sie alle eint zwei Dinge. Die Tradition, oft jahrhunderte alt und ihr Zweck: Für friedliche Weihnachten zu sorgen.

Weihnachtstraditionen in Baden-Württemberg: Rollabuawe in Ilshofen

Stadt Ilshofen

Mit Nachhemd, Spitzhut und Glocken ... In Ilshofen ziehen zur Weihnachtsnacht die Rollabuawe um die Häuser.

Skurriles Treiben am Heiligen Morgen

Anderswo gibt es zu Heiligabend hierzulande feucht-fröhliche Traditionen: In Esslingen, Reutlingen und Kirchheim unter Teck trifft man sich bereits am „Heiligen Morgen“ zum ausgedehnten Frühschoppen, um Weihnachten einzuläuten. Seit über 40 Jahren treffen sich auch die Göppinger am „Heiligen Morgen“ zum ausgedehnten Morgentrunk. Die Wurzeln dieser Tradition liegen hier in der Innenstadtkneipe „Treffpunkt“, wo Stammgäste bereits 1974 am Weihnachtsvormittag einen Schnaps ausgeschenkt bekamen. Heute ist es ein großes Fest in der Kernstadt, bei der sich Göppinger mit Freunden und Familie treffen, um Weihnachten einzuläuten – allerdings seit einigen Jahren ohne Schnaps. Um 14 Uhr ist dann Schluss mit dem vorweihnachtlichen Treiben, dann geht's nach Hause, Weihnachten feiern.

Fackeln zu Heiligabend

Besonders hitzig geht es dagegen in Altensteig zu. Hier wird die Geburt Christi am Heiligen Abend mit sehr viel Feuer gefeiert. Die traditionellen Fackelgilden, Tannenbergler und die Tälemer, treffen sich auf dem Helles- bzw. dem Schlossberg, um dort je einen riesigen Holzturm aufzubauen. Wenn die Türme dann abends entzündet werden, entsteht ein Lauffeuer. Tausende Fackeln werden dazu hin und her geschwenkt und geben ein ebenso mystisches wie eindrucksvolles Bild. Laut Legende soll jeder, auf den das Licht fällt, im nächsten Jahr vor Unheil geschützt sein. Ohne dieses „Fackeln“ gibt es in Altensteig auch kein Weihnachten – was man hier von klein auf lernt, gibt ein Heimatgefühl, das keiner missen möchte.

Altensteiger Weihnachtsfackeln

Stadt Altensteig

In Altensteig wird an Heiligabend Jesu Geburt mit tausenden Fackeln gefeiert.

Heimatgefühl geht durch den Magen

Bereits im Mittelalter gab es „Gebildbrote“ in Deutschland und Frankreich. Auch heute noch erhält man in Baden und der Pfalz Hefeteigmänner mit Korinthenaugen. Je nach Region werden diese auch als sogenannte „Christdai“ oder „Dampedai“ bezeichnet. Wo genau der Wortursprung herkommt ist nicht ganz definiert, es gibt aber Erzählungen von „damp“ als Bezeichnung für einen „täppischen Menschen“, es könnte aber auch von dem Wort „gedeihen“ abgeleitet sein, dass sich im Mittelhochdeutsch von „dihen“ über „deien“ zu „gedeihen“ gewandelt hat.

Auch der Christstollen war ursprünglich ein Gebildbrot. Übrigens: auch die Hildabrötchen stammen - zumindest was ihren Namen betrifft - aus Baden-Württemberg. Den Namen gab ihnen Hilda, letzte Großherzogin von Baden, die die Plätzchen mit Marmeladenfüllung angeblich für ihr Leben gern aß.

Hier finden Sie Rezepte für Weihnachtsgebäck wie Hildabrötchen & Co.
Und hier finden Sie ein Rezept für Zimtsterne

Springerle

Auch die sogenannten Springerle dürfen zur Weihnachtszeit nicht fehlen. Der Name rührt entweder daher, dass während des Backens das Bild herausspringt oder weil der Springer eines der beliebtesten Motive war. In Calw gibt es zur Weihnachtsmarktzeit jedes Jahr eine limitierte Auflage der Springerleform mit einem anderen Motiv. Eine andere lange Tradition in Calw sind die Bärentatzen, eine ganz besondere süße Köstlichkeit, die nicht nur lecker schmeckt, sondern auch glücklich machen soll. Der Erlös kommt sozialen Zwecken zugute.

Model für Springerle

Ji-Elle/CC BY-SA 4.0/Wikimedia Commons

Klassische Springerle-Formen, die so genannten Model, wurden aus Holz hergestellt.

Doch egal ob Plätzchenduft, Tannengrün oder wild-urwüchsige Traditionen: Das weihnachts-winterliche Wir-Gefühl wird bei jedem durch etwas anderes ausgelöst: durch Feuerschein, eine alljährlich wiederkehrende Weihnachtsveranstaltung, durch den Geruch von gebackenen Plätzchen und den Duft weihnachtlicher Gewürze, durch den Geschmack von fruchtigem Glühwein oder mit einem Lied, von dem wir in der Weihnachtszeit nicht genug bekommen können. All diese Dinge machen die kalte Jahreszeit zu etwas Besonderem, das uns auch manchmal unsere Heimat noch ein Stückchen näher bringt.

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